OGH 10ObS425/89

OGH10ObS425/8919.12.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Prohaska (AG) und Walter Benesch (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Kurt P***, Stationsgehilfe, 7301 Deutschkreutz, Mühlallee 5, vertreten durch Dr. Harald Wolzt, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** U*** (L*** W***),

1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Leistungen der Unfallversicherung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31.August 1989, GZ 32 Rs 85/89-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2.Februar 1989, GZ 17 Cgs 533/88-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 11.Mai 1988 lehnte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus Anlaß des Unfalles vom 15. Juni 1987 mangels der Voraussetzungen des § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG ab.

Die dagegen rechtzeitig erhobene Klage stützte sich nach Ergänzung darauf, daß sich der Unfall ereignet habe, als der Kläger, dem auf der Fahrt von seinem ständigen Aufenthaltsort in Deutschkreutz zu seiner Arbeitsstätte in Wien aufgefallen sei, daß er Geldbörse, Scheckkarte, Fahrzeugpapiere udgl daheim liegengelassen habe, nach Deutschkreutz zurückgefahren sei. Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, den Unfall des Klägers vom 15.Juni 1987 als Arbeitsunfall zu werten und dem Kläger aus Anlaß dieses Unfalles eine Entschädigung zu gewähren.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger, der (vor dem Unfall) im Neurologischen Krankenhaus (der Stadt) Wien(-Rosenhügel) (als Stationsgehilfe) arbeitete, hielt sich in der dienstfreien Zeit üblicherweise bei seinen Eltern in Deutschkreutz im Burgenland auf. Im Spital hatte er eine Unterkunft, die er schon am Vortag eines um 6,30 Uhr beginnenden Frühdienstes aufzusuchen pflegte, um diesen ausgeruht anzutreten bzw nicht in den morgendlichen Verkehrsstau zu geraten. Weil der Kläger dies auch am Vortag seines am 16.Juni 1987 um 6,30 Uhr beginnenden Frühdienstes so halten wollte, verabschiedete er sich am 15.Juni 1987 von seinen Eltern in Deutschkreutz, um von dort - wie üblich - (mit seinem PKW) nach Wien zu fahren. Auf der Strecke bemerkte er, daß er die Fahrzeugpapiere und die Scheckkarte vergessen hatte. Daher drehte er um, um nach Deutschkreutz zurückzufahren und diese vergessenen Gegenstände zu holen. (Auf dieser Rückfahrt) erlitt er einen Unfall, der ein Schädel-Hirntrauma mit einem den Unfall betreffenden Gedächtnisschwund zur Folge hatte.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ereignete sich der Unfall auf dem mit der Beschäftigung zusammenhängenden Weg zwischen dem ständigen Aufenthaltsort in Deutschkreutz und der Arbeitsstätte bzw der dortigen Unterkunft in Wien. Daß der Kläger auf diesem Weg umgekehrt sei, um die daheim vergessenen Fahrzeugpapiere zu holen, ändere nichts daran, daß es sich um einen Arbeitsunfall iS des § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG handle. Der Kläger sei dazu nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet gewesen, weil ein Auto nicht ohne Mitführen der Kfz-Papiere benützt werden dürfe.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, den Unfall vom 15. Juni 1987 als Arbeitsunfall zu werten und eine Entschädigung zu gewähren, abwies. Das Zurückfahren zur Wohnung, um vergessene Kfz-Papiere, eine Scheckkarte und Geld zu holen, sei nicht unter Unfallversicherungsschutz gestanden.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil durch Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern oder es allenfalls zwecks Verfahrensergänzung aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Das nach § 46 Abs. 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Rechtsmittel ist nicht berechtigt. Arbeitsunfälle sind nach § 175 Abs. 1 ASVG Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Arbeitsunfälle sind nach Abs. 2 Z 1 leg cit auch Unfälle, die sich auf einem mit der Beschäftigung nach Abs. 1 zusammenhängenden Weg zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte ereignen; hat der Versicherte wegen der Entfernung seines ständigen Aufenthaltsortes von der Arbeits(Ausbildungs)stätte auf dieser oder in ihrer Nähe eine Unterkunft, so wird die Versicherung des Weges von oder nach dem ständigen Aufenthaltsort nicht ausgeschlossen.

Der Unfall des Klägers wäre nur dann ein Arbeitsunfall, wenn er sich auf einem mit der versicherten Beschäftigung zusammenhängenden Weg (vom ständigen Aufenthaltsort in Deutschkreutz) zur Arbeitsstätte oder zur Unterkunft in Wien oder von einem dieser Ausgangspunkte zum genannten ständigen Aufenthaltsort ereignet hätte. Der Weg hätte also entweder zur Arbeitsstätte oder Unterkunft führen oder von dort ausgehen, der Kläger sich demnach auf eines dieser Ziele zubewegen oder von einem dieser Ausgangspunkte fortbewegen müssen (vgl zB Tomandl, Der Wegunfall in der österreichischen und deutschen Unfallversicherung in Tomandl, Sozialversicherung: Grenzen der Leistungspflicht 137 Ä146Ü; ders, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 4. ErgLfg 292;

Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung II 72. Nachtrag 485 m;

SSV-NF 1/12; 2/23).

Diese Voraussetzungen treffen aber auf den hier zu beurteilenden Unfall nicht zu. Dieser ereignete sich nämlich nicht, während der Kläger mit seinem PKW von seinem ständigen Aufenthaltsort Deutschkreutz in Richtung seines Arbeits- und Unterkunftsortes Wien fuhr, sondern während er mit seinem PKW nach Deutschkreutz zurückfuhr, nachdem er die Fahrt in Richtung Wien unterbrochen hatte. Daß der Kläger zurückfuhr, um die daheim liegenden Kfz-Papiere, die er nach verwaltungsrechtlichen Bestimmungen während seiner Fahrt mitführen hätte sollen, und die Scheckkarte zu holen, ändert nichts daran, daß er sich während des Unfalles nicht auf dem Weg von seinem ständigen Aufenthaltsort zum Arbeits- und Unterkunftsort oder von diesem zum ständigen Aufenthaltsort befand.

Im übrigen handelt es sich zwar insbesondere bei der Bereitstellung der auf der Fahrt zur oder von der Arbeitsstätte mitzuführenden Kfz-Papiere um eine der Aufnahme der versicherten Beschäftigung vorangehende, dieser daher mittelbar dienende Vorbereitungstätigkeit. Solche Verrichtungen werden jedoch regelmäßig auch unabhängig von der versicherten Tätigkeit vorgenommen. Sie stehen daher in der im vorliegenden Fall nicht durchbrochenen Regel auch dann, wenn sie das Zurücklegen des versicherten Arbeitsweges und damit auch die Aufnahme der versicherten Tätigkeit erst ermöglichen der durch § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG auf die Arbeitswege erstreckten betrieblichen Sphäre noch so fern, daß sie noch dem nicht versicherten privaten Lebensbereich zuzuordnen sind (Brackmann aaO 72. Nachtrag 486g, 486h). Dem Versicherten kann in der Regel durchaus zugemutet werden, Vorbereitungshandlungen für den Arbeitsweg rechtzeitig zu treffen (Tomandl, Der Wegunfall aaO 156). Daß ihm dies bezüglich der Kfz-Papiere, der Scheckkarte oder des Bargeldes nicht möglich gewesen wäre, wurde vom Kläger nicht einmal behauptet. Daß dieser zu seinem ständigen Aufenthaltsort zurückfahren durfte, um die daheim vergessenen Kfz-Papiere zu holen und sich für seinen Aufenthalt am Arbeitsort Geld zu besorgen, ist selbstverständlich, ändert aber nichts daran, daß es sich bei dieser Rückfahrt nicht um einen Teil des versicherten Arbeitsweges handelte.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit b ASGG.

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