OGH 5Ob503/90

OGH5Ob503/9030.1.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Pflegschaftssache betreffend die minderjährigen Uschi Albine B***, geboren am 27.Oktober 1984, und Peter Anton B***, geboren am 25.Juni 1986, beide bei ihrer Mutter Elisabeth Anna B***, Hausfrau, Dachau, Preßlauer Straße 24, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Helmut Mühlgassner, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 177 Abs 2 ABGB, infolge Revisionsrekurses des Vaters Peter Andreas B***, Langenpettenbach, Altomünsterstraße 66, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.F.Müller-Strobl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 30.Oktober 1989, GZ 43 R 609/89-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26.Juli 1989, GZ 2 P 211/89-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die beiden Minderjährigen sind eheliche Kinder des Peter Andreas B*** und der Elisabeth Anna B***.

Mit der Behauptung, die Mutter sei mit den Kindern am 2. Juni 1989 aus der ehelichen Wohnung in Langenpettenbach zu ihrem Liebhaber Ralf Hendric S*** nach Dachau gezogen, begehrte der Vater beim Bezirksgericht Klagenfurt, in dessen Sprengel der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort der Eltern und der Kinder gewesen sei, die Zuteilung der elterlichen Rechte gemäß § 177 Abs 2 ABGB an ihn. Gleichzeitig stellte er den Antrag, als vorläufige Maßnahme die Kinder der Antragsgegnerin abzunehmen und in seine Pflege und Erziehung zu übergeben.

Unter Berufung auf § 109 Abs 2 JN sprach das Bezirksgericht Klagenfurt seine Unzuständigkeit aus und überwies die Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Dieses nahm seine subsidiäre Zuständigkeit nach § 109 JN nicht in Anspruch und ordnete die Übermittlung des Pflegschaftsaktes gemäß Art. 1 des Haager Minderjährigenschutzabkommens, BGBl. 1975/446, an das für Dachau zuständige Pflegschaftsgericht an.

Über Rekurs des Vaters bestätigte das Gericht zweiter Instanz die erstgerichtliche Entscheidung. Das Haager Minderjährigenschutzabkommen (MSA), welches alle Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens von Minderjährigen zum Gegenstand habe, also auch die Regelung der Obsorge für Kinder bei getrennt lebenden Eltern, verteile die Zuständigkeit für Schutzmaßnahmen auf den Staat des gewöhnlichen Aufenthaltsortes (Art. 1 und 2; hier: Bundesrepublik Deutschland) und auf den Heimatstaat (Art. 4; hier: Österreich). Nach Art. 1 des genannten Abkommens seien die Behörden des Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe für Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Minderjährigen zuständig. Die Behörden des Staates, den der Minderjährige angehöre, könnten nur dann Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Minderjährigen treffen, wenn sie der Auffassung seien, daß das Wohl des Minderjährigen es erfordere und nachdem sie die Behörden des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, verständigt hätten. Da nach der Aktenlage nicht erkennbar sei, inwieweit das inländische Pflegschaftsgericht zum Wohle der Kinder des Antragstellers effizienter einschreiten könnte als das in der Bundesrepublik Deutschland zuständige Gericht, schließe die Zuständigkeitsregel des Art. 1 MSA die inländische (österreichische) Gerichtsbarkeit aus.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, der unzulässig ist.

Nach § 16 AußStrG ist gegen einen bestätigenden Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder wegen Nullität zulässig. Eine Aktenwidrigkeit läßt sich den Ausführungen in der Rechtsmittelschrift nicht entnehmen. Offenbare Gesetzwidrigkeit könnte nur im Falle der unrichtigen Anwendung materiell rechtlicher Normen liegen, nicht aber in der unrichtigen Anwendung von Verfahrensvorschriften (JBl 1961, 357 uva; insbesondere EFSlg 37.385 betreffend die Übertragung der Zuständigkeit). Die rekursgerichtliche Entscheidung ist aber auch nicht etwa nichtig, weil sie unzutreffend die inländische Gerichtsbarkeit verneinte (siehe EvBl 1972/188). Wie schon das Rekursgericht zutreffend ausführte, hat das Haager Minderjährigenschutzabkommen eine Verteilung der Zuständigkeit für Schutzmaßnahmen auf dem Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes und auf dem Heimatstaat geschaffen, welche Zuständigkeiten nebeneinander bestehen. Hauptanknüpfungspunkt für die Zuständigkeit nach dem MSA ist der gewöhnliche Aufenthalt. Da - wie ebenfalls das Rekursgericht zutreffend ausführte - die Aktenlage keinen Anlaß für Maßnahmen des inländischen Pflegschaftsgerichtes zum Wohl der Kinder erforderlich erscheinen läßt, besteht kein Grund, der die inländische Zuständigkeit im Sinne des Art. 4 MSA bewirken könnte (siehe JBl 1984, 153). Der Revisionsrekurswerber vermochte keine Umstände aufzuzeigen, die ein solches Einschreiten des inländischen Pflegschaftsgerichtes etwa wegen Unterlassung notwendiger Maßnahmen durch das in der Bundesrepublik Deutschland zuständige Gericht, erforderlich erscheinen ließen. Punkt 2. der diesbezüglichen Ausführungen im Revisionsrekurs beschränken sich auf die Behauptung, daß überhaupt pflegschaftsbehördliche Maßnahmen erforderlich seien. Auch die Berufung des Revisionsrekurswerbers auf das nach dem Heimatrecht der Kinder bestehende Gewaltverhältnis, welches nach Art. 3 MSA von allen Vertragsstaaten anzuerkennen sei, vermag keine andere Zuständigkeitsentscheidung zu bewirken. Art. 3 MSA ist nämlich eine materiell rechtliche Kollisionsnorm (Duchek-Schwind, IPR, Anm. 9 zu Art. 3 MSA), die mit der Gründung der Zuständigkeit der Gerichte des einen oder anderen Vertragsstaates überhaupt nichts zu tun hat.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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