Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes in der Hauptsache wiederhergestellt, im Kostenpunkt jedoch dahin abgeändert wird, daß der Antrag der beklagten Partei auf Kostenzuspruch abgewiesen wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.487,- bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.414,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen; die klagende Partei hat die Kosten ihres Kostenrekurses (ON 6) vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Beklagte betreibt in Wien 7., Mariahilferstraße 10, und in Vösendorf den Handel mit Parfumeriewaren. Sie lehnt Tierversuche ab und hat ihre Haltung zu Tierversuchen in der Broschüre "Tierversuche und Kosmetika" dargelegt. Darin hat sie unter anderem ausgeführt:
"Wir lehnen es ab, daß Tiere für die Entwicklung und Herstellung von Kosmetikprodukten leiden sollen. Diese Überzeugung war bereits 1976 bei der Gründung von The Body Shop ein fester Bestandteil der Unternehmensphilosophie. Sie ist es auch heute noch. Sicherheitsaspekte haben bei The Body Shop einen sehr hohen
Stellenwert: Wir nehmen unsere Verantwortung gegenüber unseren Kunden sehr ernst.
The Body Shop geht andere Wege:
Wir verwenden altbewährte Rohstoffe wie Honig, Bienenwachs und Mandelöl, die in zahlreichen Kulturkreisen während Jahrhunderten und teilweise sogar Jahrtausenden angewendet worden sind. Diese Rohstoffe sind von Menschen durch kontinuierlichen Gebrauch getestet worden.
Viele dieser Rohstoffe stammen von Pflanzen und wurden schon lange Zeit als Nahrungsmittel verwendet. Menschen haben mit ihnen experimentiert und sich seit Generationen davon ernährt. Wenn The Body Shop neue Formeln entwickelt, wird das Produkt, obwohl es aus altbekannten Grundstoffen besteht, verschiedenen Tests unterworfen. Aufgrund der langjährigen Geschichte der Zutaten wissen wir, daß die Tests an Menschen ungefährlich sind.
The Body Shop ist einer Klinik in Poole, Südengland, angeschlossen, in der sich Tierschutzvertreter freiwillig für Tests zur Verfügung stellen. Dasselbe geschieht auch in der Universitätsklinik in Wales und in unserem eigenen Betrieb in Littlehampton, wo wir für Produktetests jederzeit auf freiwillige Testpersonen unter unseren Mitarbeitern zurückgreifen können. The Body Shop führt weder selbst Tierversuche durch noch geben wir diese in Auftrag.
Diese Aussage ist ehrlich. The Body Shop geht noch weiter. The Body Shop wählt seine Rohstoffe - meistens solche natürlichen Ursprungs - mit allergrößter Sorgfalt aus. Auch unsere Lieferanten suchen wir nach strengen Kriterien aus. In regelmäßigen Abständen müssen diese uns schriftlich bestätigen, daß an keiner der gelieferten Substanzen während der letzten fünf Jahre vor der Lieferung an The Body Shop Tierversuche durchgeführt wurden. (Diese Zeitspanne drängt sich auf, da Unternehmen verpflichtet sind, Urkunden dieser Art fünf Jahre lang aufzubewahren.) Wir überprüfen außerdem laufend alle Lieferantenquellen, um auszuschließen, daß ein anderer Zulieferer - unbewußt oder absichtlich - im Namen von The Body Shop Tierversuche durchführen kann.
Wir setzen alles daran, daß weder wir selbst noch unsere Lieferanten nachlässig werden. The Body Shop überwacht die Situation pausenlos und wechselt, falls nötig, auch einen Lieferanten oder einen Rohstoff, um ganz sicherzugehen, daß Tierversuche für Body Shop-Produkte nicht vorkommen."
In ihrem Katalog führt die Beklagte aus:
"Es ist die erklärte Politik der Body-Shop, Gruppe, unnötiges Leiden von Tieren bei der Entwicklung, Herstellung und Erprobung unserer Produkte zu vermeiden. Konsequenterweise führt The Body Shop weder mit den Produkten noch mit den einzelnen Bestandteilen Tierversuche durch. Darüber hinaus werden von allen Zulieferern des Body Shop schriftliche Zusagen verlangt, in denen bestätigt wird, daß diese in den letzten fünf Jahren keine Tierversuche mit den Bestandteilen der Produkte durchgeführt haben."
