OGH 6Ob522/90

OGH6Ob522/908.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kazim B***, geboren am 6.August 1947 in Akzaabat, Türkei, Maurer, Wien 12., Ehrenfelsgasse 3/1, vertreten durch Dr.Josef Sailer, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, wider die beklagte Partei mj. Dieter S***, geboren am 16.August 1974 in Hainburg a. d.Donau, bei seiner Mutter Ingrid W***, im Haushalt, Hainburg a. d.Donau, Hauergasse 35/13, gesetzlich vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha - Jugendamt als gerichtlich bestellter Kollisionskurator, im Rechtsstreit vertreten durch Dr.Georg Krasser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme des beim Bezirksgericht Hainburg an der Donau über die Klage des widerbeklagten Kindes gegen den Widerkläger wegen Feststellung der Vaterschaft und zur Leistung des gesetzlichen Unterhaltes zu C 244/74 anhängig gewesenen Rechtsstreites, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 19.Oktober 1989, GZ 44 R 1050/89-47, womit infolge Berufung der beklagten Partei unter Aufhebung des Urteiles des Bezirksgerichtes Hainburg an der Donau vom 13.Juni 1989, GZ 1 C 1173/87-43, das Wiederaufnahmebegehren gemäß § 543 ZPO zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht stattgegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 2.966,40 S bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 494,40 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der am 16.August 1974 unehelich geborene Beklagte hatte im November 1974 den nunmehrigen Wiederaufnahmskläger auf Feststellung seiner Vaterschaft und Leistung des gesetzlichen Unterhaltes geklagt. In dem über diese Vaterschaftsklage durchgeführten Rechtsstreit hatte der nunmehrige Kläger eingewendet, die Mutter des Kindes habe mit vielen Männern geschlechtlich verkehrt, ohne jedoch zunächst - von dem von der Mutter selbst bezeichneten späteren Lebensgefährten abgesehen - einen einzigen angeblichen Mehrverkehrspartner namentlich oder sonst näher zu bezeichnen. Nachdem die Mutter des Kindes als Zeugin ausgesagt hatte, daß ihr in der Zeit zwischen Anfang Oktober und Ende Dezember 1973 außer dem Kläger kein anderer Mann beigewohnt habe, ab Ende Dezember 1973 dann ein Mann, mit dem sie in der Folge mehrere Jahre in Lebensgemeinschaft lebte, und ein Sachverständigengutachten nach der Blutgruppen- und Faktorenbestimmung sowie der Bestimmung der Sekretoreigenschaften eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des nunmehrigen Klägers zum Kind ergeben hatte, auch ein Sachverständigengutachten über den höchstwahrscheinlichen Zeugungstermin (zwischen 16. und 24. November 1973) und ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten unter Einbeziehung der Streitteile, der Mutter des Kindes und ihres langjährigen Lebensgefährten die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des nunmehrigen Klägers und gleichzeitig die Unwahrscheinlichkeit jener des Lebensgefährten der Mutter des Kindes ergeben hatte, bezeichnete der nunmehrige Kläger einen namentlich bestimmten und einen weiteren Mann aus einer Nachbargemeinde als Mehrverkehrspartner der Mutter des Kindes. Die Mutter des Kindes stellte jeden vom nunmehrigen Kläger behaupteten Mehrverkehr in Abrede, weitere Behauptungen über Mehrverkehrspartner der Mutter des Kindes stellte der Kläger im vorangegangenen Prozeß nicht mehr auf. Mit dem Urteil vom 31. Dezember 1979 hatte das Prozeßgericht der Vaterschaftsklage und dem mit dem Feststellungsbegehren verbundenen Unterhaltsbegehren stattgegeben. Eine Ausfertigung dieses Urteiles war dem nunmehrigen Kläger im Wege postamtlicher Hinterlegung zugestellt worden. Er behob die Urteilsausfertigung erst anläßlich einer Vorsprache bei Gericht am 24.Juni 1986.

