OGH 15Os147/89

OGH15Os147/8930.1.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Jänner 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef P*** wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB (aF) und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 22.Mai 1989, GZ 13 Vr 1278/88-66, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, und des Verteidigers Dr. Josef Wegrostek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß unter Ausscheidung der verhängten Geldstrafe die Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr erhöht wird; gemäß § 43 a Abs 3 StGB wird ein Teil im Ausmaß von 9 (neun) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Im übrigen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft nicht Folge gegeben.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung darauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch Freisprüche enthaltenden Urteil wurde Josef P*** (zu Punkt 1 des Schuldspruchs) des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB (aF) und (zu Punkt 2) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu 1) am 27.Juli 1986 in Guttaringberg Gilda K*** (damals S***) mit Gewalt, nämlich durch Versperren der Türen seines PKWs, Versetzen eines heftigen Schlages in das Gesicht, Niederdrücken auf den Beifahrersitz und gewaltsames Entkleiden zum außerehelichen Beischlaf genötigt, und

(zu 2) am 13.Februar 1987 in Silberegg Peter P*** durch die Äußerungen, er werde mit ihm abrechnen und ihn erschlagen, gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der diese Schuldsprüche bekämpfenden, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Zu der gegen das Unterbleiben einer Vernehmung der Ingrid W*** als Zeugin ankämpfenden Verfahrensrüge (Z 4) ist der Angeklagte schon deshalb, weil er in der gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 22.Mai 1989 keinen darauf zielenden Antrag stellte, ja sogar auf die Vernehmung der Genannten ausdrücklich verzichtete (S 357), nicht legitimiert; dieses Erfordernis kann nicht durch den Hinweis auf eine Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitserfordernis ersetzt werden (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 25 zu § 281 Abs 1 Z 4).

Im Rahmen seiner nicht differenzierenden Ausführungen zur Mängel(Z 5) und zur Tatsachenrüge (Z 5 a) moniert der Beschwerdeführer zum Schuldspruchfaktum 1 zunächst der Sache nach als eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe (Z 5), daß sich das Schöffengericht bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin K*** mit ihrem auf Grund "ihres damaligen

Lebenswandels" sowie "ihrer eigenen strafgerichtlichen Verurteilung" nicht guten Leumund und mit dem Umstand, daß sie vormalige sexuelle Kontakte mit dem Zeugen H*** anfangs bewußt wahrheitswidrig in Abrede gestellt hatte, nicht auseinandergesetzt habe. Dazu waren die Tatrichter indes nach Lage des Falles nicht verhalten, zumal im Urteil bei der Bewertung der Beweiskraft der Zeugenaussage des Tatopfers ohnehin deutlich genug zum Ausdruck gebracht wird, daß und warum insoweit nur dessen Angaben über das hier aktuelle Tatgeschehen Bedeutung beigemessen sowie diesen Glauben geschenkt wurde (US 12 bis 14); die darauf bezogene Beschwerdebehauptung, bei Berücksichtigung "sämtlicher Beweisergebnisse" könne keine Rede davon sein, daß K*** den Tathergang chronologisch und widerspruchsfrei dargelegt habe, ist mangels Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich.

Entgegen einer weiteren Beschwerdeansicht (Z 5) mußte sich das Erstgericht aber auch nicht damit auseinandersetzen, daß die Zeugin K*** nach der Tat die bloß leichten Verletzungsspuren im Gesicht der Zeugin K***, die inzwischen erfahrungsgemäß bereits weitgehend abgeklungen sein können, nicht wahrnahm (S 153), zumal erstere vor allem nach ihrer Darstellung bei einer weiteren Vernehmung von dem Vorfall erst mehrere Tage danach erfahren hat (S 336 iVm S 153).

Zum Schuldspruchfaktum 2 hinwieder bringt der Beschwerdeführer als Mängelrüge (Z 5) lediglich vor, das Urteil sei insofern widersprüchlich, als er die eine inkriminierte Äußerung, mit der er P*** das "Erschlagen" androhte, erst vom Türbereich her abgegeben und unmittelbar darauf das Lokal verlassen, dennoch aber den Bedrohten auch hiedurch in Furcht und Unruhe versetzt und dies gleichfalls von vornherein bezweckt habe.

Abgesehen davon jedoch, daß er solcherart einen Teil der Urteilsfeststellungen aus ihrem Zusammenhang löst und jene weiteren Konstatierungen übergeht, wonach er bereits vorher im Lokal dem Zeugen P*** wegen einer vorausgegangenen Anzeige unter körperlichen Abdrängen mit dem "Abrechnen" gedroht sowie dadurch absichtlich in erhebliche Furcht und Unruhe versetzt hatte, zumal er dem Bedrohten als gewalttätig bekannt war (US 8 f, 14, 16 f), geht dieser Einwand schon deswegen fehl, weil er nur eine von mehreren Tathandlungen und damit keine im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes entscheidende Tatsache betrifft. Das (wie schon erwähnt nicht gesondert dargestellte, sondern in die Ausführungen zur Mängelrüge verflochtene) Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5 a) schließlich, mit dem der Angeklagte eine für ihn günstigere Würdigung der Aussagen

- der Zeugen S***, O***, S***, H***, K*** und

K***, in Ansehung deren er dem Schöffengericht ua die Anwendung divergierender Beurteilungsgrundsätze vorwirft, zum Schuldspruchfaktum 1 sowie

- der Zeugen P***, M*** und T*** zum Schuldspruchfaktum 2 (abermals nur) in bezug auf die (abschließende) Androhung des "Erschlagens" anstrebt,

wurde im Licht der gesamten Aktenlage einer sorgfältigen Prüfung unterzogen: Dabei ergaben sich gegen die Richtigkeit der den angefochtenen Schuldsprüchen zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachenannahmen keineswegs erhebliche Bedenken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruchfaktum 1, mit der erneut unter Bezugnahme auf die Aussagen der Zeugen S*** und O*** die (vom Schöffengericht ausdrücklich abgelehnte) Feststellung einer Umarmung des Beschwerdeführers durch das Tatopfer begehrt wird, die beim zuletzt genannten Beobachter den Eindruck erweckt habe, daß beide Spaß am Geschlechtsverkehr hätten, sodaß "von einer Gewalttätigkeit bzw. gefährlichen Drohung seitens des Angeklagten" zur Beugung des widerstrebenden Willens der Zeugin K*** keine Rede sein könne und es "daher auch an ausreichenden subjektiven Merkmalen" zu der ihm angelasteten Tathandlung fehle, ist zur Gänze nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht, wie es zur Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre, an dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt festhält, wonach der Beschwerdeführer durch wiederholte tätliche Attacken in Verbindung mit der Androhung weiterer Tätlichkeiten vorsätzlich eine massive Einschüchterung der Zeugin K*** bewirkte und diese solcherart veranlaßte, ihre Gegenwehr aufzugeben (US 5 f, 12 bis 14, 16).

Auch die Rechtsrüge zum Schuldspruchfaktum 2 versagt. Soweit sie von einer "fehlenden Ernsthaftigkeit" der Androhung des "Abrechnens" ausgeht, ist sie ebenfalls nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil diese im Urteil ausdrücklich festgestellt wurde (US 17). Gleiches gilt ferner für die jeweils wieder nur eine der beiden Phasen des Tatgeschehens herausgreifenden und jene isoliert betrachtenden Einwände, die zuletzt relevierte Ankündigung sei als Drohung mit einer körperlichen Mißhandlung bloß eine "milieubedingte Unmutsäußerung" gewesen und auch eine Drohung (hier: mit dem "Erschlagen") "aus dem Türbereich" bei einem unmittelbar darauffolgenden Verlassen des Raubes durch den Täter könne beim Bedrohten einen Zustand der Furcht und Unruhe im Sinn eines nachhaltigen, das ganze Gemüt ergreifenden peinvollen Seelenzustands nicht begründen: werden doch damit sowohl erneut die jeweiligen weiteren Urteilskonstatierungen zur anderen Phase dieses Schuldspruchfaktums und zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers (US 3, 9, 14, 16) übergangen als auch die ausdrückliche Feststellung (US 16) negiert, daß die Ankündigung des "Abrechnens" (tätergewollt) die Ankündigung einer zumindest leichten Körperverletzung beinhaltete.

Auf Grund des festgestellten Sinngehaltes beider inkriminierten Äußerungen im Zusammenhang mit dem sie begleitenden - Körpergewalt einsetzenden - Tatverhalten des Angeklagten und mit Rücksicht auf die Kenntnis des Bedrohten von dessen Neigung zu Gewalttaten aber beurteilte das Erstgericht die Eignung der Tat, beim Bedrohten die im § 74 Z 5 StGB umschriebene Besorgnis sowie (mit der in der Beschwerde relevierten Bedeutung) Furcht und Unruhe auszulösen, durchaus zutreffend.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte ihn nach §§ 28 (Abs 1), 202 Abs 1 StGB (aF) zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 200 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 150 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die gemäß §§ 43, 43 a Abs 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Es wertete bei der Strafbemessung das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, sechs einschlägige Vorstrafen des Angeklagten und einen raschen Rückfall als erschwerend, "das bisherige Wohlverhalten seit der Tat" hingegen als mildernd. Es vermeinte im Hinblick auf eine seit der letzten Tat einsetzende soziale Integrierung des eine Beschäftigung in der Schweiz anstrebenden Angeklagten, daß mit der unbedingten Verhängung einer Geldstrafe anstelle eines Teils der Freiheitsstrafe, womit generalpräventiven Rücksichten Rechnung getragen werde, das Auslangen gefunden werden könne und es demnach bei der bloßen Androhung der Vollziehung der Reststrafe sein Bewenden haben könne. Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufungen der Anklagebehörde, die die Verhängung einer schuldangemessen erhöhten Freiheitsstrafe, allenfalls unter bedingter Nachsicht eines Teils davon im Sinn des § 43 a Abs 3 StGB, begehrt, sowie jene des Angeklagten, der sich gegen die Verhängung einer unbedingten Geldstrafe wendet und die Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe sowie deren gänzliche bedingte Nachsicht anstrebt. Nur das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zum Teil berechtigt.

Der Angeklagte weist fünf einschlägige Vorstrafen auf (und nicht sechs, wie das Erstgericht meint, denn das Verfahren AZ 3 U 140/81 des Bezirksgerichtes St. Veit an der Glan betrifft die Straffestsetzung zum Verfahren AZ 3 U 97/80 dieses Gerichtes). Aus den Vorstrafakten ergibt sich, daß er durchwegs aus nichtigen Anlässen andere Personen attackierte und verletzte. Geldstrafen und eine zuletzt verhängte Freiheitsstrafe von vierzig Tagen hatten keinen nachhaltigen Resozialisierungseffekt. Unter diesen Voraussetzungen ist es aus spezialpräventiven Gesichtspunkten unangebracht, nunmehr erneut eine Geldstrafe zu verhängen, deren Ausscheidung im übrigen selbst der Angeklagte in seinen Berufungsausführungen mit der Behauptung anstrebt, sie bedeute eine "vollständige Einkommensentziehung".

Es war vielmehr mit der Verhängung einer der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten entsprechenden Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres vorzugehen. Eine gänzliche bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe, wie sie der Angeklagte begehrt, kommt angesichts der Wirkungslosigkeit der bisherigen Abstrafungen keinesfalls in Frage.

Unter Berücksichtigung des Umstandes jedoch, daß er mittlerweile geheiratet hat und diese Änderung der Lebensumstände in Verbindung mit der Verbüßung eines nicht unbeträchtlichen Teiles der Freiheitsstrafe geeignet erscheint, ihn zu nachhaltiger Einkehr anzuregen, kann angenommen werden, daß die bloße Androhung der Vollziehung eines neunmonatigen Restes der Freiheitsstrafe genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Es war daher aus diesen Überlegungen der Berufung der Staatsanwaltschaft teilweise Folge zu geben, wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen, und der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

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