OGH 2Ob140/89

OGH2Ob140/8931.1.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Rom H***, Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Mölkergasse 6, 2340 Mödling, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N***

G***, Dr. Karl Renner-Promenade 14-16,

3100 St. Pölten, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich, Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, Leistung und Unterlassung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9.Juni 1989, GZ 2 R 84/89-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 27.Jänner 1989, GZ 1 Cg 326/88-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen und das diesen vorangegangene Verfahren, soweit es Punkt 1 des Klagebegehrens betraf, als nichtig aufgehoben. Die Klage wird hinsichtlich des zu Punkt 1 gestellten Feststellungsbegehrens zurückgewiesen.

Die Kosten aller drei Instanzen werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung

Der beklagte Krankenversicherungsträger schloß mit dem Kläger in dessen Eigenschaft als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde einen ab 1.4.1986 wirksamen Einzelvertrag im Sinne der §§ 338 ff ASVG, der mit 31.3.1987 befristet wurde. Die beklagte Partei lehnte eine Verlängerung des Vertragsverhältnisses mit Schreiben vom 19.2.1987 ab. Der Kläger faßte dieses Schreiben als Kündigung des Einzelvertrages auf und erhob dagegen Einspruch bei der Landesschiedskommission. Diese wies den Einspruch zurück. Die Bundesschiedskommission gab der Berufung des Klägers nicht Folge und vertrat ebenso wie die Landesschiedskommission die Ansicht, die beklagte Partei habe keine Kündigung ausgesprochen. Mit Punkt 1 des Urteilsantrages seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß er über den 31.3.1987 hinaus mit der beklagten Partei in einem unbefristet wirksamen Einzelvertragsverhältnis als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mit dem Berufssitz in Mödling und der Ordinationsstätte in 2340 Mödling, Mölkergasse 6, stehe. Mit den übrigen Punkten begehrt der Kläger eine Unterlassung sowie die Feststellung einer Schadenersatzpflicht der beklagten Partei, weiters den Ersatz eines Schadenersatzbetrages. Das Erstgericht erkannte mit Teilurteil im Sinne des Punktes 1 des Klagebegehrens.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige und die Revision zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der rechtzeitigen und zulässigen Revision der beklagten Partei ist auf folgendes Bedacht zu nehmen:

Mit der am 1.1.1990 in Kraft getretenen 48.Novelle zum ASVG, BGBl. 1989/642, wurden die §§ 344 bis 347 neu gefaßt. Gemäß § 344 Abs. 1 ist nunmehr zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, eine paritätische Schiedskommission berufen. Zu deren Kompetenzbereich gehört jedenfalls ein Streit darüber, ob ein gültig abgeschlossener Vertrag weiter besteht (RV 1098 BlgNR 17, 17.GP; Souhrada, Die neue Schiedskommissionsorganisation, SozSi 1990, 20). Das Gesetz enthält diesbezüglich keine Übergangsregelung (Souhrada aaO 24). Bis zum 31.12.1989 waren die Gerichte - jedenfalls seit der am 14.6.1988 ohne Fristsetzung erfolgten Aufhebung der alten Fassung des § 344 ASVG durch den Verfassungsgerichtshof - zur Entscheidung eines Rechtsstreites darüber, ob ein befristeter Vertrag durch Zeitablauf erloschen ist, berufen (Krejci, Probleme des individuellen Kassenvertrages, ZAS 1989, 123), der Rechtsweg war daher zur Zeit der Entscheidungen der Vorinstanzen zulässig. Seit Inkrafttreten der 48.Novelle zum ASVG ist dies nicht mehr der Fall. Gemäß § 42 Abs. 1 JN ist die Unzulässigkeit des Rechtsweges in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen. Der Grundsatz des § 29 JN (pertepuatio fori) gilt nur für die Zuständigkeit, nicht aber für die Zulässigkeit des Rechtsweges. Deren nachträglicher Fortfall hat immer die Nichtigerklärung des gesamten Verfahrens und die Zurückweisung der Klage zur Folge (Fasching I, 229; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 228). Dies gilt auch für das Rechtsmittelverfahren. Die Ansicht Souhradas (aaO 24), sei bereits ein Rechtsmittelverfahren anhängig, dürfte nach der Rechtsprechung von einer Zurückweisung Abstand genommen werden, kann nicht geteilt werden. In der von diesem Autor zur Stützung seiner Meinung zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6.Juli 1920, SZ 2/70, wird zwar ausgeführt, die Änderung der Zuständigkeit sei erst nach Schluß des Verfahrens erster Instanz eingetreten, als tragende Begründung aber ausgeführt, daß eine Änderung der Zuständigkeit nur einzutreten habe, wenn die Entscheidung der Rechtssache nicht mehr einem ordentlichen Gericht, sondern einer anderen Behörde zustehe, weshalb nicht mit Unzuständigkeitserklärung im Sinne des § 42 JN vorzugehen sei. Im vorliegenden Fall steht seit 1.1.1990 aber die Entscheidung nicht mehr den Gerichten sondern der paritätischen Schiedskommission, somit einer anderen Behörde zu. Überdies hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.7.1988, 1 Ob 585/88, den Wegfall der inländischen Gerichtsbarkeit wahrgenommen, die Urteile der Vorinstanzen und das Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen, weil in einem Verfahren über eine Klage der Staatsanwaltschaft auf Nichtigerklärung einer Ehe im Revisionsverfahren keiner der beklagten Ehegatten österreichischer Staatsbürger mehr war und auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte.

Obwohl die Gesetzesänderung erst während des Revisionsverfahrens erfolgte, ist die dadurch eingetretene Unzulässigkeit des Rechtsweges somit gemäß § 42 JN wahrzunehmen. Eine Möglichkeit, statt der Zurückweisung der Klage mit einer Überweisung an die paritätische Schiedskommission, die eine Verwaltungsbehörde ist (RV aaO 16), vorzugehen (Souhrada, aaO 24, hält dies für erwägenswert), besteht nicht, es gibt keine Normen, deren unmittelbare oder analoge Anwendung dies rechtfertigen könnte.

Aus diesen Gründen mußten die Urteile der Vorinstanzen samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen werden. Diese Entscheidung kann nur den Punkt 1 des Klagebegehrens betreffen, weil nur dieses Begehren auf Grund des Teilurteiles an den Obersten Gerichtshof herangetragen wurde. Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs. 2 ZPO.

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