Am 30.April 1987 langte beim Prozeßgericht eine mit 14.April 1987 datierte Wiederaufnahmsklage ein, die der als Vater festgestellte Mann darauf stützte, daß ein neues anthropologisch-erbbiologisches Gutachten mit Rücksicht auf das vom Kind inzwischen erreichte Alter einen höheren Aussagewert besäße als das im vorangegangenen Verfahren eingeholte Gutachten. In einer mit 7.März 1988 datierten Eingabe gab die damalige Lebensgefährtin des Wiederaufnahmsklägers dem Prozeßgericht bekannt, daß die Mutter des Kindes bei einer Besprechung in einer Rechtsanwaltskanzlei am 23.Februar 1988 erklärt habe, der Wiederaufnahmskläger sei nicht der Vater ihres wiederaufnahmsbeklagten Kindes. Diese Behauptung machte der Wiederaufnahmskläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13.Juli 1988 auch zum Inhalt seines Prozeßvorbringens.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17. November 1988 brachte der inzwischen anwaltlich vertretene Wiederaufnahsmkläger vor, daß die Mutter des wiederaufnahmsbeklagten Kindes nach ihrem Witwenfall (= 26.September 1973) außer mit dem Wiederaufnahmskläger noch mit verschiedenen anderen Männern geschlechtlich verkehrt habe, deren Namen ihm jedoch nicht bekannt seien. Dazu brachte der Wiederaufnahmskläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 7.April 1989 im Sinne seines mit 29. November 1988 bei Gericht eingelangten Schriftsatzes vor, kurz vor der Tagsatzung vom 17.November 1988 von einem als Zeugen namhaft gemachten türkischen Landsmann erfahren zu haben, daß dieser im Jahre 1973 in der fraglichen Zeit mit der Mutter des Kindes geschlechtlich verkehrt habe und dies auch von weiteren Arbeitskollegen wüßte. Die Mutter des Kindes habe daher unrichtig ausgesagt. Dieser türkische Landsmann des Wiederaufnahmsklägers sagte in Übereinstimmung mit der Zeugenaussage der Mutter des Kindes aus, er selbst habe mit dieser niemals geschlechtliche Beziehungen unterhalten. Der Zeuge benannte aber einen Kollegen mit Vor- und Familiennamen, der sich entweder wieder in der Türkei aufhalte oder in der Bundesrepublik Deutschland arbeite, sowie einen weiteren Landsmann, von dem er nur den Vornamen anzugeben vermochte, welche beiden Männern ihm erzählt hätten, mit der Mutter des Kindes geschlafen zu haben. Die Mutter wiederholte ihre Zeugenaussage, von Oktober bis Mitte Dezember oder Weihnachten 1973 mit keinem anderen Mann außer dem Wiederaufnahmskläger geschlechtlich verkehrt zu haben. Nachdem der Zeuge bereits in seiner ohne Beiziehung eines Übersetzers am 7.April 1989 abgelegten Zeugenaussage den namentlich genannten Arbeitskollegen als angeblichen Mehrverkehrspartner benannt und sein Wissen über den derzeitigen Aufenthalt dieses Mannes mitgeteilt und dann am 29.Mai 1989 unter Beiziehung eines Übersetzers vernommen auch noch den Vornamen des zweiten Gewährsmannes genannt hatte, stellte der Wiederaufnahmskläger den Beweisantrag, diese beiden Männer als Zeugen zu vernehmen, und erbat sich eine sechswöchige Frist zur Bekanntgabe der vollständigen Namen und Anschriften dieser beiden Zeugen.

Das Prozeßgericht erster Instanz gab dem Wiederaufnahmsbegehren statt und hob das im Verfahren über die Vaterschaftsklage ergangene Urteil auf.

Dazu stellte es fest, die Mutter des Kindes habe gegenüber dem Vorverfahren ihre Aussage als Zeugin insofern geändert, als sie den Beginn ihrer geschlechtlichen Beziehungen mit ihrem späteren Lebensgefährten von Ende Dezember 1973 auf Mitte dieses Monates zeitlich vorverlegt habe. Überdies sei nunmehr ein Zeuge vorhanden, der von mehreren Seiten gehört habe, daß die Mutter des Kindes in der fraglichen Zeit mit mehreren Männern geschlechtlich verkehrt hätte, zwei solche Männer hätten den Zeugen über ihren Verkehr mit der Mutter des Kindes selbst unterrichtet.

Daraus folgerte das Prozeßgericht erster Instanz in rechtlicher Beurteilung:

Von einem neuerlichen erbbiologischen Gutachten seien ungeachtet des höheren Alters des Kindes keine gegenüber dem Vorverfahren neuen Ergebnisse zu erwarten. Der im Klagsschriftsatz enthaltene Grund sei kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund.

Eine bewußt unrichtige Zeugenaussage der Mutter des Kindes sei nicht anzunehmen. Daher sei auch ein Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 530 Abs. 1 Z 2 ZPO nicht erfüllt.

Für den Wiederaufnahmskläger stelle es aber einen neuen, früher nicht vorbringbaren Tatumstand dar, daß die Mutter des Kindes schon 10 bis 14 Tage früher als nach ihrer im Vorverfahren abgelegten Aussage mit ihrem späteren langjährigen Lebensgefährten geschlechtliche Beziehungen aufgenommen habe.

Auch sei der Wiederaufnahmskläger nun in die Lage versetzt, den von ihm schon im Vorverfahren eingewendeten Mehrverkehr durch die Bezeichnung zweier bestimmter Männer als Mehrverkehrspartner zu konkretisieren und dieses Vorbringen durch Zeugenaussagen unter Beweis stellen zu können.

Aufgrund der erst in einem wiederaufgenomnmenen Verfahren vorzunehmenden Beweiswürdigung könnte es das Gericht für möglich ansehen, daß außer dem Wiederaufnahmskläger noch andere Männer im letzten Quartal 1973 mit der Mutter des Kindes geschlechtlich verkehrt hätten, und danach könnte es fraglich werden, ob nicht weitere Personen in die serologische Untersuchung einzubeziehen wären. Zwei rechtzeitig geltend gemachte Wiederaufnahmsgründe (im Sinne des § 530 Abs. 1 Z 7 ZPO) rechtfertigten die Wiederaufnahme. In seiner Berufung bemängelte das Kind zunächst die Annahme der besonderen Prozeßvoraussetzungen für die begehrte Wiederaufnahme. Zur Beurteilung des Wiederaufnahmsbegehrens selbst rügte das Kind unter anderem auch eine unrichtige Beweiswürdigung. Das Berufungsgericht änderte die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung derart ab, daß sie als Beschluß auf Zurückweisung des Wiederaufnahmebegehrens zu lauten habe.

Das Berufungsgericht trat der erstrichterlichen Beurteilung zum Grund der Wiederaufnahme wegen einer Wiederholung des anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens und wegen angeblich unrichtiger Zeugenaussage der Mutter des Kindes bei. Danach erachtete das Berufungsgericht lediglich den Inhalt der Aussage des im Wiederaufnahmeverfahren vernommenen türkischen Landsmannes des Wiederaufnahmsklägers als prüfungswürdig. Das Berufungsgericht befand aber, daß der Wiederaufnahmskläger zu den angeblichen Mehrverkehrspartnern der Mutter des Kindes kein zur Einleitung eines Wiederaufnahmsverfahrens taugliches Vorbringen erstattet hätte, was gemäß § 543 ZPO die beschlußmäßige Zurückweisung der Klage nach sich zöge.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Namen der Republik ausgefertigt. Offensichtlich dadurch verleitet, führte der Wiederaufnahmskläger seine Anfechtung der Rechtsmittelentscheidung als Revision aus. Der Sache nach handelt es sich um einen Rekurs, bei der Rechtsmittelgegenschrift des Kindes um eine Rekursbeantwortung. Das Rechtsmittelverfahren ist im Sinne des § 521 a Abs. 1 Z 3 ZPO dennoch zweiseitig. Es liegt daher bloß eine im Sinne des § 84 Abs. 2 zweiter Satz ZPO unerhebliche unrichtige Bezeichnung vor.

Rechtliche Beurteilung

Das vom Wiederaufnahmskläger gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene Rechtsmittel ist nicht berechtigt. Der Rechtsmittelwerber strebte die Wiederaufnahme eines Rechtsstreites an, in dem seine Vaterschaft zu einem unehelich geborenen Kind festgestellt worden war, um zur Entkräftung der gegen ihn nach § 163 Abs. 1 ABGB streitenden Vermutung die Beweisführung fortsetzen zu können, daß seine Vaterschaft unwahrscheinlicher sei als die eines anderen Mannes, für den die Vermutung ebenfalls gelte.

