OGH 6Ob722/89

OGH6Ob722/8930.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Caroline G***, geboren am 14. November 1978, infolge Revisionsrekurses des Vaters Kurt G***, Kaufmann, Rechte Wienzeile 39/1/18, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Erich Heiger, Dr. Helmut Heiger, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Juni 1989, GZ 47 R 261, 262/89-144, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Purkersdorf vom 16. Februar 1989, GZ P 99/85-121, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Eltern der unehelich geborenen Minderjährigen lebten durch längere Zeit hindurch in Lebensgemeinschaft, der Vater gab dem Kind seinen Namen, die Mutter wurde zur Vormünderin bestellt. Ende 1983 wurde die Lebensgemeinschaft beendet. Die Mutter wohnte mit der Minderjährigen zunächst in Wien und wohnt seit Juli 1984 bei Peter P***, mit dem sie am 15.5.1985 die Ehe schloß, in dessen Haus in Preßbaum. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Erwin S*** ist das Kind beiden Elternteilen zugetan und leidet unter deren Zwistigkeiten. Anträge des Vaters, ihn zum Vormund zu bestellen, wurden abgewiesen.

Die Mutter hatte die Absicht, das Kind, das eine Volksschule im

14. Wiener Gemeindebezirk besucht hatte, die AHS des Sacre Coeur in Preßbaum besuchen zu lassen. Der Vater wollte hingegen, daß die Minderjährige die AHS in Wien 7., Kenyongasse besucht, und stellte den Antrag, "diese Anregung gemäß § 178 ABGB einer Überprüfung zu unterziehen" (ON 77). Das Erstgericht zog den Sachverständigen Dr. Erwin S*** bei, der sich in seinem schriftlichen Gutachten vom 1.7.1988 (ON 89) dafür aussprach, die Minderjährige zunächst für ein Jahr die Schule in der Kenyongasse besuchen zu lassen. Bei der Tagsatzung vom 4.10.1988 (ON 107) erklärte der Sachverständige, im Hinblick auf die faktische Einschulung im Sacre Coeur wäre es "dem Kind nicht zumutbar, jetzt dort auszusteigen und in die Kenyongasse einzutreten", weil dies auch für die Aufnahme in die Klassengemeinschaft in der Kenyongasse Probleme ergäbe. Aufgrund der rein faktischen Situation spräche jetzt alles dafür und werde vom Sachverständigen auch befürwortet, daß das Kind weiterhin im Sacre Coeur zur Schule gehe. Falls das Kind sich in dieser Schule wohl fühle und gute Schulfortschritte mache, würde alles dafür sprechen, daß es dort weiter hingehe und keinen Schulwechsel vornehme. Ohne entsprechende Indikation sei ein Schulwechsel für ein Kind nicht sinnvoll. "Ein entsprechender Anlaß wäre allenfalls die Entwicklung von Neurosesymptomen bei dem Kind oder Zeichen einer Verunsicherung oder Angstzustände und ein diesbezügliches massives Sich-Wenden, beispielsweise an den Vater."

Das Halbjahreszeugnis der Minderjährigen im Sacre Coeur ist als gut zu bezeichnen.

Der Vater vertrat weiterhin die Ansicht, das Kind solle in die Schule in der Kenyongasse wechseln.

Mit Punkt 1 seines Beschlusses vom 16.2.1989 bestellte das Erstgericht Dr. Werner S*** zum Sachverständigen für Jugendpsychologie und beauftragte ihn unter anderem, Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob der Schulbesuch der minderjährigen Caroline am Sacre Coeur in Preßbaum aufgrund der Entscheidung der Mutter - entgegen der Empfehlung des Sachverständigen Dr. S*** (ON 89) eines solchen in der Kenyongasse in Wien zur Aufrechterhaltung umfangreicher Kontaktmöglichkeiten des Kindes mit dem Vater wie bisher in der Vergangenheit - dem Wohl des Kindes entsprochen hat bzw. entspricht, oder "ob im Sinne des Wohles des Kindes (§ 176 Abs 1 bis 3 ABGB) ein Schulwechsel in die Kenyongasse mit Beginn der 2. AHS erforderlich erscheint".

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes hinsichtlich dieses an den Sachverständigen erteilten Auftrages ersatzlos auf. Es führte hiezu aus, zu Recht wende sich die Mutter dagegen, daß zur Frage des Schulbesuches bzw. Schulwechsels des Kindes nach den bisher bereits erfolgten Erhebungen nochmals ein Sachverständiger für Jugendpsychologie bestellt worden sei. Angesichts des Umstandes, daß die Mutter Vormünderin der Minderjährigen sei, sie daher grundsätzlich berechtigt sei, die Entscheidung über den Schulbesuch des Kindes zu treffen, sei dem Äußerungsrecht des Vaters durch die bisherigen Maßnahmen bereits ausreichend Rechnung getragen worden. Dafür, daß die Entscheidung der Mutter, das Kind nicht in Wien, sondern in das in relativer Nähe zum Wohnort des Kindes gelegene Sacre Coeur in Preßbaum in die Mittelschule zu schicken, eine Gefährdung des Kindeswohles bedeuten könnte oder auch nur überwiegende Gründe des Kindeswohles dagegen sprächen, fänden sich nicht die mindesten Anhaltspunkte. Vielmehr wäre, wie den unbedenklichen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Erwin S*** anläßlich seiner

Einvernahme am 4.10.1988 zu entnehmen sei, es dem Kind nicht zumutbar, jetzt einen Schulwechsel durchzuführen. Ein Schulwechsel unter den derzeitigen Umständen könnte keinesfalls im Interesse des Kindes gelegen sein. Er widerspräche vielmehr geradezu dem Wohl des Kindes. Durch die bisher durchgeführten Erhebungen sei die Frage des Schulbesuches bereits ausreichend geprüft worden. Weitere Erhebungen dazu, insbesondere auch die Beiziehung eines Sachverständigen erschienen unter diesem Gesichtspunkt absolut entbehrlich. Daß der vom Vater so vehement angestrebte Schulbesuch des Kindes in Wien vornehmlich der Ermöglichung der von ihm erwünschten überdurchschnittlich häufigen Kontakte zu seiner Tochter dienen solle, sei nicht zu übersehen. Dies könne aber keinen Grund für einen Schulwechsel darstellen.

Der Vater bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragt die Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung EFSlg 40.929 ausgesprochen, daß die Wahl der Schule, die das Kind besuchen solle, ausschließlich dem Elternteil obliegt, dem die elterlichen Rechte und Pflichten zuerkannt worden sind (vgl. auch EFSlg 47.230). Beim unehelichen Kind war die Wahl der Schule Sache der unehelichen Mutter, die zum Vormund bestellt worden war. Seit Inkrafttreten des Kindschaftsrecht-Änderungsgesetzes vom 15.März 1989, BGBl. Nr. 162, ist es die Mutter, der gemäß § 166 ABGB die Obsorge für das Kind allein obliegt. Wohl wurde in EFSlg 48.465 ausgesprochen, daß auch Fragen der Schulausbildung zu den wichtigen Fragen gehören können, zu denen der nicht erziehungsberechtigte Elternteil das Recht hat, sich zu äußern, wobei das Gericht diese Äußerung zu beachten hat, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl des Kindes besser entspricht. Dem trug das Erstgericht aber ohnedies insoferne Rechnung, als es die Minderjährige zum Schulbesuch befragte (ON 83 und 98), das Gutachten des Sachverständigen Dr. Erwin S*** einholte und den Parteien Gelegenheit gab, den Sachverständigen in einer Tagsatzung ergänzend zu befragen. Da der Besuch des Sacre Coeur dem Wunsch der Minderjährigen nicht widerspricht, der Sachverständige in seiner mündlichen Ergänzung des Gutachtens einen weiteren Besuch dieser Schule befürwortete und das Halbjahreszeugnis im Sacre Coeur als gut zu bezeichnen ist, besteht keinerlei Anlaß, zu diesem Thema weitere Erhebungen durchzuführen.

Gewiß könnten neue Umstände eine neuerliche Überprüfung erfordern. Derartige Umstände wurden jedoch nicht behauptet. Der Revisionsrekurswerber vertritt zwar die Ansicht, das Halbjahreszeugnis sei nicht besonders günstig ausgefallen, dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß in der Schulnachricht vom 10.2.1989 keine schlechtere Note als B*** enthalten ist (ON 127). Richtig ist, daß der Vater im Schriftsatz vom 27.1.1989 (ON 119) vorbrachte, die Mutter beeinträchtige aufgrund ihres "phasenweise herrschsüchtigen und selbstsüchtigen Verhaltens" das Wohl des Kindes erheblich. Früher sei das Kind eine "selbstsichere und patente Persönlichkeit" gewesen, nunmehr werde ihm von der Mutter ständig eine Meinung aufgezwungen, respektive dürfe es keine eigene Meinung haben. Die Mutter schüchtere das Kind ein und bedrohe es teilweise auch. Durch dieses Verhalten sei die Minderjährige mittlerweile unsicher, fallweise verstört und eingeschüchtert. Der Vater müsse fallweise feststellen, daß seine Tochter ängstlich, unsicher und wenig selbstbewußt sei und sich erst bei seiner Anwesenheit mit der Zeit erhole. Im Revisionsrekurs meint der Vater, dies seien genau die Indikationen, welche der Sachverständige in seinem mündlichen Gutachten aufgezeigt habe, aufgrund welcher eine Überprüfung des aktuellen Schulbesuches stattfinden sollte.

Diese Ausführungen sind nicht zielführend. Der Vater behauptet selbst nicht, daß der Besuch des Sacre Coeur, das sich in der Nähe des Wohnortes der Minderjährigen befindet, irgendwelche Nachteile für das Kind mit sich bringt und ein Wechsel in die AHS in der Kenyongasse vorteilhafter wäre. Was der Vater anstrebt, ist ganz offensichtlich, bei einem Schulbesuch in Wien durch vermehrte Kontakte einen größeren Einfluß auf seine Tochter ausüben zu können. Die Ausführungen im Revisionsrekurs zeigen ebenso wie die zahlreichen Eingaben im Pflegschaftsakt, daß der Vater nicht zur Kenntnis nehmen will, daß die Mutter, die nach der früheren Rechtslage zur Vormünderin bestellt war, und der nun gemäß § 166 ABGB die Obsorge für das Kind allein zukommt, das Kind zu erziehen und die Schule auszuwählen hat.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte