OGH 1Ob696/89

OGH1Ob696/8929.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Gerhard K***, geboren am 6. August 1985, infolge ao. Revisionsrekurses des Vaters Gerhard K***, Angestellter, Wien 4., Mayerhofgasse 5, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgericht vom 21. September 1989, GZ R 305/89-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 17. August 1989, GZ P 57/88-18, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 25. Mai 1988, Sch 20/88-3, einvernehmlich geschieden. Mit Vergleich vom selben Tag vereinbarten die Eltern, daß die Obsorge für das Kind dem Vater zusteht. Dieser Vergleich wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 8. Juni 1988, ON 3, pflegschaftsbehördlich genehmigt. Nach der Scheidung befand sich die Mutter rund ein Jahr in den USA. Das Kind wurde während dieser Zeit hauptsächlich von der mütterlichen Großmutter betreut. Als die Mutter im Juni 1989 nach Parndorf zurückkam, nahm der Vater das Kind an sich. Er lebt nunmehr mit dem Kind bei seiner Schwester in Wien 4. Die Mutter beantragte am 14. Juni 1989, ihr die Obsorge für das Kind einzuräumen. Über diesen Antrag ist noch nicht entschieden. Im Zuge des Verfahrens beantragte sie als provisorische Maßnahme, ihr ein Besuchsrecht an jedem Wochenende von Freitag 15 Uhr bis Sonntag 18 Uhr einzuräumen.

Der Vater sprach sich gegen die Einräumung eines Besuchsrechtes aus; die Mutter werde dieses dazu benützen, um mit dem Kind nach den USA, wo sich ihr Freund befinde, auszureisen.

Während des Verfahrens erlegte die Mutter ihren Reisepaß zu Gericht. Die Mutter und die mütterliche Großmutter besuchten das Kind am 23. Juli 1989 und am 6. August 1989 in der Wiener Wohnung. Sie blieben dort unter Aufsicht des Vaters bzw. der Schwester des Vaters rund zwei bis drei Stunden. Eine längere Besuchsdauer wurde abgelehnt; das Kind wurde auch nicht aus der Wohnung gelassen. Das Erstgericht räumte der Mutter ein vorläufiges Besuchsrecht an jedem ersten und dritten Wochenende eines Monats jeweils von Samstag 10 Uhr bis Sonntag 18 Uhr ein. Das Mehrbegehren der Mutter wies es unangefochten ab. Es stellte fest, das Kind habe offenbar ein gutes Verhältnis zu beiden Elternteilen sowie zur mütterlichen Großmutter, die rund ein Jahr lang Hauptbezugsperson des Kindes gewesen sei. Zwischen den Eltern bestünden starke Spannungen und ein stark gesteigertes wechselseitiges Mißtrauen. Die Besorgnis einer Verbringung des Kindes durch die Mutter würde vom Gericht nicht geteilt.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, dem Besuchsberechtigten sei das Kind in der Regel allein anzuvertrauen; eine Ausnahme sei nur gerechtfertigt, wenn ein Mißbrauch oder ein Nachteil für das Kind zu befürchten wäre. Es müsse der Mutter des Kindes klar sein, daß jeder Mißbrauch des Besuchsrechtes zumindest vorläufig zu dessen Entziehung führen müßte. Eine Absicht der Mutter, das Kind zu verbringen oder seine Herausgabe nach der Besuchszeit zu verweigern, halte das Gericht nunmehr nicht mehr für aktuell. Die Aufrechterhaltung des Kontaktes der Mutter zum Kind und überdies auch des Kindes zur mütterlichen Großmutter sei bei Berücksichtigung der bisherigen Lebenssituation für das Kind sinnvoll und geboten. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Abstrakte Befürchtungen eines Elternteiles im Zusammenhang mit der Einräumung eines Besuchsrechtes seien nicht geeignet, zu einer Einschränkung oder Verweigerung dieses Rechtes zu führen. Nach der Abgabe ihres Reisepasses und nach dem persönlichen Eindruck des entscheidenden Richters sei die Gefahr einer Verbringung des Kindes durch die Mutter nicht gegeben. Das Kind komme an den Besuchstagen bei seiner mütterlichen Großmutter in eine ihm vertraute Umgebung. Gegen eine Übernachtung des Kindes bestünden keine Bedenken. Im Interesse des Kindes sei eine Kontaktmöglichkeit zu seiner Mutter und zu seiner mütterlichen Großmutter, die ein Jahr Hauptbezugsperson für das Kind gewesen sei, geboten. Ein Besuchsrecht im Beisein des Vaters oder seiner Schwester und die Bindung an die Wohnung des Vaters in Wien wären eine nicht zu vertretende, dem Wohl des Kindes widersprechende und dem Wesen eines Besuchsrechtes zuwiderlaufende Einschränkung.

Rechtliche Beurteilung

Der ao. Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig.

Eine Nichtigkeit erblickt der Revisionswerber darin, daß das Bezirksgericht Neusiedl am See entschied, obwohl das Kind (nunmehr) in Wien 4 seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Das Erstgericht wäre zur Entscheidung absolut unzuständig gewesen. Er übersieht dabei, daß das Pflegschaftsverfahren nach der Scheidung der Eltern zu einem Zeitpunkt, als das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel des Erstgerichtes hatte, von diesem eröffnet wurde. Gemäß § 29 JN dauert die einmal begründete örtliche Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichtes auch dann fort, wenn sich in der Zwischenzeit der gewöhnliche Aufenthaltsort des Kindes geändert hat (EFSlg 41.586, 34.283 uva).

Die Bestimmungen über die Neuregelung des Rechtsmittelverfahrens im Verfahren außer Streitsachen nach Art. II WGN 1989 gemäß Art. XLI Z 5 WGN 1989 sind erst anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung der zweiten Instanz nach dem 31. Dezember 1989 liegt. Dies ist hier nicht der Fall. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit nach § 16 AußStrG zeigt der Rekurswerber aber nicht auf. Die Regelung des Besuchsrechtes eines Elternteiles zu seinem Kind ist eine nach den Umständen des Einzelfalles unter besonderer Berücksichtigung des allen anderen Erwägungen vorangehenden Kindeswohles zu treffende Entscheidung, die nur dann im Sinn des § 16 Abs 1 AußStrG offenbar gesetzwidrig sein kann, wenn das Wohl des Kindes völlig mißachtet oder das Recht des Elternteiles auf persönlichen Verkehr geradezu vereitelt worden wäre (EFSlg 47.234, 42.345, 37.407 uva). Dies zeigt der Vater nicht auf. Seine Befürchtungen, die Mutter könnte die Ausübung des Besuchsrechtes zum Anlaß nehmen, ihm das Kind rechtswidrig zu entziehen und in die USA auszureisen, sind jedenfalls so lange unbegründet, als die Mutter ihren Reisepaß bei Gericht hinterlegt hat und von ihr die Ausstellung eines zweiten Reisepasses, etwa nach § 13 Abs 1 PaßG, nicht beantragt wurde. Soweit der Vater erstmals im Rechtsmittel behauptet, die Mutter habe sich bei ihrem einjährigen Aufenthalt in den USA derart kulturell verändert, daß sie einer gedeihlichen Entwicklung eines österreichischen Kindes nicht förderlich sein könnte, handelt es sich um in diesem Verfahrensabschnitt unbeachtliche Neuerungen (EFSlg 55.628, 52.740 uva).

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte