OGH 4Ob610/89

OGH4Ob610/895.12.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Andrea Maria G***, Hausfrau, Feldkirch-Tosters, Pfarrer-Weißhaar-Straße 35, vertreten durch Dr.Manfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die Antragsgegnerin Verlassenschaft nach dem am 7.August 1988 verstorbenen Bruno Christian G***, wohnhaft gewesen in Feldkirch-Gisingen, Sonnengasse 40, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr.Andreas Mandl, Rechtspraktikant, Feldkirch, Wolf-Huber-Straße 12, wegen Regelung der Haftung für Kredite gemäß § 98 EheG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 13. September 1989, GZ 1 a R 236/89-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 19. April 1989, GZ Sch 1/88-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Gericht erster Instanz wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit dem - seit 5. Februar 1988 rechtskräftigen - Beschluß des Erstgerichtes vom 5. Jänner 1988, Sch 1/88-3, wurde die zwischen der Antragstellerin und Bruno Christian G*** am 18. November 1983 geschlossene Ehe einvernehmlich geschieden (§ 55 a EheG). Zuvor hatten die Parteien am 5. Jänner 1988 einen Vergleich geschlossen, der unter anderem folgende Regelungen enthielt:

".......

5. Beide Ehegatten sind zu 103/2062-Anteilen Miteigentümer an der Eigentumswohnung in EZ 2415 Grundbuch 92102 Altenstadt GStNr. 3400/9 Wohnung Nr. 7 sowie zu je 5/2062-Anteilen an der Garage G 20.

6. Die Zweitantragstellerin Andrea Maria G***, geborene A*** (30.11.1962) übergibt und überträgt somit ihre 103/2062-Anteile an der EZ 2415 Grundbuch 92102 Altenstadt GStNr. 3400/9, mit welcher das Wohnungseigentumsrecht an der Wohnung W 7 verbunden ist, sowie ihre 5/2062-Anteile dieser Liegenschaft, mit welcher das Wohnungseigentumsrecht an der Garage G 20 verbunden ist, an den Erstantragsteller Bruno Christian G*** (10.3.1961) ins Eigentum und übernimmt dieser diese Wohnungseigentumsanteile in sein Eigentum, womit er nunmehr zu 206/2062-Anteilen Eigentümer dieser Liegenschaft wird.

Andrea Maria G***, geborene A*** (30.11.1962) willigt daher hiemit ausdrücklich ein, daß ob ihren 103/2062-Anteilen an der Liegenschaft EZ 2415 Grundbuch 92102 Altenstadt mit GStNr. 3400/9, mit welcher das Wohnungseigentumsrecht an der Wohnung W 7 verbunden ist, sowie ob ihren 5/2062-Anteilen an derselben Liegenschaft, mit welcher ebenfalls das Wohnungseigentumsrecht an G 20 verbunden ist, das Eigentumsrecht zugunsten des Bruno Christian G*** (10.3.1961) einverleibt wird, womit dieser zu 206/2062-Anteilen das Wohnungseigentumsrecht an der Wohnung W 7 und zu 10/2062-Anteilen an der Garage G 20 erhält.

7. Der Erstantragsteller Bruno Christian G*** übernimmt sämtliche auf der vorgenannten Liegenschaft haftenden Verbindlichkeiten in seine alleinige Zahlungsverpflichtung und erklärt hiemit ausdrücklich, daß er die Zweitantragstellerin für den Fall deren Inanspruchnahme durch die Gläubiger schad- und klaglos halten wird."

