Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Kläger erhob am 1. September 1988 gegen die Beklagte die Klage auf Zahlung des restlichen Werklohnes für eine am Haus Schilfschneiderweg 27 in Neusiedl am See ausgeführte Dacheindeckung und gab als Wohnort iSd § 75 Z 1 ZPO diese Anschrift an. Das Erstgericht beraumte eine erste Tagsatzung (§ 230 Abs. 1 und § 231 Abs. 1 ZPO) für den 28. September 1988 an. Die an die Beklagte unter der angegebenen Anschrift gerichtete Sendung mit der Ladung zur ersten Tagsatzung und der Ausfertigung der Klage wurde vom Postzusteller beim Postamt Neusiedl am See am 8. September 1988 hinterlegt, weil er die Empfängerin weder beim ersten Zustellversuch am Vortga noch beim zweiten Zustellversuch angetroffen hatte. Die Beklagte behob die Sendung am 9. September 1988 beim Postamt Neusiedl am See. Da die Beklagte die erste Tagsatzung versäumte, erkannte das Erstgericht am 28. September 1988 auf Antrag des Klägers durch stattgebendes Versäumungsurteil. Die für die Beklagte bestimmte Ausfertigung des Versäumungsurteils wurde erst am 4. November 1988 abgefertigt. Sie Sendung mit dieser Ausfertigung wurde vom Postamt Neusiedl am See auf Grund eines Nachsendeauftrages der Beklagten nach 1060 Wien, Meravigliagasse 1/19, nachgesendet und vom Postamt 1060 Wien am 9. November 1988 dem Gericht mit dem Vermerk zurückgestellt, daß die Empfängerin diese Abgabestelle unregelmäßig benütze. Auf dem Umschlag war die Anschrift der Beklagten mit "1060 Wien, Meravigliagasse 1" notiert. Die Beklagte hatte nämlich, weil sie sich nur im Sommer in dem Haus am See aufhält, am 11. Oktober 1988 einen Nachsendeantrag für die Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 30. Juni 1989 an ihren Hauptwohnsitz in Wien gestellt. Nach Rücklangen der Sendung verfügte das Erstgericht die neuerliche Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch (§ 8 Abs. 2 und § 23 ZustG). Die Sendung mit der Ausfertigung des Versäumungsurteiles wurde am 14. November 1988 beim Postamt Neusiedl am See hinterlegt und zur Abholung bereit gehalten, jedoch nicht behoben. Am 1. Dezember 1988 langte die Sendung wieder beim Gericht ein. Die Ausfertigung des Versäumungsurteiles wurde der Beklagten erst am 29. Mai 1989 durch Übermittlung an ihren Prozeßbevollmächtigten ausgehändigt.
Die am 16. Dezember 1988 erteilte Rechtskraftbestätigung hob das Gericht auf Antrag der Beklagten am 16. Mai 1989 auf, weil sie nach dem Ergebnis der vorgenommenen Erhebungen gesetzwidrig erteilt worden sei. Die Beklagte halte sich nur im Sommer in Neusiedl am See auf und habe seit September 1988 schon in Wien gewohnt. Die Beklagte erhob am 5. Juni 1989 gegen das Versäumungsurteil Berufung wegen Nichtigkeit und Widerspruch.
Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung, weil allfällige Mängel bei der Zustellung der Ladung zur ersten Tagsatzung, die der Beklagten am 9. September 1988 tatsächlich zukam, nach § 7 ZustG geheilt seien. Es komme daher nicht darauf an, ob der Zweitwohnsitz der Beklagten eine geeignete Abgabestelle gewesen sei.
Das Erstgericht wies nun den Widerspruch der Beklagten gegen das Versäumungsurteil als verspätet zurück. Es vertrat den Standpunkt, inzwischen habe sich ergeben, daß die Beklagte die Ladung zur ersten Tagsatzung in Empfang genommen und daher vom Verfahren Kenntnis gehabt habe, und daß nun doch die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch am 14. November 1988 wirksam gewesen sei. Der erst am 5. Juni 1989 erhobene Widerspruch sei nach Ablauf der vierzehntägigen Frist erhoben.
Das Rekursgericht hob diesen Zurückweisungsbeschluß über den Rekurs der Beklagten auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über den Widerspruch gegen das Versäumungsurteil auf. Das Rekursgericht meinte, infolge der Rechtskraft des Beschlusses vom 16. Mai 1989, womit die Vollstreckbarkeitsbestätigung aufgehoben wurde, sei bindend davon auszugehen, daß die frühere Zustellung des Versäumungsurteiles wirkungslos war und die wirksame Zustellung erst am 29. Mai 1989 erfolgte. Der Widerspruch sei daher rechtzeitig erhoben.
Rechtliche Beurteilung
Diesen in Wahrheit abändernden Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz (vgl. Fasching ZPR Rz 2018; SZ 7/17; JBl. 1960, 302, SZ 41/180 uva.) bekämpft der Kläger mit seinem Revisionsrekurs, in welchem er geltend macht, eine erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechtes sei unrichtig gelöst, weil nicht schon wegen der auf einer anderen Sachverhaltsgrundlage ergangenen Entscheidung über den Antrag der Beklagten auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles die Versäumung der Widerspruchsfrist verneint werden könne. Die Beklagte habe vom Verfahren Kenntnis gehabt und es unterlassen, die Änderung ihrer Abgabestelle dem Gericht mitzuteilen. Die Zustellung ohne vorausgehenden Zustellversuch sei daher zulässig und wirksam erfolgt. Das Versäumungsurteil sei rechtskräftig.
Das Rekursgericht hat nicht ausgesprochen, ob der Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung zulässig ist. Der Anfechtung des rekursgerichtlichen Beschlusses steht § 397 a Abs. 3 ZPO nicht entgegen, weil nur der Beschluß, mit dem das Versäumungsurteil infolge eines Widerspruches aufgehoben wird, keinem Rechtszug unterliegt, nicht aber die Ablehnung der Zurückweisung des Widerspruches (RZ 1981/51; SZ 56/191; SZ 57/141; EvBl. 1985/171).
Da überdies die Voraussetzungen nach dem § 528 Abs. 2 und dem § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO in der nach Art. LXI Z 5 WGN 1989 noch anzuwendenden alten Fassung vorliegen, hindert die Unterlassung des Ausspruches nicht die Behandlung des ohnedies auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage gestützten Revisionsrekurses des Klägers.
Das Rechtsmittel ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes kann die Rechtzeitigkeit der Erhebung des Widerspruches gegen das Versäumungsurteil nicht mit der Bindungswirkung des Beschlusses über die Aufhebung der Vollstreckbarkeit begründet werden. Die Wirkung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit erstreckt sich nur auf ein vom Titelgericht verschiedenes Bewilligungsgericht. Daher trifft auch die Aufhebung der Bestätigung nur das Exekutionsverfahren, hindert aber nicht die Annahme, daß eine Zustellung ordnungsgemäß erfolgte und ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf daher verspätet erhoben wurde, wenngleich die erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigung mit der gegenteiligen Begründung rechtskräftig aufgehoben worden war (Heller-Berger-Stix 212).
Die vom Erstgericht am 10. November 1988 verfügte und am 14. November 1988 erfolgte Zustellung durch Hinterlegung beim Postamt 7100 Neusiedl am See ohne vorausgehenden Zustellversuch (§ 8 Abs. 2 und § 23 ZustG) war schon deshalb nicht gesetzmäßig, weil die Voraussetzung fehlte, daß eine neue Abgabestelle, also etwa die Wohnung oder sonstige Unterkunft oder der Arbeitsplatz (§ 4 ZustG), nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden konnte. Schon aus der Nachsendung des Schriftstückes am 7. November 1988 an den auch der Gemeinde bekannten (ON 6) Hauptwohnsitz in 1060 Wien, Meravigliagasse 1, und dem Vermerk des dortigen Zustellers, daß die Empfängerin die Abgabestelle nicht regelmäßig benützt, konnte ohne Schwierigkeiten eine andere Abgabestelle als die im November unbewohnte und in dieser Zeit vom Postamt nicht bediente (ON 9) Zweitwohnung am See ermittelt werden. Der Vermerk des Wiener Zustellers, daß die Empfängerin die Abgabestelle unregelmäßig benützt, konnte bedeuten, daß an sich dort eine Abgabestelle (Wohnung) bestand und sich nur die Empfängerin zur Zeit des Zustellversuches dort nicht regelmäßig aufhielt, also etwa auf Reisen oder aus sonstigen Gründen abwesend war. Es hätte daher die neue Zustellung in Wien erfolgen müssen. Später wurde dort (in Wien) die Ladung zur Vernehmung an die Empfängerin zugestellt und sie hat sie erreicht (ON 11). Es kann unerörtert bleiben, ob die Beklagte eine "Änderung ihrer Abgabestelle" nach § 8 Abs. 1 ZustG unverzüglich dem Gericht mitzuteilen gehabt hätte, wenn sie sich nur im Winter im allgemeinen an ihrem Hauptwohnsitz aufhielt, beim Postamt des Zweitwohnsitzes einen Nachsendeauftrag erteilt hatte und ohnedies die Voraussetzungen für eine Nachsendung nach § 18 Abs. 1 Z 1 ZustG gegeben waren. Denn selbst wenn ihr vorzuwerfen wäre, sie habe trotz Kenntnis vom Verfahren eine Mitteilung an das Gericht unterlassen, fehlte jedenfalls die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Vorgehens nach § 8 Abs. 2 ZustG, daß eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden konnte (vgl. Walter-Mayer, Zustellrecht, 46, Anm. 13 zu § 8 ZustG). Die Sendung langte unbehoben an das Gericht zurück, ihr Inhalt, nämlich die für die Beklagte bestimmte Ausfertigung des Versäumungsurteiles vom 28. September 1988 wurde erstmals am 29. Mai 1989 ihrem Prozeßbevollmächtigten zugestellt. Der am 5. Juni 1989 zur Post gegebene Widerspruch ist daher rechtzeitig erhoben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)