Spruch:
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird im Umfang der Aufhebung des Ersturteils hinsichtlich der Abweisung eines Betrages von 16.755 S samt 4 % Zinsen seit 31. Oktober 1987 aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst mit Teilurteil zu Recht erkannt:
"Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Abweisung eines Teilbetrages von 16.755 S brutto samt 4 % Zinsen seit 31. Oktober 1987 richtet, nicht Folge gegeben."
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster, zweiter und dritter Instanz wird der Endentscheidung vorbehalten.
II. den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Im übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben und der angefochtene Beschluß mit der Maßgabe bestätigt, daß er zu lauten hat:
"Im übrigen wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Urteil - das in seinem stattgebenden Teil als unangefochten unberührt bleibt - in seinem einen Betrag von 243.890,53 S brutto samt 4 % Zinsen seit 31. Oktober 1987 abweisenden Teil sowie im Kostenpunkt aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen."
Die Kosten des Verfahrens erster, zweiter und dritter Instanz sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 1. Jänner 1984 bis 30. Oktober 1987 bei der beklagten Partei beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Entlassung.
Der Kläger begehrte 279.250,14 S brutto samt Anhang an restlichem Entgelt, Urlaubsentschädigung, Abfertigung und Kündigungsentschädigung. Er habe wegen unzumutbarer Arbeitsbedingungen einen Auslandseinsatz zu Recht abgelehnt und sei deswegen ungerechtfertigt entlassen worden.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe im Rahmen seiner Tätigkeit im Ausland gekaufte Waren zu bearbeiten gehabt. Am 30. Oktober 1987 habe er den Auftrag erhalten, derartige Tätigkeiten in Frankreich zu verrichten. Als der Kläger dies abgelehnt habe, habe ihn der Geschäftsführer der beklagten Partei verwarnt und gedroht, ihn zu entlassen. Da der Kläger bei seiner Weigerung geblieben sei, sei er entlassen worden. Das Erstgericht gab der Klage mit einem Betrag von 18.604,61 S brutto sA statt und wies das Mehrbegehren ab.
Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde vereinbart, daß der Kläger hauptsächlich im Ausland eingesetzt werden solle. Der Kläger arbeitete im Betrieb als Mechaniker und bei Auslandseinsätzen (Brunnenbohrarbeiten) auch manuell mit. Die beklagte Partei kaufte in Frankreich größere Mengen Rohre, die in Österreich bearbeitet und von dort an Kunden gesandt wurden. Der Kläger hatte die Rohre in Frankreich zu begutachten und auszusuchen. Im Sommer 1987 wurden bei der beklagten Partei Rohre ohne Gewinde bestellt, die lediglich lackiert werden mußten. Da sich der Geschäftsführer der beklagten Partei Rudolf S*** die Transportkosten ersparen wollte, beschloß er, die Rohre an Ort und Stelle in Frankreich von seinen Arbeitnehmern lackieren und markieren zu lassen und sie von dort direkt an den Auftraggeber zu transportieren. Im Juli 1987 erhielt der Kläger den Auftrag, mit zwei weiteren Arbeitnehmern Rohre - es waren etwa 200 - in Frankreich zu begutachten und zu bearbeiten (Reinigen, Lackieren, Markieren). Um die im Freien zu verrichtende Arbeit trotz ungünstiger Witterungsverhältnisse (Regenwetter, Tau) zeitgerecht fertigzustellen, wurde täglich von 7.00 Uhr bis 21.00 Uhr, 22.00 Uhr oder gar bis 23.00 Uhr gearbeitet. Hätte der Kläger nicht manuell mitgearbeitet, hätte dieser Auftrag nicht zeitgerecht erfüllt werden können. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich berichtete der Kläger dem Rudolf S*** von den aufgetretenen Schwierigkeiten und teilte ihm mit, daß er unter diesen Umständen eine solche Tätigkeit nicht nochmals ausführen werde. Im Oktober 1987 erhielt die beklagte Partei einen neuerlichen Auftrag zur Lieferung von diesmal ca. 900 Rohren ohne Gewinde. Auch diese Rohre sollten in Frankreich bearbeitet und von dort an den Auftraggeber geliefert werden. Am 30. Oktober 1987 beauftragte Rudolf S*** den Kläger mit der verantwortlichen Durchführung dieser Arbeit. Der Kläger erklärte ihm unter Hinweis auf die Umstände des vorangegangenen Einsatzes, daß er nicht mehr nach Frankreich fahre und das nicht mehr machen werde und wies auch auf die Witterungsverhältnisse hin, unter denen die Rohre im Freien zu bearbeiten seien. Rudolf S*** erklärte, daß er dem Kläger genügend Leute mitschicken werde; überdies solle ein Zelt aufgestellt werden, damit nicht mehr im Freien gearbeitet werden müsse. Rudolf S*** erklärte, daß es Sache des Klägers sei, wie er den Auftrag abwickle, er sei bereit, jede Verbesserung, die der Kläger vorschlage, durchzuführen. Als sich der Kläger weigerte, die Arbeit in Frankreich auszuführen, drohte ihm Rudolf S*** die Entlassung an. Nach einer weiteren Weigerung des Klägers, der sich zu den Vorschlägen des Arbeitgebers nicht äußerte und seinerseits keine Vorschläge machte, sprach Rudolf S*** die Entlassung aus. Die zwei anstelle des Klägers nach Frankreich entsandten Arbeitnehmer kamen in erhebliche Terminschwierigkeiten. Da wegen des Regenwetters ein Lackieren nicht mehr möglich war, begnügte man sich, die Rohre zu schneiden und zu beschriften. Ab der zweiten Woche schickte Rudolf S*** vier weitere Arbeitnehmer nach Frankreich und wurde ab der zweiten Woche "rund um die Uhr" im Schichtbetrieb gearbeitet, wobei eine Schicht jeweils zwölf Stunden dauerte. Nur dadurch war die fristgerechte Erfüllung des Auftrages möglich.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger den Entlassungstatbestand der beharrlichen Dienstverweigerung im Sinne des § 27 Z 4 AngG verwirklicht habe, indem er die Durchführung des Auftrages verweigert habe, ohne auf die Verbesserungsvorschläge der beklagten Partei einzugehen oder selbst derartige Vorschläge zu machen. Dem Kläger gebührten daher weder Kündigungsentschädigung noch Abfertigung und anstelle der begehrten Urlaubsentschädigung nur eine Urlaubsabfindung. Was die entlassungsunabhängigen Ansprüche betreffe, sei ein Großteil der geltend gemachten Überstundenentgelte verfallen.
Das Berufungsgericht gab der nur gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils gerichteten Berufung des Klägers Folge, hob es insoweit auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die österreichischen Arbeitnehmerschutzbestimmungen für die Grenzen der Arbeitspflicht auch eines ins Ausland entsandten Arbeitnehmers maßgeblich seien. Entscheidend sei, ob der Kläger bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt subjektiv der Meinung sein durfte, daß der Einsatz in Frankreich ohne Verletzung der österreichischen Arbeitzeitbestimmungen undurchführbar sein werde.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, mit Entscheidung in der Sache selbst das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Da die klagende Partei zwar nach dem Inhalt von Berufungserklärung und Berufungsantrag den gesamten abweisenden Teil des Ersturteils bekämpfte, Berufungsausführungen aber lediglich zu den entlassungsabhängigen Ansprüchen erstattete, wäre der Berufung - soweit sie sich gegen die Abweisung eines Betrages von 16.755 S sA an entlassungsunabhängigem Überstundenentgelt richtete - nicht Folge zu geben gewesen. Dies hat das Berufungsgericht zwar erkannt und ein Eingehen auf diesen Anspruch abgelehnt, aber dennoch das Ersturteil auch in diesem Punkt aufgehoben. Da das Berufungsgericht auch den vorliegenden Rekurs nicht zum Anlaß einer Berichtigung genommen hat, ist davon auszugehen, daß die Aufhebung des gesamten abweisenden Teils des Ersturteils seinem Entscheidungswillen entsprochen hat. In teilweiser Stattgebung des Rekurses war daher gemäß § 519 Abs.2 ZPO in der Sache selbst dahin zu erkennen, daß der Berufung bezüglich des oben erwähnten Teilbetrages von 16.755 S sA nicht Folge gegeben wird.
Im übrigen ist der Rekurs nicht berechtigt.
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist auf das
vorliegende Arbeitsverhältnis, auch soweit die Tätigkeit im Ausland
zu verrichten war, gemäß § 44 Abs.1 atz 2 IPRG österreichisches
Recht anzuwenden, weil der Schwerpunkt des gegenständlichen
Arbeitsverhältnisses in Österreich lag und der Kläger von hier aus
nach Frankreich entsendet werden sollte (vgl. Arb. 10.537 =
SZ 59/91). Das IPRG regelt Sachverhalte mit Auslandsbeziehung jedoch
nur in privatrechtlicher Hinsicht. Das öffentlich-rechtliche
Arbeitsrecht als solches wird nicht erfaßt. Nach dem Grundsatz der
stärksten Beziehung kommt deshalb unabhängig vom Schuldstatut im
Wege einer Sonderanknüpfung die öffentlich-rechtliche Eingriffsnorm
des Arbeitsortes (Wirkungsstatut) zum Tragen (vgl. Arb. 10.502 =
SZ 59/46 = ZfRV 1987, 147 ÄHoyerÜ; Arb. 10.623 = SZ 60/11 =
ZAS 1988, 56 ÄHoyerÜ = IPRAX 1988, 360 ÄRebhahnÜ).
Wie Rebhahn "Österreichisches Arbeitsrecht bei Auslandsberührung" in FS Strasser, 59 ff (63 f und 66 f) überzeugend dargelegt hat, ist insbesondere aus der Bestimmung des § 44 Abs.3 IPRG abzuleiten, daß im Falle der Entsendung dem Arbeitnehmer der arbeitsrechtliche Standard seines bisherigen gewöhnlichen Arbeitsortes unabdingbar gesichert werden soll (vgl. auch Schwimann in Rummel, ABGB, § 44 IPRG, Rz 7). In ihren privatrechtlichen Aspekten sind daher österreichische Eingriffsnormen auch auf die Arbeitsverhältnisse ins Ausland entsandter Arbeitnehmer anzuwenden. Es gilt insbesondere auch für die Vorschriften über Arbeitszeit und Sonn- und Feiertagsruhe (siehe Rebhahn aaO, 85; vgl. auch Grillberger, Arbeitszeitgesetz, § 1, Anm. 1.3.). Mußte der Kläger daher bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt davon ausgehen, daß der ihm erstellte Auftrag im Hinblick auf die österreichischen Arbeitszeitbestimmungen undurchführbar sein werde, wäre seine Weigerung, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gerechtfertigt gewesen. Soweit das Berufungsgericht eine weitere Erörterung dieser Frage in erster Instanz mangels ausreichend geklärten Sachverhaltes noch für erforderlich hielt, kann dem vom Obersten Gerichtshof nicht entgegengetreten werden. Dem Rekurs der beklagten Partei war daher im übrigen nicht Folge zu geben und der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes bezüglich der entlassungsabhängigen Ansprüche im Betrage von 243.890,53 S sA zu bestätigen, wobei allerdings zum Ausdruck zu bringen war, daß der unangefochten gebliebene stattgebende Teil des Ersturteils von der Aufhebung nicht betroffen ist.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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