OGH 8Ob670/88

OGH8Ob670/8830.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria Rudolfine H***, 1030 Wien, Hegergasse 6, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K*** Österreich reg. Genossenschaft mbH, 1120 Wien, Wolfganggasse 58-60, vertreten durch Dr. Kurt Janek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Juli 1988, GZ 41 R 588/87-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 25. August 1987, GZ 4 C 1653/87-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Urteile werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin hat im Jahre 1978 von David S*** in dessen Wohnungeigentum stehende Räumlichkeiten im Hause Neulerchenfelderstraße 43 im 16. Wiener Gemeindebezirk käuflich erworben und ist in den zwischen ihrem Rechtsvorgänger und der beklagten Partei geschlossenen Bestandvertrag vom 7. August 1970 eingetreten. Dieser Vertrag lautet u.a. wie folgt:

"III. In den dem Herrn David S*** als Wohnungseigentümer gehörigen Räumen (Keller, Erdgeschoß, Obergeschoß) im Hause Neulerchenfelderstraße 43 betreibt Herr S*** gegenwärtig ein Geschäft in der Form eines Marktes ("Lux-Markt"). Herr David S*** wird diesen Geschäftsbetrieb sperren und die Gewerbeberechtigung zurücklegen. Die K***-Genossenschaft Wien wird in diesen Räumen einen K***-Markt errichten, auf Grund eigener Gewerbeberechtigung. Es wird einvernehmlich festgestellt, daß in keiner Weise der Übergang eines Unternehmens vorliegt und mit diesem Rechtsgeschäft lediglich die oben bezeichneten Räume und die Rechte aus dem Aktenvermerk vom 12. November 1969 von Herrn S*** an die K*** Wien in Bestand gegeben werden.

VI. Der Bestandzins wird mit ein Prozent des jährlichen Umsatzes des von der K*** Wien zu eröffnenden Konsummarktes

vereinbart. ....

VII. In der Miete ist auch das Entgelt für die Benützung jener Einrichtungsgegenstände des Verkaufsgeschäftes inbegriffen, die laut der im Anhang zu diesem Vertrag beigehefteten Liste festgehalten sind. Es handelt sich hier um Warenregale, Kühltruhe, Kühleinrichtungen und dergleichen. Der K*** Wien

steht das Recht zu, im Laufe der Bestandzeit solche Regale auszutauschen und steht ihr auch das Recht zu, jederzeit zu erklären, daß sie diese Inventargegenstände käuflich erwirbt und zwar zu dem jeweiligen Verkehrswert. In diesem Fall ändert sich jedoch nicht die Höhe des vereinbarten Bestandzinses."

Mit der vorliegenden, am 21. Mai 1987 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Räumung der Bestandräumlichkeiten durch die beklagte Partei wegen vertragswidrigen Gebrauches, Nichtzahlung des Mietzinses und Wegfalles der Geschäftsgrundlage und führt hiezu aus:

Der Jahresumsatz sei seit dem Jahre 1976 von damals rund 22,2 Mio S bis zum Jahre 1986 auf rund 11,3 Mio S und damit auch der jährliche Bestandzins von 223.000 S auf rund 114.000 S zurückgegangen; daraus allein schon gehe hervor, daß die beklagte Partei die vertragliche Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung eines K***-Marktes verletzt hat. Im Jahre 1986 habe sich der monatliche Umsatz im Geschäft der Beklagten folgendermaßen entwickelt:

Jänner S 1,266.847

Februar S 1,220.546

März S 1,185.619

April S 1,232.128

Mai S 1,222.988

Juni S 1,063.009

Juli S 936.170

August S 891.466

September S 348.875

Oktober S 588.847

November S 620.736

Dezember S 785.961

Mit Schreiben der beklagten Partei vom 19. Februar 1987 sei der Klägerin mitgeteilt worden, daß sich die monatlichen Umsätze im Jahre 1987 in der "auf Diskontbetrieb umgestellten Filiale" auf nicht mehr als 700.000 S belaufen und das monatliche Mietzins-Akonto daher nur noch 7.000 S betragen werde. Diese Umstellung auf Diskontbetrieb und die Änderung der Bezeichnung K***-Markt auf "C***-Diskont" sei im Oktober 1986 erfolgt und habe zur Folge gehabt, daß von bisher 4.500 Artikeln nur mehr 500 Artikeln angeboten werden, woraus sich der Umsatzeinbruch erkläre. Tatsächlich sei für das 445 m2 große Geschäftslokal zuzüglich 800 m2 Lagerfläche ein monatlicher Mietzins von 69.000 S angemessen und marktüblich. Aus der Vereinbarung einer Umsatzmiete und der Führung eines K***-Marktes ergebe sich für den Bestandnehmer eine entsprechende Betriebspflicht - den Parteien sei es nach dem Inhalt des Vertrages in Wahrheit um die Fortführung des in diesen Räumlichkeiten betriebenen Geschäftes gegangen, so daß ein Pachtvertrag vorliege -, welcher die beklagte Partei nach der Entwicklung der Umsatzziffern nur mangelhaft nachgekommen sei. Insbesondere führe sie nicht mehr ein dem Markt entsprechendes umfangreiches Angebot z.B. an Lebensmittelfrischwaren usw., so daß sie eben der Betriebspflicht im Umfange eines Marktes überhaupt nicht mehr nachkomme. Durch die Aufnahme eines Diskontbetriebes erspare sie sich einen wesentlichen Teil des Bestandzinses und habe geringe Umschlags- und Personalkosten, verschaffe sich also auf Kosten der Klägerin eine Ertragsverbesserung. Der Klägerin entstehe durch den vertragswidrigen Gebrauch ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil, weil sie statt des marktüblichen Bestandzinses von 69.000 S nur noch einen solchen von 7.500 S bekomme. Sowohl die mangelhafte Betriebsführung als auch "die gänzliche Unterlassung der Betriebspflicht" stellten einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandgegenstandes gemäß § 1118 ABGB dar. Da der Kündigungsverzicht des Punktes V das Auflösungsrecht nach § 1118 ABGB nicht berühre und überdies durch die angeführten, nicht vorhersehbaren Umstände die Geschäftsgrundlage weggefallen sei und eine grobe Äquivalenzstörung vorliege, werde die Auflösung des mit der beklagten Partei bestehenden Bestandverhältnisses erklärt und die Räumung des Bestandgegenstandes begehrt.

Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung. Sie brachte vor, es seien ihr ausschließlich Geschäftsräume und Einrichtungsgegenstände zur Benützung überlassen worden, so daß - wie dies aus dem schriftlichen Bestandvertrag hervorgehe - ein Mietvertrag vorliege. Der Umsatzrückgang sei keineswegs auf eine schlechte Führung des Betriebes zurückzuführen, sondern auf die mittlerweile beträchtlich veränderte Marktsituation, die vor allem durch eine enorme Konkurrenzsteigerung hervorgerufen worden sei. Diese veränderte Situation habe die beklagte Partei auch zur Umstellung des Geschäftsbetriebes auf einen Diskontbetrieb bewogen. Seit dieser Umstellung sei wieder eine merkliche Umsatzsteigerung zu verzeichnen. Unter dem Begriff "Markt" sei, wie dies auch die Klägerin vorbringe, ein Geschäft zu verstehen, in dem die wesentlichen, zur Lebensführung erforderlichen Waren, insbesondere Lebensmittel im engeren Sinn, angeboten würden. Genau dies sei jedoch nach wie vor der Fall, denn im nunmehrigen Diskontbetrieb seien nicht nur alle Frischwaren erhältlich, sondern es könne auch der tägliche Bedarf an Lebensmitteln zumindest zu 90 % - also im selben Ausmaß wie früher - gedeckt werden. Die Umstellung auf Diskontbetrieb bedeute nichts anderes als eine Einschränkung des Sortiments hinsichtlich der Breite, also der Anzahl der Marken, keineswegs aber der Art der Waren. Die Änderung der Geschäftsbezeichnung sei ausschließlich aus unternehmenspolitischen Gründen erfolgt. Es liege somit weder eine mangelhafte Betriebsführung noch ein vertragswidriger Gebrauch durch die beklagte Partei vor.

Das Erstgericht wies die Klage auf der Grundlage des beiderseitigen Parteivorbringens und des Inhaltes des Bestandvertrages ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß keine Unternehmenspacht vorliege, weil diese voraussetze, daß der Schwerpunkt nicht in der Überlassung der Geschäftsräumlichkeiten gelegen sei, sondern daß es sich um die Überlassung und den Fortbetrieb eines lebenden Unternehmens handle. Vorliegendenfalls habe die beklagte Partei weder Warenlager noch Angestellte übernommen, die Gewerbeberechtigung nicht gepachtet und auch eine Konkurrenzklausel sei nicht vereinbart worden. In den Vereinbarungen sei vorgesehen, daß David S*** das unter der Bezeichnung "Lux-Markt" betriebene Unternehmen sperre und die Gewerbeberechtigung zurücklege und daß die beklagte Partei unter der Bezeichnung K***-Markt einen Geschäftsbetrieb eröffne. Dem immateriellen Unternehmensbestandteil, also dem good-will des Unternehmens des David S***, sei in den vertraglichen Vereinbarungen überhaupt keine Bedeutung zugekommen; andernfalls wäre die Bezeichnung "Lux-Markt" beibehalten worden. Der beklagten Partei sei es vielmehr darauf angekommen, das Unternehmen unter ihrer Bezeichnung "K***-Markt" zu führen. Der Vertrag sei auf 30 Jahre unkündbar geschlossen und dem Vermieter die Möglichkeit der Auflösung des Mietvertrages bei Nichtbezahlung des Mietzinses eingeräumt worden. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände ergebe sich, daß die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung als Mietvertrag zu qualifizieren sei. Dem Rechtsvorgänger der Klägerin sei allein die Sicherung der regelmäßigen Mietzinszahlung durch die beklagte Partei wesentlich gewesen und in diesem Lichte müsse auch die Vereinbarung der Umsatzmiete gesehen werden. Aus der Vereinbarung eines umsatzabhängigen Mietzinses könne eine Betriebspflicht, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes mit einem bestimmten Warenangebot verpflichte, nicht abgeleitet werden. Es wäre Sache des Vermieters gewesen, sich durch die Vereinbarung einer entsprechenden Mindestzahlung an Mietzins gegen etwaige Umsatzrückgänge abzusichern. Auch der behauptete Fortfall der Geschäftsgrundlage sei zu verneinen, denn auf die Änderung der Sachlage könne sich eine Partei nicht berufen, wenn diese Änderung vorhersehbar gewesen sei, was hinsichtlich während eines längeren Zeitraumes schwankender Umsatzziffern der Fall sei. Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 300.000 S übersteige. In seiner Entscheidungsbegründung verwies es darauf, daß Gegenstand einer Unternehmenspacht im Regelfall ein bereits bestehendes Unternehmen sei, und führte sodann die von der Rechtsprechung als für eine solche Qualifizierung maßgeblich erkannten Kriterien an. Bei der diesbezüglichen Auslegung des Bestandvertrages sei dieser zwar in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen, vorliegendenfalls könne aber keinesfalls übersehen werden, daß die Vertragsparteien im Vertragstext selbst einvernehmlich feststellten, daß in keiner Weise der Übergang eines Unternehmens vorliege und mit diesem Rechtsgeschäft lediglich die oben bezeichneten Räume in Bestand gegeben wurden, und vereinbarten, daß der Rechtsvorgänger der Klägerin sein bisheriges Geschäft sperren und die Gewerbeberechtigung zurücklegen werde und die beklagte Partei in den Bestandräumlichkeiten einen K***-Markt auf Grund eigener Gewerbeberechtigung errichten werde. Bei der Behauptung, die Form eines Mietvertrages dürfte lediglich gewählt worden sein, um die Unternehmenserwerberhaftung nach § 1409 ABGB auszuschließen, handle es sich um eine irrelevante Vermutung und nicht um eine unter Beweis gestellte Behauptung. Punkt XII des Vertrages enthalte den Verzicht der Vertragsparteien auf Anfechtung des Vertrages wegen laesio enormis, Irrtum und Zwang oder Irreführung. Sehe man den Vertragstext als Einheit, so könne aus den Punkten III und VI eine Betriebspflicht nicht abgeleitet werden. Eine solche ergebe sich lediglich indirekt daraus, daß eine vom Umsatz abhängige Miete vereinbart worden sei. In der Entscheidung MietSlg 32.162/23 sei aber dargelegt worden, daß selbst bei ausdrücklich vereinbarter Betriebspflicht und einer Umsatzbeteiligung des Vermieters ein Pachtvertrag nicht vorliegen müsse. Von einer "weitgehenden Identität des Unternehmens" könne unter den gegebenen Umständen hier nicht gesprochen werden. Punkt III des Vertrages stelle im Gesamtzusammenhang nicht darauf ab, daß die beklagte Partei verpflichtet sein sollte, im Bestandobjekt einen konkret als solchen bezeichneten "K***-Markt" zu betreiben, sondern darauf, daß die beklagte Partei nicht den dort vorher bestehenden "Lux-Markt" übernehme und ein von diesem unabhängiges neues Geschäft unter einer anderen Bezeichnung eröffnen werde. Gleiches gelte für Punkt VI. Durch die Umstellung auf Diskontbetrieb werde auch die auf Grund der Vereinbarung einer Umsatzmiete anzunehmende Betriebspflicht nicht verletzt. Betrachte man nämlich die außer Streit gestellte Umsatzentwicklung der Jahre 1976 bis 1986, so sei ein im wesentlichen kontinuierlicher Rückgang des Jahresumsatzes von rund 22,3 Mio S auf 11,4 Mio S festzustellen. Den Vertragsparteien sei es freigestanden, im Rahmen der Umsatzmiete auch eine Mindestmiete zu vereinbaren, durch die Vereinbarung bloß einer Umsatzmiete sei aber ein deutliches aleatorisches Element in den Vertrag aufgenommen worden. Der behauptete Auflösungsgrund des § 1118, 1. Fall, ABGB sei nicht gegeben, weil ein nachteiliger Gebrauch nicht in einer Benützung liege, zu der der Bestandnehmer berechtigt sei, auch wenn sie dem Bestandgeber Nachteile bringe. Zwar liege ein erheblicher Nachteil in jeder erheblichen Verletzung wichtiger ideeller oder wirtschaftlicher Interessen des Bestandgebers, dabei komme es aber immer auf die Umstände des Einzelfalles in ihrer Gesamtheit an. Berücksichtige man, daß die Parteien ohne Festlegung einer Unter- oder Obergrenze einen nur vom Umsatz abhängigen Mietzins vereinbarten, so könne die negative Umsatzentwicklung für sich allein keinen erheblichen Nachteil darstellen, wenn diese nicht auf konkrete Unterlassungen des Bestandnehmers zurückzuführen sei. Was den behaupteten Fortfall der Geschäftsgrundlage anlange, so sei darauf zu verweisen, daß die Erzielung eines bestimmten wirtschaftlichen Erfolges keineswegs stets und von jedermann über ein zu errichtendes Geschäft zugrundegelegt werde. Ein derartiger Erfolg bilde daher keine geschäftstypische Voraussetzung, dessen Wegfall von den Vertragspflichten befreie. Darüber hinaus könne sich auch auf die Änderung einer typischen Geschäftsgrundlage eine Partei nicht berufen, wenn diese Änderung habe vorhergesehen werden können. Da die Klägerin nicht behauptet habe, welche Umsätze in den Jahren ab Vertragsabschluß 1970 bis 1975 erzielt worden seien, könne überdies gar nicht gesagt werden, welchen Umsatz die seinerzeitigen Vertragsparteien ins Auge gefaßt hätten. Somit könne auch nicht von einem vereinbarten "Geschäftsumfang" ausgegangen werden. Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, mit dem Antrage, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin führt aus: Anlaß und wesentlicher Rechtsgrund für die Klage sei der Entschluß der beklagten Partei gewesen, ihr Sortiment von rund 2.500 auf 950 oder, wie dem Klagevertreter mitgeteilt worden sei, von 4.500 auf 500 Artikeln, zu reduzieren. Gehe man von den Umsatzziffern des ersten Halbjahres 1986 aus, welches noch nicht von der Umstellung auf "C***-Diskontbetrieb" und der mit der Vorbereitung verbundenen teilweisen Geschäftsschließung im September 1986 beeinflußt gewesen sei, ergebe sich in der Zeit vor der Umstellung ein durchschnittlicher Monatsumsatz von 1,2 Mio S mit einem Monatsmietzins von 12.000 S, dem nun nach Einführung des Diskontbetriebes der Monatsmietzins von 7.000 S gegenüberstehe. Somit habe die beklagte Partei eine Maßnahme gesetzt, mit welcher sie absichtlich erreiche, daß sich der bisherige Mietzins fast auf die Hälfte verringere. Hierin liege eine von den Vorinstanzen zu Unrecht verneinte Vertragswidrigkeit. Gleichgültig, ob das Bestandverhältnis als Miet- oder Pachtvertrag qualifiziert werde, orientiere sich der Bestandzins an den Marktverhältnissen und der jeweiligen Branche. Beim Lebensmittelhandel mit niedrigen Spannen werde von den Vertragspartnern ein hoher Umsatz und daher ein kleiner Umsatzprozentsatz als Miete zugrundegelegt. Bei Unwirtschaftlichkeit des Betriebes habe die beklagte Partei die Möglichkeit der Betriebseinstellung und der einvernehmlichen Auflösung des Mietvertrages. Der berufungsgerichtlichen Ansicht, daß die Betriebspflicht durch die "Umstellung auf Diskontbetrieb" nicht verletzt werde, da ein kontinuierlicher Umsatzrückgang vorliege, müsse entgegnet werden, daß die beklagte Partei diesen für die Branche ganz atypischen Umsatzrückgang durch eine Verletzung der Betriebsführungspflicht herbeigeführt habe und daß dieser Umsatzrückgang nicht zum Anlaß für eine Halbierung des Mietzinses genommen werden dürfe. Die Pflicht zur Führung eines K***-"Marktes" bedeute, daß in dieser Filiale das in Lebensmittelsupermärkten üblicherweise vorhandene und erwartete Warensortiment angeboten werden müsse, denn bei Vertragsabschluß sei von den Vertragsparteien ein dementsprechender Umsatz ins Auge gefaßt worden. Eine wesentliche Umsatzverbesserung werde selbst von der beklagten Partei nicht erwartet, die ja die Mietzinsvorauszahlungen einseitig herabgesetzt habe. Selbst bei Vereinbarung einer Mindestmiete treffe den Mieter die Pflicht zur Führung des Betriebes im vereinbarten Umfang. Diese Pflicht habe die beklagte Partei seit dem Jahre 1976 verletzt, denn die Umsätze seien trotz eines um 50 % gestiegenen Kleinhandelsindex ständig gefallen. Die berufungsgerichtliche Annahme, der Umsatzrückgang könne auch auf die Konkurrenzsituation und innerbetriebliche Umstände zurückgehen, entbehre eines entsprechenden Beweisergebnisses. Im Verhalten der beklagten Partei liege ein vertragswidriger Gebrauch des Bestandgegenstandes, weil er die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin wesentlich beeinträchtige und eine Säumnis mit der Bezahlung des vereinbarten Mietzinses, so daß die vorzeitige Auflösung des Vertrages gemäß § 1118 ABGB berechtigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Revisionswerberin, beim vorliegenden Bestandverhältnis handle es sich um eine Unternehmenspacht. Dagegen spricht schon der klare Inhalt der Punkte III, VII und VIII des auch als Mietvertrag überschriebenen Bestandvertrages. Die Vorinstanzen haben die für die Abgrenzung eines Mietverhältnisses von einem Pachtverhältnis nach der Rechtsprechung maßgebenden Kriterien richtig dargestellt und das vorliegende Bestandverhältnis danach mit Recht als Mietverhältnis qualifiziert. Die von den Vertragsparteien vereinbarte Zahlung einer ausschließlich am Umsatz des K*** bemessenen sogenannten Umsatzmiete ändert daran nichts (vgl. SZ 26/242;

MietSlg 32.262/23). Aus dieser Vereinbarung folgt auch keine Betriebsführungspflicht der beklagten Partei, wohl aber die Verpflichtung zur Bezahlung des Mietzinses, wie er nach dem vorliegenden Vertrag jeweils geschuldet wird (vgl. NJW 1979, 2351 f). Mangels gegenteiliger Vereinbarung und Anhaltspunkte ist bei der Auslegung des Vertrages nach der Übung des redlichen Verkehrs und im Hinblick auf den wirtschaftlichen Zweck des Vertrages (vgl. EvBl 1987/176) der Umstand zugrunde zu legen, daß die Vertragspartner die Höhe der Gegenleistung für die Benützung der Bestandräumlichkeiten nicht der völligen Willkür des Mieters anheimstellten, sondern grundsätzlich den Umsatz als Maßstab ins Auge faßten, der bei branchenüblichem Betrieb des Unternehmens am gegebenen Standort entsprechend der jeweiligen allgemeinen Wirtschaftslage unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen mittleren Intensität unternehmerischen Einsatzes erzielbar ist und zu erwarten war. Von einem solcherart nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu ermittelnden Mietzinsmaß wird zunächst einmal auszugehen sein. Eine ins Gewicht fallende Umsatzverminderung durch Maßnahmen des Mieters, die einer derartigen Betriebsführung widersprechen und damit eine vertragswidrige wesentliche Schmälerung des in Form der Umsatzmiete vereinbarten Entgeltes muß der Vermieter nicht hinnehmen. Es wird Sache des Mieters sein, darzulegen und zu beweisen, daß er aus besonderen, außerhalb seines Ingerenzbereiches gelegenen Gründen, nicht imstande war, den danach zu erwartenden Umsatz zu erzielen. Sonst kann der Vermeiter den nach dem Vertrag zu erwartenden Mietzins verlangen und mangels Zahlung unter den Voraussetzungen des § 1118 ABGB die Aufhebung des Vertrages fordern. Die Lösungsmöglichkeit nach § 1118 ABGB wegen Nichtzahlung des Bestandzinses hat sich hier der Vermieter in Punkt V des Bestandvertrages auch ausdrücklich vorbehalten.

Ob die Klägerin als nunmehrige Vermieterin den dem Vertrag

entsprechenden Mietzins begehrt und mangels Zahlung eingemahnt und

solcherart im Sinne der vorliegenden Räumungsklage die

Voraussetzungen für die Vertragsauflösung nach § 1118 ABGB

geschaffen hat, steht jedoch nicht fest. Diesbezügliche

Anhaltspunkte ergeben sich allerdings aus dem Klagevorbringen, so

daß es in dieser Richtung einer Klarstellung im Rahmen der vom

Erstgericht gemäß den §§ 180 Abs 3 und 182 Abs 1 ZPO auszuübenden

materiellrechtlichen Prozeßleitungspflicht bedarf.

Bei einer dem § 1118 ABGB entsprechenden Fälligstellung und

Einmahnung des nach Behauptung der Klägerin dem Vertrag

entsprechenden Bestandzinses und Bestreitung seiner Angemessenheit

durch die beklagte Partei wäre sodann der nach dem Vertrage im Sinne

der oben angeführten Erwägungen tatsächlich geschuldete Mietzins,

auf Grund einzuholender betriebswirtschaftlicher

Sachverständigengutachten Handelskammerauskünfte usw. festzustellen.

Im Falle eines Mietzinsrückstandes der beklagten Partei müßte sodann weiters die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes auf das vorliegende Bestandverhältnis geprüft und bejahendenfalls im Sinne des § 33 Abs 3 MRG vorgegangen werden.

Da erst auf der im Sinne der vorstehenden Ausführungen erweiterten Sachverhaltsgrundlage eine abschließende Beurteilung der Rechtssache möglich ist, war dem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag der Revisionswerberin stattzugeben, die Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile auszusprechen und dem Erstgericht die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufzutragen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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