OGH 12Os162/89

OGH12Os162/891.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Februar 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Lubomir B*** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12.Juli 1989, GZ 5 c Vr 2171/89-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, und der Verteidigerin Dr. Furgler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der 29jährige Lubomir B*** wurde des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverlezung nach § 87 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 25.Februar 1989 in Wien dem Karl B*** durch einen Messerstich gegen den Bereich des rechten Oberbauches eine - im Urteil detailliert beschriebene - an sich schwere Körperverletzung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung absichtlich zugefügt hat.

Rechtliche Beurteilung

Die von ihm dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit b und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl. Auszugehen ist vorliegend davon, daß einerseits ein wuchtiger Messerstich gegen den Unterleib eines Menschen als Reaktion gegen einen - sei es nun erstmals drohenden oder nach einem fehlgegangenen wiederholten - händisch geführten Schlag ganz offensichtlich und für jedermann leicht erkennbar unangemessen ist (§ 3 Abs. 1 zweiter Satz StGB) und daß sich andererseits der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens niemals damit verantwortet hatte, das Maß der gebotenen und zulässigen Verteidigung aus einem asthenischen Affekt überschritten zu haben. Vielmehr deponierte er vor dem Untersuchungsrichter - welcher Version das Schöffengericht ersichtlich Glauben schenkte; siehe S 196 - er sei über die Stänkerei des B*** so verärgert gewesen, daß er sich abreagieren wollte, er habe damals impulsiv gehandelt; wenn er B*** nur hätte einschüchtern wollen, hätte er ihn auch ohne Messer schlagen können; B*** habe zwar zu einem Schlage ausgeholt, ihn - den Angeklagten - aber nicht getroffen, es sei also nicht notwendig gewesen, daß er B*** zur Abwehr mit dem Messer stach (siehe S 72 f), wogegen er in der Hauptverhandlung (S 163 ff) behauptete, er habe nicht zugestochen, B*** sei mit der Faust auf ihn losgegangen, er - der Angeklagte - sei dann auf die Seite gegangen und habe das Messer aufgemacht, B*** sei ihm dabei "hineingerannt", welche Variante das Erstgericht als unglaubwürdig verwarf.

So gesehen kann es als irrelevant dahingestellt bleiben, ob B*** zu einem Schlag gegen den Angeklagten ausgeholt oder ihn bereits verfehlt hatte, als der inkriminierte Messerstich geführt wurde bzw ob er nach dem ersten fehlgegangenen einen weiteren Schlag gegen den Angeklagten führen wollte, womit sich das gesamte, die Z 5 und 5 a relevierende Beschwerdevorbringen erledigt. Den Rechtsrügen (Z 9 lit b und 10) hinwieder genügt es zu entgegnen, daß die Angemessenheit einer Notwehrhandlung eine Rechts- und keine Tatfrage darstellt. Mithin waren darüber, "ob die Notwehrhandlung des Angeklagten notwendig war", keine Tatsachenfeststellungen zu treffen. Angesichts der oben wiedergegebenen Verantwortung des Angeklagten waren auch Konstatierungen darüber, ob er das Maß zulässiger Notwehr lediglich aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken überschritten habe, nicht indiziert.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 87 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Dabei waren erschwerend seine zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, mildernd hingegen die Provokation durch Karl B***.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er Strafherabsetzung und teilbedingte Strafnachsicht nach § 43 a StGB, allenfalls letztere Maßnahme allein anstrebt, ist nicht begründet.

Angesichts dessen, daß der Berufungswerber in der Vergangenheit schon wiederholt in alkoholisiertem Zustand gegen andere Menschen tätlich wurde und ihm sonach die enthemmende bzw aggressionssteigernde Wirkung des Alkohols auf seine Person bekannt war (siehe beispielsweise S 88 in 5 c Vr 4923/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und S 37 in 5 c E Vr 7960/86 desselben Gerichtes), kann vorliegend die Enthemmung durch Alkohol nicht als mildernd gewertet werden (§ 35 StGB). Es kommt ihm aber auch der Milderungsgrund nach § 34 Z 16 StGB nicht zustatten, weil er sich nicht nach der gegenständlichen Tat bzw im Zusammenhang mit dieser selbst gestellt, sondern lediglich eine aus einem anderen Verfahren stammende noch offene Strafhaft freiwillig angetreten hatte (siehe S 57).

Die tatrichterlichen Strafzumessungsgründe bedürfen sonach keiner Korrektur. Geht man aber von ihnen aus und legt man namentlich dem einschlägig schwer getrübten Vorleben des noch nicht einmal dreißigjährigen Angeklagten - elf vor der nunmehrigen Tat liegende Vorstrafen (teils auch) wegen Körperverletzung, Notzucht, gefährlicher Drohung und Sachbeschädigung mit einem insgesamt weit mehr als fünfjährigen Freiheitsentzug - die gebührende Bedeutung bei, dann erweist sich bei einem bis zu fünf Jahren reichenden Strafsatz und einer hier sogar gemäß § 39 StGB auf siebeneinhalb Jahre erweiterten Strafbefugnis die geschöpfte Unrechtsfolge als keineswegs überhöht, ja als ein zur Erreichung der Strafzwecke gerade noch vertretbares Minimum, zumal in zwei letzten strafgerichtlichen Verurteilungen nach der gegenständlichen Tat Zusatzstrafen zu einer vor dieser Tat ausgesprochenen Strafe verhängt wurden, sodaß § 31 StGB hier nicht anwendbar ist (LSK 1980/51).

Daß hier auch die für die Gewährung einer selbst nur teilbedingten Strafnachsicht erforderlichen Grundvoraussetzungen spezialpräventiver Natur mangeln, ist evident, bedarf daher keiner weiteren Erläuterung.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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