Am 31. März 1989 erwarb ein Testkäufer bei der Beklagten eine "Jojoba Moisture Cream 50 ml" um S 166,-. Die darin enthaltene Substanz Jojoba-Öl wurde während der letzten 5 Jahre vom englischen Hersteller dieses Produktes nicht in Tierversuchen getestet. Die Beklagte führt keine Tierversuche durch und hat auch keinen Auftrag zur Durchführung solcher Versuche erteilt. Eine große Zahl der von ihr vertriebenen Produkte wird vom CUTEST SYSTEMS LTD - einem Institut, das mit der "University of Wales College of Medicine" in Verbindung steht - getestet. Die Produkte der Beklagten werden ausschließlich an freiwilligen menschlichen Testpersonen erprobt. Die Beklagte hält sich an den Grundsatz, vor allem Rohstoffe zu verwenden, die garantiert in den letzten 5 Jahren nicht in Tierversuchen getestet wurden. Sie und ihre ausländische Muttergesellschaft kontrollieren ihre Lieferanten auf die Einhaltung dieses vorerwähnten Grundsatzes und fordern von ihren Lieferanten darüber schriftliche Erklärungen.
Mit der Behauptung, daß die Werbeankündigung, der "Body Shop" führe keine Tierversuche durch und verlange von den Zulieferern schrifltiche Zusagen, daß sie gleichfalls keine Tierversuche gemacht hätten, die angesprochenen Verbraucherkreise in Irrtum führe, da (zumindest) die Jojoba Moisture Cream, weil sie aus dem EG-Raum stamme, in Tierversuchen erprobt worden sein müsse und solche Versuche auch auf Grund der österreichischen KosmetikV notwendig seien, begehrt der klagende Schutzverband zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Parfumerieprodukte mit dem Hinweis, die Beklagte führe "weder mit den Produkten noch mit den einzelnen Bestandteilen Tierversuche durch", anzukündigen. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Ihre Werbeaussagen entsprächen der Wahrheit. Die Kosmetikverordnung schreibe nicht vor, daß die von der Beklagten vertriebenen Produkte im Tierversuch getestet werden müßten; die gesundheitliche Unbedenklichkeit kosmetischer Artikel könne auch durch andere Untersuchungsmethoden festgestellt werden. Daß im EG-Raum hergestellte Kosmetika einem Tierversuch unterzogen werden müßten, wenn sie in Österreich in Verkehr gebracht würden, treffe gleichfalls nicht zu. Es sei notwendig, die Konsumenten darüber aufzuklären, daß die von der Beklagten vertriebenen Produkte nicht im Tierversuch getestet worden seien; dadurch würden Personen, die nur im Tierversuch getestete Artikel erwerben wollen, vom Kauf dieser Kosmetika abgehalten.
Der Erstrichter wies den Sicherungsantrag ab. Daß die Beklagte irgendwelche Produkte vertreibe, die in Tierversuchen getestete Substanzen enthalten, sei nicht bescheinigt. Die in Geltung stehende Kosmetikverordnung BGBl. 1988/442 schreibe keineswegs Tierversuche als Voraussetzung für den Vertrieb von Kosmetikartikeln vor. Bestimmungen des EG-Rechtes seien in Österreich nicht verbindlich. Der Kläger habe nicht konkret bescheinigt und behauptet, welche von der Beklagten vertriebene Substanzen entgegen ihrer Ankündigung in Tierversuchen getestet worden sein sollen.
Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-, nicht jedoch S 300.000,- übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Die beanstandete Werbeaussage der Beklagten sei zwar objektiv richtig; sie könne aber trotzdem gegen § 2 UWG verstoßen, wenn sie ein nicht völlig unerheblicher Teil der umworbenen Verkehrskreise dahin verstehe, daß die Kosmetika der Beklagten nur Bestandteile enthalten, die niemals, auch nicht von den Lieferanten der Beklagten oder von Dritten, im Tierversuch getestet wurden. Nun lasse sich aber die Beklagte von ihren Lieferanten nur zusichern, daß sie die gelieferten Substanzen innerhalb der letzten 5 Jahre nicht an Tieren getestet hätten. Eine mehr als 5 Jahre zurückliegende Erprobung eines Inhaltstoffes durch einen Lieferanten der Beklagten sei jedoch durch die von der Beklagten vorgelegte Bestätigung zur Substanz "Hartalan Super" (Beilage 5, Blatt 3) bescheinigt. Für den Tierversuchsgegner müsse maßgebend sein, daß weder das fertige Produkt noch seine Inhaltsstoffe jemals an Tieren erprobt wurden; durch wen und wann Tierversuche durchgeführt wurden, könne hingegen keine Rolle spielen. Ein Tierversuchsgegner werde von Unternehmen, die damit werben, daß sie Tierversuche ablehnen, die Zusicherung erwarten, daß das Produkt und seine Inhaltsstoffe niemals im Tierversuch erprobt worden seien; bei nur flüchtiger Betrachtung - und nur diese und nicht ein eingehendes Studium der Broschüre der Beklagten sei maßgebend - werde er der beanstandeten Werbebehauptung diesen Sinn entnehmen. Ein nicht unerheblicher Teil des von der Beklagten angesprochenen Kundenkreises lehne Tierversuche für Kosmetika ab und werde die Werbebehauptung der Beklagten im aufgezeigten Sinn verstehen; diese Angabe sei daher zur Irreführung geeignet.
Die Behauptung, kosmetische Artikel und ihre Inhaltstoffe seien nicht im Tierversuch getestet worden, appelliere an die Tierliebe des Konsumenten. Gefühlsbetonte Werbung sei dann wettbewerbswidrig, wenn sie geeignet sei, den Kunden irrezuführen. Das treffe hier zu, weil die Werbebehauptung der Beklagten den tatsachenwidrigen Eindruck erwecke, auch die für die Kosmetika der Beklagten verwendeten Inhaltsstoffe seien niemals im Tierversuch getestet worden. Dieser tatsachenwidrige Eindruck sei geeignet, den Kaufentschluß zugunsten der Beklagten zu beeinflussen. Soweit der Kläger meine, daß die Beklagte mit ihrer Werbebehauptung eine Art Alleinstellung in Anspruch nehmen, könne ihm jedoch nicht gefolgt werden, lasse doch die beanstandete Werbebehauptung durchaus offen, ob und daß auch andere Kosmetikhersteller und -vertreiber ohne Tierversuch auskommen.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen der Meinung des Klägers zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates kann gerade auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechtes eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO (in der Fassung vor der WGN 1989) auch dann vorliegen, wenn - wie hier - zu einem unbestimmten Rechtsbegriff zwar schon allgemeine, von der Rechtsprechung entwickelte Leitsätze bestehen, die konkrete Lösung des zu entscheidenden Falles sich aber daraus noch nicht ohne weiteres ergibt, sondern wegen Fehlens von Vorentscheidungen mit weitgehend gleichartigen Sachverhalten ein sorgfältiger Vergleich mit dem bisher entschiedenen, nur ähnlichen Fällen vorgenommen werden muß. Im Wettbewerbsrecht kann nämlich der Oberste Gerichtshof seiner Leitfunktion nur dann gerecht werden, wenn er nicht nur die richtige Wiedergabe von Leitsätzen der Judikatur, sondern überall dort, wo es nach der Lage des Falles die Rechtssicherheit, die Rechtseinheit oder die Rechtsentwicklung fordern, auch die richtige Konkretisierung der in Betracht kommenden unbestimmten Gesetzesbegriffe prüft (ÖBl. 1984, 48; ÖBl. 1985, 51; ÖBl. 1989, 145 uva). Da ein dem vorliegenden völlig gleichartiger Sachverhalt - soweit überblickbar - vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht behandelt worden ist, hat das Gericht zweiter Instanz zu Recht ausgesprochen, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Der Beklagten ist darin beizupflichten, daß die vom Kläger beanstandete, im Katalog der Beklagten enthaltene Aussage nicht zur Irreführung geeignet ist: Die Beklagte behauptet dort nicht nur, daß sie selbst keinerlei Tierversuche durchführe, sie teilt vielmehr gleichzeitig - mit demselben Auffälligkeitswert - mit, daß sie von ihren Zulieferern schriftliche Zusagen mit der Bestätigung verlange, daß die Lieferanten in den letzten 5 Jahren keine Tierversuche mit den Bestandteilen der Produkte durchgeführt hätten. Da der Kläger in erster Instanz nicht einmal behauptet hat, daß die Beklagte an irgendeiner Stelle die Werbeaussage, daß sie selbst keine Tierversuche durchführe, blickfangartig herausgestellt habe, ohne gleichzeitig auf ihre Lieferanten hinzuweisen, gehen seine Hinweise auf die Rechtsprechung zur blickfangartigen Werbung (S. 68) ins Leere. Auch der flüchtige Leser des beanstandeten Textes muß erkennen, daß hier durchaus die Möglichkeit offenbleibt, daß einzelne Substanzen der von der Beklagten vertriebenen Artikel vor mehr als 5 Jahren in Tierversuchen getestet worden sind. Aus der vom Rekursgericht auf Grund einer nicht ins Deutsche übersetzten Beilage ergänzend getroffenen Feststellung, daß die Substanz, "Hatalan Super" 1976 getestet wurde (Beilage 5, Blatt 3), ergibt sich demnach nicht die Unrichtigkeit der von der Beklagten ausgelösten Vorstellung. Ob ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei nur flüchtigem Lesen des beanstandeten Textes die Möglichkeit außer acht läßt, daß allenfalls Dritte, die nicht Lieferanten der Beklagten sind, mit den von dieser vertriebenen Substanzen in den letzten 5 Jahren Tierversuche durchgeführt haben, muß hier nicht geprüft werden, weil die Unrichtigkeit einer solchen Vorstellung nicht bescheinigt wurde; auch aus der Kosmetikverordnung geht nämlich entgegen der Meinung des Klägers (S.72) nicht hervor, daß bestimmte von der Beklagten verwendete Substanzen jedenfalls innerhalb der letzten 5 Jahre in Tierversuchen erprobt worden sind. War damit aber die beanstandete Werbung nicht zur Irreführung geeignet, so stellt sich auch nicht die Frage, wie weit eine Werbung, die an ein Gefühl des Umworbenen appeliert, wettbewerbswidrig ist (vgl. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 609 Rz 158 f zu § 1 dUWG). Auch von einer - vom Kläger im Revisionsrekursverfahren geltend gemachten (S.70) - Verletzung des Wahrheits- und Sachlichkeitsgebotes im Zuge einer vergleichenden Werbung kann demnach nicht gesprochen werden.
Der Kläger hat somit einen Verstoß der Beklagten gegen § 2 UWG nicht bescheinigt.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs dahin Folge zu geben, daß der Beschluß des Erstrichters in der Hauptsache wiederhergestellt wird. Gleichzeitig war die vom Kläger bekämpfte (S. 32 ff) Kostenentscheidung des Erstrichters zu überprüfen. Mit Recht zeigt der Kläger auf, daß die Beklagte - wie auch das Rekursgericht zutreffend hervorgehoben hat - für ihre Äußerung nicht rechtzeitig (§§ 78, 402 Abs 2 EO, § 54 Abs 1, letzter Satz, ZPO) Kosten verzeichnet hat; sie hat daher ihren Anspruch auf Kostenersatz verloren. Für die Urkundenvorlage vom 4. Juli 1989 (ON 3) hat sie zwar rechtzeitig Kosten verzeichnet; dieser Schriftsatz war aber deshalb nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig (§ 41 ZPO), weil die Beklagte schon mit der Äußerung Übersetzungen der von ihr vorgelegten fremdsprachigen Urkunden anzuschließen gehabt hätte. Ihr Kostenbegehren war daher in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses abzuweisen. Der Ausspruch über die Rechtsmittelverfahrenskosten der Beklagten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO, jener über die Kosten des vom Kläger erhobenen Kostenrekurses auf § 393 Abs 1 EO.
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