In dem nach dem Urteilsbegehren wiederaufzunehmenden Vaterschaftsstreit hatte das Gericht in tatsächlicher Hinsicht zugrundegelegt, daß die Mutter des Kindes in der gesetzlich vermuteten Empfängniszeit nacheinander nur mit dem nunmehrigen Wiederaufnahsmkläger und ihrem späteren langjährigen Lebensgefährten, sonst aber mit keinem anderen Mann geschlechtlich verkehrt habe.

Die vom Wiederaufnahmskläger in der Hauptsache beabsichtigte Beweisführung setzt voraus, daß ein Geschlechtsverkehr der Mutter des Kindes mit einem solchen Mann für den Wiederaufnahmskläger neu bekannt oder beweisbar geworden wäre, von dem auch zu erweisen sein könnte, daß seine Vaterschaft wahrscheinlicher als die des Wiederaufnahmsklägers sei. Die im Vorverfahren nach dem serologischen Sachverständigengutachten sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Wiederaufnahmsklägers ließe sich ohne Einbeziehung eines Mehrverkehrspartners der Mutter nicht nach dem zweiten Fall des § 163 Abs 2 ABGB relativieren. Tauglicher Wiederaufnahmsgrund kann daher nur eine weitere serologische Befundaufnahme und Gesamtbegutachtung sein. Eine solche bliebe aber solange undurchführbar, solange der angebliche Mehrverkehrspartner nicht derart bezeichnet ist, daß unter der gebotenen Identitätsprüfung an ihm die für die Begutachtung erforderliche Blutabnahme vorgenommen werden könnte. Solange der Wiederaufnahmskläger zur Darlegung des Wiederaufnahmsgrundes nicht wenigstens Vor- und Familiennamen, Beschäftigung und Anschrift eines Mannes anzugeben imstande ist, dessen Vaterschaft wahrscheinlicher sein könnte als die von ihm vermutete und bereits urteilsmäßig festgestellte Vaterschaft, ist kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund geltend gemacht, weil der für einen Erfolg des Wiederaufnahmsklägers in der Hauptsache unerläßlichen Blutabnahme des angeblichen Mehrverkehrspartners Hindernisse, und seien es auch nur rein verfahrenstechnische, möglicherweise behebbare Hindernisse entgegenstünden. Es ist nicht Sache des Gerichtes, im Falle einer vom Wiederaufnahmswerber unzureichend vorbereiteten Geltendmachung eines Wiederaufnahmegrundes dessen inhaltliche Verbesserung durch die Prozeßparteien abzuwarten.

Vom späteren langjährigen Lebensgefährten der Mutter des Kindes war schon nach der Aktenlage im Vorverfahren bekannt, daß er innerhalb der gesetzlich vermuteten Empfängniszeit mit der Mutter des Kindes geschlechtlich verkehrt hatte. Dieser Mann war auch in die anthropologisch-erbbiologischen Untersuchungen einbezogen worden. Daß dies bei der serologischen Untersuchung unterblieben war, rechtfertigte auch dann keine Wiederaufnahme, wenn die Zeit des ersten Verkehrs dieses Mannes mit der Mutter des Kindes nach deren Zeugenaussage nunmehr zeitlich näher an den höchstwahrscheinlichen Zeugungstermin herangerückt erscheint, weil sich dadurch gegenüber der Beweislage im Sinne des § 163 Abs. 2 zweiter Fall ABGB für den Wiederaufnahmskläger nichts entscheidend geändert hätte, zumal die als erwiesen angenommenen Fälle seiner Beiwohnung unverändert näher am höchstwahrscheinlichen Zeugungstermin liegen.

Entgegen den Rechtsmittelausführungen des Wiederaufnahmsklägers liegt der Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz keine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung zugrunde, sondern die im Rahmen der Vorprüfung gebotene Beurteilung der als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachten Umstände auf ihre Eignung, eine dem Wiederaufnahmswerber günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen.

Dem Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß mußte aus diesen Erwägungen ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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