Bruno Christian G*** ist am 7. August 1988 verstorben. Mit der Behauptung, daß in dem Vergleich vom 5. Jänner 1988 klar vereinbart worden sei, daß ihr Mann alle im Zusammenhang mit der Anschaffung der Eigentumswohnung stehenden Schulden übernehme, begehrte die Antragstellerin am 21. Dezember 1988, das Gericht möge mit Wirkung für die Gläubiger aussprechen, daß die Verlassenschaft nach ihrem geschiedenen Gatten Hauptschuldnerin hinsichtlich "aller Verbindlichkeiten" sei, während sie selbst nur als Ausfallsbürgin hafte. In der Folge gab die Antragstellerin zunächst am 3. Februar 1989 die Wohnbaugesellschaft mbH, Bludenz, Bahnhofstraße 8, sowie die Hypothekenbank des Landes Vorarlberg und das Land Vorarlberg und dann am 15. Februar 1989 Ernst und Kurt T***, Inhaber der "Firma T*** Raumgestaltung", St. Anton i.M. 38, als Gläubiger bekannt. Das Erstgericht sprach, ohne dem Verfahren die Verlassenschaft nach Bruno Christian G*** beigezogen zu haben, mit Beschluß vom 19. April 1989 aus, daß diese Verlassenschaft als Hauptschuldnerin für folgende Verbindlichkeiten zur Zahlung verpflichtet sei, während die Antragstellerin als Ausfallsbürge hafte:

a) Forderung der Hypothekenbank

des Landes Vorarlberg von S 910.855,89

b) Forderung des Landes

Vorarlberg von S 626.959,--

c) Forderung der Wohnbaugesell-

schaft mbH von S 149.026,--

d) Forderung von Ernst und Kurt

T*** von S 30.195,53.

Der in § 98 Abs 1 EheG verwendete Ausdruck "Kreditverbindlichkeiten" umfasse alle Verträge, in denen die Leistungspflicht des einen Teils gegenüber der des anderen hinausgeschoben sei, also auch Ratengeschäfte, selbst zwischen Privatpersonen. Bruno Christian G*** sei seinerzeit Alleineigentümer der Eigentumswohnung gewesen und habe sich zur Rückzahlung aller Verbindlichkeiten verpflichtet. Die aufgezählten Schulden seien grundbücherlich sichergestellt. Das bedeute aber, daß die Gläubiger zunächst von dieser Sicherstellung Gebrauch machen müßten und nicht auf die für sie leichtere Möglichkeit des Zugriffes auf die Antragstellerin ausweichen könnten.

Diesen Beschluß stellte das Erstgericht zunächst nur der Antragstellerin und den Gläubigern, dann aber - nach einem entsprechenden Auftrag des Rekursgerichtes - auch dem Kurator der Verlassenschaft nach Bruno Christian G*** zu.

Infolge Rekurses der Gläubiger Wohnbaugesellschaft mbH sowie "Ernst und Kurt T***, Fa. T*** Raumgestaltung" wies das Gericht zweiter Instanz den Antrag der Antragstellerin, soweit er die Forderungen der genannten Gläubiger betrifft, ab und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Eine Verfristung des geltend gemachten Anspruches nach § 98 EheG liege allerdings nicht vor, weil der Antrag innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung (§ 95 EheG) gestellt worden sei; daß er in Ansehung der Forderung der Firma Ernst und Kurt T*** erst nach Ablauf dieser Frist präzisiert wurde, schade nicht. Richtig sei, daß die Forderungen der Rekurswerber grundbücherlich nicht sichergestellt seien; das sei aber rechtlich ohne Bedeutung. Vereinbarungen nach § 55 a Abs 2 EheG seien nach § 914 ABGB auszulegen und daher nach Erforschung der Parteiabsicht so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Nun habe jedoch die Antragstellerin von Anfang an zum Ausdruck gebracht, daß die Vereinbarung nicht nur die Übernahme der grundbücherlich sichergestellten Verbindlichkeiten, sondern überhaupt aller mit der Anschaffung der Eigentumswohnung im Zusammenhang stehenden Schulden betroffen habe. Dieser durchaus naheliegenden Interpretation sei der Erstrichter gefolgt, wenngleich einzuräumen sei, daß eine Erörterung der Frage des Umfanges der seinerzeitigen Vereinbarung jedenfalls in den Protokollen keinen Niederschlag gefunden habe. Diese Frage könne aber offen bleiben, weil die Forderungen der Rechtsmittelwerber nicht als Kreditverbindlichkeiten im Sinne des § 98 Abs 1 EheG zu werten seien. Darunter seien nur solche Verbindlichkeiten zu verstehen, die im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung begründet wurden. Bei der Einräumung eines Zahlungszieles für einen Kaufpreis oder Werklohn werde im allgemeinen Sprachgebrauch nicht von einer Kreditgewährung gesprochen; ebensowenig werde eine Kaufpreis- oder Werklohnforderung durch einen Zahlungsverzug zu einer Kreditverbindlichkeit. Der Ausdruck "Kredit" sei vielmehr nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auf Fälle einzuschränken, in denen einer Person Geld geliehen oder ihr die Befugnis eingeräumt werde, fremde Geldmittel für eigene Wirtschaftszwecke selbständig zu verwenden. Dieser eigentümlichen Bedeutung des Wortes "Kredit" habe der Bericht des Justizausschusses nicht ausreichend Rechnung getragen. Für diese Auffassung spreche auch § 31 a KSchG, welcher zu den "Kreditgeschäften" gleichfalls nur das Gewähren oder Vermitteln von Krediten im engeren Sinn zähle. Die Antragstellerin habe im übrigen nie geltend gemacht, daß den Forderungen der Rekurswerber ein Kreditgeschäft zugrunde liege.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Rekurs (richtig: Revisionsrekurs) der Antragstellerin mit dem Antrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die am Rekursverfahren beteiligten Gläubiger beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Zunächst ist darauf zu verweisen, daß das Verfahren über einen Antrag nach § 98 EheG - entgegen der Meinung der Antragstellerin - den besonderen Verfahrensvorschriften der §§ 229 bis 236 AußStrG unterliegt (§ 229 Abs 1 AußStrG idF BGBl. 1985/481); die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich demnach aus dem - bindenden - Ausspruch des Rekursgerichtes nach § 232 Abs 1 AußStrG. Daß der Antrag im Scheidungsakt ("Sch"), nicht aber in einem eigenen Aufteilungsakt ("F") behandelt wurde, kann an seiner Rechtsnatur nichts ändern.

Soweit sich die Antragstellerin gegen die enge Auslegung des Begriffes "Kreditverbindlichkeit" durch das Rekursgericht wendet, ist ihr beizupflichten:

§ 98 EheG spricht in der Überschrift von "Krediten" und in Absatz 1 von "Kreditverbindlichkeiten". Schon der JAB führt dazu aus, daß damit nicht nur Bankverbindlichkeiten (aus Kreditgeschäften im Sinne des § 31 a Abs 1 KSchG), sondern Verbindlichkeiten aus allen Verträgen gemeint seien, in denen die Leistungspflicht des einen Partners gegenüber der des anderen hinausgeschoben ist, wie etwa aus Ratengeschäften, selbst solchen zwischen Privatpersonen (729 BlgNR 16. GP 2). Die von Koziol, ("Die Ausfallsbürgschaft des geschiedenen Ehegatten kraft Richterspruchs (Zum neuen § 98 EheG)", RdW 1986, 5 ff) vertretene Meinung, daß § 98 EheG nur auf Kreditverbindlichkeiten "im eigentlichen Sinn" zu beziehen sei, kann nicht geteilt werden, weil für eine Differenzierung zwischen Bankverbindlichkeiten und sonstigen Schulden im Hinblick auf die Rechtsfolgen des § 98 EheG jede sachliche Begründung fehlt (Gamerith, Die Kreditmithaftung geschiedener Ehegatten nach § 98 EheG, RdW 1987, 183 ff Ä185Ü). Daß die Forderungen der Wohnbaugesellschaft mbH und der Firma T*** nicht aus Zug-um-Zug-Geschäften, sondern aus Werkverträgen - offenbar über die Errichtung der Eigentumswohnung (vgl. S 25) und deren Ausgestaltung - herrühren, kann nach der Aktenlage nicht zweifelhaft sein. In solchen Fällen ist aber mangels gegenteiliger Vereinbarung der Werklohn erst nach der Vollendung des Werks zu zahlen (§ 1170 ABGB); es handelt sich demnach bei solchen Werklohnschulden um "Kreditverbindlichkeiten" im weiteren Sinn. Ob auch sofort fällige, aber dennoch nicht gezahlte Verbindlichkeiten unter § 98 EheG fallen, braucht hier nicht untersucht zu werden.

Ein Antrag nach § 98 Abs 1 EheG kann nur gestellt werden, wenn entweder das Gericht gemäß § 92 EheG entschieden oder die Ehegatten nach § 97 Abs 2, gegebenenfalls nach § 55 a Abs 2, EheG vereinbart haben, daß einer der Eheleute im Innenverhältnis zur Zahlung von Kreditverbindlichkeiten, für die beide haften, verpflichtet sei. Daraus ergibt sich, daß unter "Kreditverbindlichkeiten" nur die in § 92 EheG näher bezeichneten Schulden - also diejenigen Schulden, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen (§ 81 Abs 1 EheG), sowie jene, die mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen (§ 83 Abs 1 EheG) - gemeint sind (Gamerith aaO). Auch das trifft hier zu, weil sich die Forderungen der beteiligten Gläubiger offenkundig auf die als Ehewohnung benützte Eigentumswohnung beziehen. Der vom Rekursgericht herangezogene Abweisungsgrund liegt demnach nicht vor.

Der Antrag ist aber auch insoweit nicht verfristet, als er die

Forderung der Firma T*** betrifft. Die Antragstellerin hat

innerhalb der nach § 98 Abs 1, letzter Satz, EheG maßgebenden Frist

des § 95 EheG den Ausspruch begehrt, daß die Verlassenschaft nach

ihrem geschiedenen Gatten Hauptschuldnerin für "alle

Verbindlichkeiten" sei, die im Zuammenhang mit der Anschaffung der

Eigentumswohnung stehen. Dieser Antrag war nicht unschlüssig,

sondern nur ergänzungsbedürftig; die nachträgliche Anführung der

einzelnen Gläubiger bedeutete somit keinen neuen Antrag, sondern nur

die Konkretisierung des schon früher - rechtzeitig - gestellten

Antrages (vgl. ÖBl. 1988, 17 zur gleichartigen Frage der Verjährung).

Das Schicksal des Antrages hängt somit davon ab, ob die

Forderungen der Wohnbaugesellschaft mbH und der Firma T*** von Punkt 7 des Vergleiches umfaßt sind. Wie schon das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, fallen diese Forderungen nicht unter den Wortlaut der genannten Vergleichsbestimmung, ist doch dort von den "auf der Liegenschaft haftenden Verbindlichkeiten" die Rede; es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Parteien - wie die Antragstellerin behauptet hat - nur in der Wortwahl vergriffen, in Wahrheit aber übereinstimmend beabsichtigt hatten, daß Bruno Christian G*** sämtliche Verbindlichkeiten übernehme, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der ihm übertragenen Wohnung standen. Dazu fehlen aber entsprechende Feststellungen.

Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und mit einer Aufhebung der von den Vorinstanzen gefaßten Beschlüsse vorzugehen. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren - unter Beiziehung auch der Verlassenschaft nach dem verstorbenen Bruno Christian G*** sowie der Gläubiger (§ 229 Abs 1 AußStrG) - mit den Parteien den Inhalt des genannten Vergleichspunktes zu erörtern und - gegebenenfalls nach einer Beweisaufnahme - entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 234 AußStrG; es entspricht der Billigkeit, daß vor einer Sachentscheidung noch nicht über die Kosten abgesprochen wird.

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