Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 4.629,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 771,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 5. August 1974 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Mit Schreiben vom 27. April 1988 (Beilage
A=2/1) kündigte er sein Arbeitsverhältnis zum 27. Mai 1988 auf und
forderte die Beklagte gleichzeitig auf (Beilage B=2/2), die ihm für
Februar bis März 1988 zustehenden Überstundenzuschläge - es handelte sich um Zuschläge für Nachtstunden (wegen Beginns der Arbeitszeit vor 6 Uhr früh) - bis spätestens 6. Mai 1988 nachzuverrechnen und auf sein Konto zu überweisen, widrigenfalls er "arbeitsrechtliche Konsequenzen" ziehen werde. Mit Schreiben vom 9. Mai 1988 erklärte er seinen vorzeitigen Austritt, weil die Beklagte die ihr gesetzte Nachfrist nicht eingehalten hat.
Aufgrund dieses vorzeitigen Austritts begehrt der Kläger von der
Beklagten Zahlung
1. der Abfertigung in Höhe von 4 Monats-
entgelten S 84.966,-- brutto,
2. der Urlaubsentschädigung
(19 Werktage) S 15.522,62
3. der aliquoten Prämie vom 1. Jänner
bis 28. Mai 1988 S 2.775,-- brutto
und
4. restliche Sonderzahlungen S 210,--
zusammen S 103.473,62 brutto
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Kläger habe in seinem Schreiben vom 27. April 1988 nicht angeführt, welche Zuschläge er meine, und habe zwei Aufforderungsschreiben der Beklagten, eine Aufstellung seiner Forderung bekanntzugeben, unbeantwortet gelassen. Die von ihm gesetzte Nachfrist sei zu kurz gewesen.
Der Nachtzuschlag hätte dem Kläger auch nicht gebührt, weil ihn die Beklagte angewiesen habe, erst um 6 Uhr früh mit der Arbeit zu beginnen; der Kläger habe aber manchmal aus persönlichen Gründen früher mit der Arbeit begonnen.
Das Erstgericht sprach dem Kläger S 99.388,73 brutto sA zu und wies ein Mehrbegehren von S 4.084,89 brutto sA und ein Zinsenmehrbegehren - insoweit unbekämpft - ab. Es traf folgende, für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:
Schon unter dem Expeditleiter G*** begannen die Kraftfahrer der Beklagten, wenn sie Fahrten nach Attnang-Puchheim zu machen hatten, um 5 Uhr früh mit der Arbeit, weil sonst die Gefahr bestand, daß sie die aufgetragenen Lieferungen nicht durchführen konnten. Der neue Expeditleiter, Rudolf J***, übernahm 1985 diese Übung der frühen Abfahrten von seinem Vorgänger. Der frühe Arbeitsbeginn war der Beklagten aus den Überstundenlisten, die an Hand der Tachographenscheiben geführt wurden, bekannt. Seit 1980 bemühten sich die Lenker, für Arbeitszeiten vor 6 Uhr früh den 100 %-igen Überstundenzuschlag zu erhalten, doch lehnte dies die Beklagte ab; der Geschäftsführer der Beklagten verfaßte im Jänner 1985 eine interne Information, mit der die Leistung von Überstunden vor 6 Uhr früh grundsätzlich verboten wurde. Über ausdrücklichen Wunsch könne aber auf freiwilliger Basis den Chauffeuren auch bereits vor 6 Uhr das Auto zur Verfügung gestellt werden. Dieser frühzeitige Arbeitsbeginn erfolge aber auf eigenen Wunsch und nicht auf Anordnung des Unternehmers.
Diese Information war für die Personalreferentin Brigitte L*** und den Zweigstellenleiter Hannes S*** bestimmt. Daß diese Information auch den anderen Mitarbeitern zur Kenntnis gebracht und am schwarzen Brett angeschlagen wurde, ist nicht erwiesen. Der Expeditleiter Rudolf J*** sprach mit den Fahrern über den frühen Arbeitsbeginn nicht; die Fahrer wurden nie darauf hingewiesen, daß der frühe Antritt der Arbeit nur auf ihren eigenen Wunsch und nicht auf Anordnung des Unternehmens erfolge. Im April 1988 versuchte der Kläger vergeblich, eine einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu erreichen; am 25. April 1988 entschloß er sich zu der (bereits eingangs erwähnten) Kündigung und vereinbarte für die Dauer der Kündigungsfrist den Verbrauch seines Resturlaubs. Am 25. April 1988 machte die Frau des Klägers, Eva P***, Brigitte L*** telefonisch darauf aufmerksam, daß die (bisher) verweigerten Überstundenzuschläge gezahlt werden müßten; sie hatte schon ein oder zwei Jahre vorher Brigitte L*** ebenfalls darauf aufmerksam gemacht. Frau Brigitte L*** hatte sich mit den Worten "Sie wissen, daß der Chef sie nicht bezahlt", geweigert. Schon damals hatte Eva P*** Brigitte L*** darauf aufmerksam gemacht, daß dieses Verhalten ein Austrittsgrund sei. Eva P*** kündigte beim Gespräch am 25. April 1988 an, daß sie für die Zahlung der überstundenzuschläge eine Nachfrist setzen werde.
Das Kündigungs- und Forderungsschreiben vom 27. April 1988 ging der Beklagten am 27. Mai 1988 zu. Wegen der jahrelangen Meinungsverschiedenheiten über die Zahlung des 100 %-igen Überstundenzuschlages und das vorausgegangene Gespräch vom 25. April 1988 wußte Brigitte L***, welche Überstundenzuschläge mit diesem Schreiben gefordert wurden. Die Beklagte hätte auf Grund der vorliegenden Lohnabrechnungen und Überstundenaufzeichnungen die Zahl der vom Beklagten geforderten Nachtüberstundenzuschläge ohne weiteres errechnen können. Mit Schreiben vom 3. Mai 1988 forderte der Kläger von der Beklagten eine Nachverrechnung wegen unrichtig berechneter Lohnsteuer und setzte dafür eine Frist bis 16. Mai 1988. Brigitte L*** faßte dieses am 5. Mai 1988 bei der Beklagten
eingegangene Schreiben nicht als Verlängerung der Frist für die Zahlung der Überstundenzuschläge auf und beachtete die für die Zahlung der überstundenzuschläge gesetzte Frist nicht. Mit Schreiben vom 5. Mai 1988 überwies die Beklagte dem Kläger einen Verrechnungsscheck über S 5.500,-- mit der Widmung "Für die vorläufige Differenz zwischen der abgeführten und ihrer effektiven Lohnsteuer". Auch in diesem Schreiben stellte sich die Beklagte wiederum auf den Standpunkt, die Nachzahlung der Überstundenzuschläge vor Übermittlung einer entsprechenden Aufstellung durch den Kläger nicht durchführen zu können ("Wir benötigen nur noch Ihre Aufstellung über die Ihnen nicht verrechneten Überstundenzuschläge, so daß wir zum Monatsende Ihr Konto glattstellen können.").
Der Kläger sah sich zur Übermittlung der geforderten Aufstellung nicht veranlaßt und erklärte, wie bereits eingangs erwähnt, mit Schreiben vom 9. Mai 1988 seinen vorzeitigen Austritt. Mit Schreiben vom 11. Mai 1988 bedauerte die Beklagte diese Entwicklung und gab bekannt, daß sie nun nach einem mit der Frau des Klägers am "5. Mai 1988" geführten Gespräch die Zahl der Nachtüberstunden wisse. Tatsächlich hat aber dieses Gespräch bereits am 25. April 1988 stattgefunden. Die Beklagte kündigte in diesem Schreiben an, die Überstundenzuschläge ohne Präjudiz zu zahlen. Nach dem Austritt des Klägers zahlte die Beklagte am 13. Mai 1988 die Überstundenzuschläge in Höhe von S 663,25 brutto.
Das Erstgericht war der Ansicht, daß dem Kläger durch die Entgegennahme der Überstundenleistungen durch die Beklagte ein unabdingbarer Anspruch auf die Überstundenzuschläge in "gesetzlicher Höhe" entstanden sei. Der Kläger sei daher berechtigt gewesen, gemäß § 82 a lit d GewO 1859 vorzeitig auszutreten; die Beklagte habe sich seit Jahren geweigert, die gesetzlich zustehenden Überstundenzuschläge (für Nachtstunden) zu zahlen. Der Kläger habe dies zwar während des Arbeitsverhältnisses geduldet, habe aber in seinem Schreiben vom 27. April 1988 deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er ein weiteres Vorenthalten nicht mehr hinnehmen werde. Er habe für die Zahlung eine ausreichende Nachfrist gesetzt. Die Beklagte habe die Frist nicht eingehalten, obwohl sie die dem Kläger abgeforderte Aufstellung zur Berechnung der Nachzahlung nicht benötigt hätte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich. Aus den Beweisaufnahmen ergebe sich eindeutig, daß die Fuhrparkleiter die Touren nach Attnang-Puchheim so eingeteilt haben, daß der Kläger schon um 5 Uhr früh wegfahren mußte. Auch die Beweiswürdigung zur Frage, ob dem Kläger die interne Information vom Jänner 1985 zur Kenntnis gebracht worden sei, sei unbedenklich.
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich eindeutig, daß der Dienstgeber die überstundenleistung vor 6 Uhr morgens geduldet, entgegengenommen und - wenn auch ohne den 100 %-igen Nachtzuschlag - gezahlt habe. Die eingeführte Praxis des Fahrtantritts (vor 6 Uhr früh) sei auch nicht abgestellt worden, nachdem die Kraftfahrer immer wieder die Honorierung der Arbeitsstunden mit 100 %-igem Zuschlag verlangt hätten. Stehe aber fest, daß die Beklagte dem Kläger zustehendes Überstundenentgelt vorenthalten habe, so sei er auch zu Recht gemäß § 82 a lit d GewO 1859 ausgetreten. Eine Erforschung der Interessenlage erübrige sich, wenn eine Anordnung des (unmittelbaren) Vorgesetzten vorliege.
Der Kläger habe längere Zeit hindurch Zahlungsrückstände aus dem Titel der Überstunden geduldet. Er habe dadurch zwar nicht sein grundsätzliches Austrittsrecht verwirkt, habe diesen Umstand aber nicht zum Anlaß eines plötzlichen Austrittes nehmen dürfen; vielmehr habe er den Arbeitgeber unter Setzung einer, wenn auch nur kurzen Nachfrist, zur Zahlung des Rückstandes auffordern müssen. Erst danach sei er zum Austritt berechtigt gewesen. Der Umstand, daß Verfallsbestimmungen des Kollektivvertrages das Nachfordern weiter zurückliegender Überstundenentgelte ausgeschlossen hätten, könne nicht dazu führen, daß der Kläger wegen Vorenthaltens eines relativ geringen Betrages nicht austreten dürfe. Der Kläger habe nicht gegen Treu und Glauben verstoßen; er habe eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er auf Zahlung der Überstundenzuschläge bestehe und für den Fall der Nichterfüllung "arbeitsrechtliche Konsequenzen" angedroht. Der Umfang der erhobenen Forderung sei klar gewesen und die Frist von sieben Arbeitstagen jedenfalls angemessen. Die Organe der Beklagten hätten eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie den Forderungen des Klägers nicht nachkommen wollten. Die Frist zur Zahlung sei mit dem Schreiben vom 3. Mai 1988 nicht verlängert worden.
Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, mit dem vermeintliche Feststellungsmängel geltend gemacht werden, liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Revisionswerberin bestreitet das Vorliegen des Austrittsgrundes des § 82 a lit d GewO 1859 ("Wenn der Gewerbeinhaber ihm die bedungenen Bezüge ungebührlich vorenthält ...") in doppelter Hinsicht. Sie ist der Ansicht, daß dem Kläger kein Anspruch auf 100 % Überstundenzuschlag für die vor 6 Uhr früh erbrachten Arbeitsleistungen zugestanden sei, weil sie den Arbeitsbeginn vor diesem Zeitpunkt nur im eigenen Interesse der Kraftfahrer gestattet, aber nicht angeordnet habe. Aus der bloßen Entgegennahme solcher Überstunden (bzw. höher zu vergütender Nachtarbeitsstunden) sei die Beklagte nicht zur Zahlung des 100 %-igen Zuschlages verpflichtet worden. Selbst wenn man aber einen solchen Anspruch unterstelle, liege aus mehreren Gründen (siehe unten) kein Austrittsgrund vor.
Diesen Ausführungen der Beklagten ist nicht zu folgen. Vorausgeschickt sei, daß beide Parteien übereinstimmend davon ausgehen, daß für Arbeitsleistungen, die (im Interesse des Dienstgebers) während der Nachtzeit zu leisten sind, der geforderte Zuschlag von 100 % zu zahlen wäre. Die Rechtsgrundlage dieses Zuschlages - das Arbeitszeitgesetz (AZG) regelt nur den allgemeinen überstundenzuschlag von 50 % (§ 10 Abs 1 AZG), aber keinen Nachtzuschlag -
wurde in den Vorinstanzen nicht erörtert; anscheinend handelt es sich um eine kollektivrechtliche - und damit der Disposition der Parteien zum Nachteil des Arbeitnehmers ohnehin entzogene - Norm, die aber nicht von Amts wegen zu ermitteln ist, da sich die Parteien nicht darauf berufen (§ 43 Abs 3 ASGG) und nicht vorgebracht haben, unter welchen Kollektivvertrag die Arbeitnehmer der Beklagten fallen. Die Grundlage des - unstrittig bestehenden -
100 %-igen Zuschlages für (notwendige) Arbeitszeiten vor 6 Uhr früh kann aber auf sich beruhen, weil die Arbeitsleistungen, für die der Kläger diesen Zuschlag anspricht, im Interesse des Unternehmens vor 6 Uhr früh erbracht werden mußten. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war bei den Fahrten des Klägers nach Attnang-Puchheim die frühe Abreise notwendig, damit die Lenker die ihnen aufgetragenen Lieferungen durchführen konnten. Die Arbeit wurde im Einvernehmen mit dem Expeditleiter vor 6 Uhr früh begonnen. Dieser hat die Fahrer nie darauf hingewiesen, daß ein Arbeitsbeginn vor 6 Uhr früh nur im Interesse der Kraftfahrer erlaubt sei, vom Dienstgeber aber nicht angeordnet und daher nicht mit dem Nachtzuschlag vergütet werde. Daß der Kläger von der Information (Beilage 10) gegenteiligen Inhalts Kenntnis erhalten hat, ist nicht erwiesen.
Damit sind aber die strittigen Nachtarbeitsstunden - Überstunden sind sie nur insoweit, als gemäß § 6 Abs 1 AZG durch den frühen Arbeitsbeginn jeweils die Grenzen der zulässigen Wochenarbeitszeit oder Tagesarbeitszeit überschritten wurde - vom Arbeitgeber durch seinen für die täglichen Fahrteinteilungen zuständigen Expeditleiter mindestens schlüssig angeordnet worden oder wenigstens Arbeitsstunden, die der Arbeitgeber entgegengenommen hat und die aus dienstilichen Erfordernissen vor 6 Uhr früh als Nachtarbeitsstunden (Überstunden) erbracht werden mußten (vgl. Arb 9.144; 9.207; 10.488; RdW 1988, 360 ua).
Soweit die Revision nicht von der dienstlichen Notwendigkeit dieser Arbeitsleistungen, sondern von der Annahme ausgeht, der Kläger sei nur in seinem eigenen Interesse so früh weggefahren, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt. Da nicht einmal feststeht, ob die Information Beilage 10 am Schwarzen Brett angeschlagen war, kann dem Kläger auch nicht vorgeworfen werden, er hätte davon wissen müssen, weil er verpflichtet gewesen wäre, sich über Ankündigungen des Dienstgebers laufend zu informieren. Der Kläger war daher für die vor 6 Uhr früh erbrachten Arbeitsleistungen mit einem Zuschlag von 100 % zu entlohnen.
Auch die Revisionswerberin räumt ein, daß die Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht ausschließe, daß er später während der Kündigungsfrist den vorzeitigen Austritt erklärt, meint aber, der Kläger hätte sich nur auf Austrittsgründe stützen können, die erst nach der Kündigungserklärung eingetreten seien. Daran ist richtig, daß für das Verhätlnis zwischen Kündigung und vorzeitiger Auflösung des Dienstverhältnisses (Entlassung, Austritt) der Grundsatz gilt, daß in der Erklärung der Kündigung in der Regel ein Verzicht zur vorzeitigen Lösung des Vertrages liegt, wenn ein Grund dazu bestanden hätte, von diesem Recht aber (trotz Kenntnis des Grundes!) kein Gebrauch gemacht wurde (Martinek-Schwarz AngG6 536, 703; Arb 10.478). Anders ist es dann, wenn der Deinstgeber die Kündigung von vornherein auf sein Entlassungsrecht stützt oder der Angestellte unter Berufung auf einen bestehenden Austrittsgrund kündigt, die Lösung des Dienstverhältnisses aus wichtigen Gründen also in die äußere Form einer Kündigung gekleidet wird (Martinek-Schwarz aaO 536 f; SZ 27/56; Arb 5.934; IndS 1977 H 5/1062; Arb 10.478). Im vorliegenden Fall hat zwar der Kläger sein Kündigungsrecht nicht auf ein ungebührliches Vorenthalten von Entgelt gestützt, zugleich mit der Kündigungserklärung aber die ausstehenden Nachtzuschläge eingemahnt, hiefür eine Nachfrist gesetzt und sich für den Fall der Nichteinhaltung der Nachfrist "arbeitsrechtliche Konsequenzen" (die über die bereits erklärte Kündigung hinausgehen mußten) vorbehalten. Ob der Kläger damals verfplichtet war, den Arbeitgeber vor dem Austritt unter Setzung einer, wenn auch nur kurzen Frist zur Zahlung des Rückstandes aufzufordern (Arb 9.530; 10.218; 10.535), weil er die Weigerung des Arbeitgebers, die Nachtzuschläge zu zahlen, anscheinend lange Zeit hindurch unwidersprochen hingenommen hatte, oder ob diese Nachfristsetzung nur eine (objektiv entbehrliche) Vorsichtsmaßnahme war, der Kläger also schon im Zeipunkte seiner Kündigung berechtigt gewesen wäre, vorzeitg auszutreten, kann auf sich beruhen. Der Kläger hat sich jedenfalls durch die gleichzeitige Kündigung und das Einmahnen eines Rückstandes unter Androhung (weiterer) "arbeitsrechtlicher Konsequenzen" das Austrittsrecht für den Fall der Nichteinhaltung der Nachfrist deutlich vorbehalten; für einen solchen Zeitraum konnte er sich das Austrittsrecht auch wirksam vorbehalten, weil aus dem Zuwarten mit dem Austritt während einer zwar gesetzlich nicht mehr notwendigen aber dennoch gewährten Nachfrist, auf den Verzicht auf das Auflösungsrecht nicht geschlossen werden kann (Arb 10.535). Auch der Ansicht der Revisionswerberin, der dem Kläger vorenthaltene Betrag sei so geringfügig gewesen, daß er den Austritt nicht rechtfertige, weil es dem Kläger zumutbar gewesen sei, das Arbeitsverhältnis während der Kündigungsfrist fortzusetzen, ist nicht zu folgen. Da sich der Kläger alle arbeitsrechtlichen Konsequenzen aus dem Vorenthalten des Nachtzuschlages anläßlich der Kündigung vorbehalten hat, konnte er sich auch auf alle mit diesem Dauertatbestand zusammenhängenden, bereits vor seiner Kündigung eingetretenen Umstände berufen. Zwar kann nicht allgemein gesagt werden, daß jede ungebührliche Schmälerung des Entgelts dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Kündigungsfrist objektiv unzumutbar macht (Arb 10.535). Im vorliegenden Fall hat sich aber die Beklagte durch Jahre geweigert, dem Kläger die zustehenden Nachtzuschläge zu zahlen und dennoch weiterhin Arbeitsleistungen während der Nachtstunden entgegengenommen. Nach der Kündigung hat sie die ihr gesetzte Nachfrist für die Zahlung der (noch nicht verfallenen) Nachtzuschläge nicht beachtet, sondern mit Ausflüchten vom Kläger eine Aufstellung über die ihm nicht gezahlten Überstundenzuschläge verlangt, obwohl sie als Arbeitgeberin zur Führung von Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden verpflichtet war (§ 26 Abs 2 AZG) und auch tatsächlich über die nötigen Unterlagen zur Berechnung des vom Kläger erhobenen Anspruches verfügt hat. Auf Grund dieses Verhaltens war dem Kläger eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch während der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Ob der Kündigende (Austretende) während der Dauer der (fiktiven) Kündigungsfrist Urlaub verbraucht oder nicht, ändert an der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf die Dauer der Kündigungsfrist nicht. Dem austretenden Arbeitnehmer soll bei Vorliegen des Austrittsgrundes die Möglichkeit gegeben werden, sich sofort zur Gänze von seinem bisherigen Vertragspartner zu lösen und damit auch ohne Verletzung von Treuepflichten andere Bindungen einzugehen, die mit dem fortbestehenden bisherigen Arbeitsverhältnis unvereinbar wären. Im Gegensatz zur Ansicht der Revisionswerberin war das Vorenthalten dieser Nachtzuschläge auch "ungebührlich", da über das Bestehen des Anspruches des Klägers - objektiv betrachtet - nicht mit gutem Grund verschiedene Ansichten vertreten werden konnten (vgl RdW 1987, 133). Da es aus dienstlichen Erfordernissen notwendig war, daß der Kläger (bei den Fahrten nach Attnang-Puchheim) so zeitlich mit der Arbeit begonnen hat, hätte die Arbeitgeberin die Rechtmäßigkeit der Forderung des Klägers kennen müssen. Liegt aber diese Voraussetzung vor, so ist es gleichgültig, ob das Entgelt in Benachteiligungsabsicht, aus Nachlässigkeit oder nur aus Unvermögen des Arbeitgebers geschmälert oder zurückgehalten wird (Arb. 9.956;
10.147 ua; Martinek-Schwarz aaO 563).
Alle weiteren Ausführungen der Revisionswerberin gehen nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus. Der Kläger forderte die ihm "zustehenden Überstundenzuschläge für die Monate Februar bis April 1988", so daß sich die Beklagte nicht erst durch Rückfrage Klarheit darüber verschaffen mußte, was der Kläger von ihr begehrte. Außerdem haben die Vorinstanzen festgestellt, daß die für die Personalangelegenheiten der Beklagten zuständige Brigitte L*** wußte, welche Überstundenzuschläge der Kläger mit seinem Schreiben vom 27. Mai 1988 meinte und daß sie über diese Frage auch schon am 25. April 1988 mit der Frau des Klägers fernmündlich gesprochen hat. Es kann daher keine Rede davon sein, daß die vom Kläger erhobene Forderung keinen objektiven Erklärungswert hatte. Außerdem steht fest, daß die Beklagte die Zahl der überstunden ohne weiteres selbst hätte errechnen können. Damit war aber der Kläger nicht verpflichtet, auf die nur hinhaltenden Rückfragen der Beklagten einzugehen und die gesetzte Nachfrist zu verlängern. Der Kläger hat dadurch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, weil ja die Beklagte als Arbeitgeberin die schriftlichen Unterlagen über seine Arbeitsleistungen besaß und durch die mit der Lohnverrechnung betrauten Arbeitnehmer auch in der Lage sein mußte, die vom Kläger geforderten Nachtzuschläge zu berechnen (sie hat diesen Betrag auch nach Ablauf der Nachfrist ohne Mitwirkung des Klägers berechnet). Hingegen hat der Arbeitnehmer in aller Regel gar keine Möglichkeit, bestehende Lohndifferenzen ziffernmäßig genau (brutto und netto) zu errechnen. Die Forderung des Klägers war daher hinreichend spezifiziert.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
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