OGH 14Os152/89

OGH14Os152/8920.12.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Dezember 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Toth als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Eugen H***-S*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.August 1989, GZ 3 b Vr 5331/86-181, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Paunovic, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der im 57. Lebensjahr stehende österreichische Staatsbürger Eugen H***-S*** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien und anderen Orten Österreichs sowie von Düsseldorf/Bundesrepublik Deutschland aus in der Zeit vom 14. Dezember 1962 bis zum 31.Mai 1985 gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die jeweiligen Referenten und Leiter des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Behauptung, über keinerlei Einkünfte zu verfügen, obwohl er seit 1.Oktober 1962 eine Erwerbsunfähigkeitsrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin bezog, zu Handlungen verleitet, die die R*** Ö*** in einem 500.000 S übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

I. zur Gewährung und Auszahlung einer Zusatzrente nach § 12 Kriegsopferversorgungsgesetz (KOVG) für die Zeit vom 1.Juli 1963 bis 30. September 1981 im Betrag von insgesamt 519.637 S und für die Zeit vom 15.Juni 1983 bis 31.Mai 1985 im Betrag von insgesamt 123.430 S, sohin im Betrag von insgesamt 643.067 S, und II. zur Gewährung und Auszahlung von Wohnungsbeihilfen für die Zeit von Juni 1983 bis Dezember 1983 von insgesamt 196 S.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt. Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt der Beschwerdeführer die Abweisung des von ihm selbst (in der Hauptverhandlung am 17. August 1989) gestellten Antrages (S 354/Bd III) auf Vertagung oder zumindest längere Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Durchsicht seiner sichergestellten Unterlagen (vgl Standblatt ON 147 und 157). Aus dem Protokoll ON 180 ergibt sich hiezu, daß der Vorsitzende zunächst die Hauptverhandlung am 17.August 1989 von 10,55 Uhr bis 12,00 Uhr unterbrochen hat, um dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, die beigeschafften, ihm gehörenden Unterlagen, auf die er sich in der vorangegangenen Hauptverhandlung am 11. Juli 1989 berufen hatte, durchzusehen (S 353/Bd III). Das nach Fortsetzung der Hauptverhandlung vom Angeklagten mit der Begründung, es sei unmöglich gewesen, in einer Stunde alle Unterlagen zu sichten, gestellte weitere Begehren (S 353 f, 356/Bd III), auf das sich die Rüge bezieht, wies das Schöffengericht ab, weil Zweck der Durchsicht die Suche nach Bescheiden über Rentenhöhe und -auszahlung in der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei und die Suche nach derartigen Bescheiden in der zur Verfügung gestellten Stunde ohne weiteres möglich gewesen wäre; der Angeklagte habe aber den ihm zur Verfügung gestellten Zeitraum zur Suche nach irrelevanten Schriftstücken mißbraucht und es sei zu befürchten, daß er das Verfahren lediglich weiter verzögern wolle (S 357 f/Bd III; US 12 bis 14).

Die Rüge versagt schon deshalb, weil der Beschwerdeführer anläßlich der Antragstellung in erster Instanz nicht angegeben hat, welche konkreten, für das Erkenntnis in der Schuldfrage einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände maßgebenden Beweismittel durch die begehrte (weitere) Durchsicht seiner Unterlagen zutage gebracht werden sollten. Auch in der Beschwerde wird im übrigen derartiges nicht dargetan, sondern nur vorgebracht, daß der Angeklagte "seine Verteidigung nicht entsprechend an die gegebenen sichergestellten Unterlagen anpassen" bzw "zu diesen keine entsprechende Erklärung abgeben und diese entsprechend erläutern" konnte. Angesichts der Ergebnisse des Beweisverfahrens - aus welchen sich ergibt, daß die dem Angeklagten von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin bewilligte Rente ihm während des gesamten Deliktszeitraumes in der festgestellten Höhe ausbezahlt wurde, wobei der Umstand, daß zufolge einer Pfändung wegen Schulden des Angeklagten an die Gerichtskasse Düsseldorf ein Teil dieser Rente dorthin überwiesen wurde, irrelevant ist, weil auch diese Zahlungen zu Gunsten des Angeklagten (schuldtilgend) erfolgten - hätte schon anläßlich der Antragstellung in erster Instanz (auch) dargetan werden müssen, inwieweit die angestrebte (weitere) Durchsicht der Unterlagen ein für die Schuldfrage bedeutsames Beweisergebnis erwarten läßt (vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 19 zu § 281 Z 4). Da dies nicht geschehen ist, konnte der in Rede stehende Antrag ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden. Im übrigen hat der Schöffensenat durch eigene Durchsicht der Unterlagen festgestellt, daß sich darunter Einstellungsbescheide betreffend die deutsche Rente - und nur solche könnten bei der gegebenen Sachlage relevant sein - nicht befinden (US 14), sodaß eine (allfällige) Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß zu üben vermöchte.

