Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufgetragen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Das Erstgericht hob die auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs.2
Z 6 MRG gestützte Aufkündigung des im Hause Hamburgerstraße 2 im
5. Wiener Gemeindebezirk gelegenen Bestandgegenstandes top. Nr.6 auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es stellte - lediglich in den Akt 43 Msch 5/88 Einsicht nehmend - fest:
Der Kläger ist Eigentümer des genannten Hauses, der Beklagte Hauptmieter des darin befindlichen Bestandobjektes. Im Verfahren 43 Msch 5/88 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien haben die Parteien am 27.5.1988 einen Vergleich geschlossen. Im Punkt 2.) des Vergleiches wurde folgendes vereinbart: "Der Antragsgegner erklärt sein Einverständnis, daß die gegenständliche Wohnung für Wohn- und Bürozwecke benützt wird."
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß eine Aufkündigung des Bestandgegenstandes nur dann möglich wäre, wenn der Beklagte das Objekt weder für Wohnzwecke noch für Bürozwecke verwendet. Dies sei aber nach dem Vergleichstext nicht der Fall. Die Aufkündigung sei daher zu beheben gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und erklärte die Revision für nicht zulässig, weil zur Frage der Kündigungsmöglichkeit bei gemischtem Bestandzweck bereits Judikatur vorliege. Sei der Bestandnehmer auf Grund vertraglicher Vereinbarung zu einer gemischten Nutzung berechtigt, könne der Kündigungsgrund nach § 30 Abs.2 Z 6 MRG allein nicht zum Erfolg führen. Der Kläger habe nicht vorgebracht, daß die Wohnung überwiegend zu Wohnzwecken und lediglich untergeordnet zu Bürozwecken zu verwenden sei. Der Beklagte verhalte sich daher vertragskonform, solange er das Bestandobjekt bewohnt oder zu geschäftlichen Zwecken verwendet. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die ao. Revision des Klägers mit den Anfechtungsgründen nach § 503 Z 3 und 4 ZPO und dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben oder abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben. Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, deren Erstattung ihm anheimgestellt worden war, das Rechtsmittel zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die ao. Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht unter der aktenwidrigen Annahme, der Kläger habe nicht vorgebracht, daß der Wohnzweck überwiege, zu einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage gelangte. Sie ist auch berechtigt, weil für die Entscheidung dieses Rechtsstreites wesentliche Feststellungen fehlen:
Im Gegensatz zu der diesbezüglich aktenwidrigen Annahme des Berufungsgerichtes hat der Kläger mehrfach darauf hingewiesen (vgl. AS 13, 21), daß der Wohnzweck der hauptsächliche Mietzweck sei. Das Berufungsgericht hat sich dennoch bloß auf Grund des zitierten Vergleichstextes der Auffassung des Erstgerichtes angeschlossen, daß das Bestandobjekt durch den Beklagten vertragsgemäß benützt werde. Aus der zusammenhanglosen Wiedergabe dieses Vergleichspunktes kann aber noch nicht darauf geschlossen werden, daß das Bestandobjekt gleicherweise für Wohn- oder Bürozwecke oder überwiegend in der einen oder anderen Richtung benützt wird. Auf die Klarstellung dieser Frage kommt es aber sowohl im Sinne der in der MietSlg.39.450 abgedruckten Vorentscheidung als auch insbesondere nach der in den bisher nicht veröffentlichten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 554/89 und 6 Ob 574/89 zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht ganz wesentlich an.
Schon das Erstgericht hätte daher darauf Bedacht nehmen und die Parteien in Erfüllung seiner Pflicht zur materiellen Prozeßleitung gemäß § 182 Abs 1 ZPO anleiten müssen, entsprechende Beweise für das Vorliegen ihres Standpunktes anzubieten. Mit der bloßen Verlesung des Vergleichstextes zu 43 Msch 5/88 durfte die zur Entscheidung über die eingebrachte Kündigung erforderliche Stoffsammlung nicht abgeschlossen werden. Beide Urteile der Vorinstanzen müssen daher aufgehoben werden. Das Erstgericht wird nach Erörterung des Rechtsfalles mit den Parteien in der dargestellten Richtung und ergänzender Beweisaufnahme neuerlich über die Aufkündigung zu entscheiden haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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