In der Mängelrüge (Z 5) reklamiert der Beschwerdeführer zum einen, das Gericht habe nicht begründet, warum es den Zeugen Dr. F*** und W*** Glauben schenkte; zum anderen macht er geltend, im Urteil sei seine kriegsbedingte Schädelverletzung, die zu einer 80 %igen Invalidität führte, übergangen worden, obwohl daraus "ein günstigeres Bild" seiner Person, das ihn exkulpiert hätte, abzuleiten gewesen wäre.

Auch diese Rügen gehen fehl.

Ob das erkennende Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung einem Zeugen aufgrund des von ihm gewonnenen persönlichen Eindrucks Glauben schenkt, ist ein psychologischer Vorgang, der sich nicht restlos analysieren und in Worte fassen läßt, sodaß die solcherart gewonnene Überzeugung von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen einer (weiteren) Begründung nicht zugänglich ist (vgl Mayerhofer-Rieder aaO ENr 134 zu § 270). Mithin hat das Schöffengericht seiner Begründungspflicht entsprochen, indem es darauf verwies, daß es den Zeugen Dr. F*** und W*** (aufgrund des von ihnen bei ihrer Einvernahme in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks) Glauben schenkte (US 14, 15).

Die kriegsbedingte Granatsplitterverletzung des Angeklagten hinwieder wurde im Urteil keineswegs übergangen, sondern ausdrücklich konstatiert (US 5), wobei die Tatrichter ihre Annahme, daß der Angeklagte - auch unter Berücksichtigung dieser Verletzung - zu den Tatzeiten zurechnungsfähig gewesen ist (US 19), formal mängelfrei auf das Gutachten des beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen (S 353/Bd III iVm S 389 f/Bd II) stützen konnten. Die behauptete Unvollständigkeit haftet somit dem Urteil nicht an. In der Rechtsrüge (Z 9 lit a; richtig: Z 9

lit b - vgl Mayerhofer-Rieder aaO ENr 15 zu § 281 Z 9 lit b) schließlich wird geltend gemacht, es fehle, soweit die Taten nicht in Österreich begangen wurden, an der inländischen Gerichtsbarkeit; überdies habe das Gericht keine ausreichenden Feststellungen zur Frage des dem Beschwerdeführer zugutezuhaltenden Rechtsirrtums getroffen.

Auch mit diesen Einwänden ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.

Soweit er (zumindest teilweise) die inländische Gerichtsbarkeit bestreitet, so genügt es, auf § 67 Abs 2 StGB zu verweisen, wonach der Täter eine mit Strafe bedrohte Handlung an jedem Ort begangen hat, an dem er gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder ein dem Tatbild entsprechender Erfolg ganz oder zum Teil eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen. Da die Vermögensschädigung der R*** Ö*** jedenfalls im Inland eingetreten ist, unterliegt die dem Beschwerdeführer angelastete strafbedrohte Handlung der österreichischen Gerichtsbarkeit gemäß § 62 StGB, unabhängig davon, wo der Beschwerdeführer gehandelt hat (vgl Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr 2 und 2 a zu § 67). Davon abgesehen wäre auch bei Vorliegen eines ausländischen Tatortes (Bundesrepublik Deutschland) die inländische Gerichtsbarkeit gemäß § 65 Abs 1 Z 1 StGB gegeben gewesen, da der Beschwerdeführer österreichischer Staatsangehöriger ist, die Tat auch nach den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland mit Strafe bedroht ist (vgl § 263 dStGB) und der Strafanspruch nicht (im Sinne des § 65 Abs 4 StGB) erledigt ist.

Auf mangelndes Unrechtsbewußtsein hat sich der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren nicht berufen; sein diesbezügliches Beschwerdevorbringen stellt eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige und demnach unbeachtliche Neuerung dar. Im übrigen negiert es jene Urteilskonstatierungen, denenzufolge dem Angeklagten sehr wohl bewußt war, daß er seine deutsche Rente als Einkommen im Verfahren vor dem österreichischen Landesinvalidenamt anzugeben gehabt hätte (US 17).

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach zur Gänze unbegründet; sie war daher - übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zu verwerfen.

Der Angeklagte hat nach Urteilsverkündung die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung angemeldet (S 358/Bd III), in der Folge jedoch mit einem von ihm selbst verfaßten Schriftsatz (ON 183/S 385/Bd III) die Berufung ausdrücklich zurückgezogen. Die vom Verteidiger nach Zustellung der Urteilsausfertigung dennoch ausgeführte Berufung war daher zurückzuweisen (§ 294 Abs 4 StPO). Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte