OGH 5Ob632/89

OGH5Ob632/8928.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** G*** - BAD G*** registrierte GenossenschaftmbH, 4824 Gosau 623, vertreten durch Dr.Josef Broinger, Dr.Johannes Hochleitner und Dr.Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwälte in Eferding, wider die beklagte Partei Martina S***, im Haushalt tätig, Ramsau 25, 5324 Faistenau, vertreten durch Dr.Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 1,459.139,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 15.Februar 1989, GZ R 823/88-69, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 30.Juni 1988, GZ 2 C 88/88-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.907,48 (darin S 3.317,91 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekutio zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Kreditgenossenschaft gewährte der Mutter der Beklagten am 20.Februar 1984 einen Umschuldungsinvestitionskredit von S 500.000,-- und einen Betriebsmittelkredit von S 1,000.000,--. Zur Besicherung der Forderungen der Kreditgenossenschaft aus diesen beiden Kreditverträgen verpfändeten die Eltern der Beklagten Karin P*** und Dipl.Ing.Wilhelm P*** die in ihrem gleichteiligen Miteigentum gestandende Liegenschaft EZ 381 KG Goisern, worauf das Pfandrecht für die Forderungen der Kreditgeberin bis zum Höchstbetrag von S 1,950.000,-- in CLNR 2 mit Vorrang vor dem in CLNR 1 auf dem Hälfteanteil des Dipl.Ing.Wilhelm P*** für Karin P*** einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt wurde. Am 22.Oktober 1985 wurde zu S 74/85 des Kreisgerichtes Wels über das Vermögen des Dipl.Ing.Wilhelm P***, der neben der Sachhaftung auch die persönliche Haftung für die seiner Frau eingeräumten Kredite als Bürge und Zahler übernommen hatte, der Konkurs eröffnet. Am 3.Oktober 1986 erwirkte Karin P*** die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung ihrer Liegenschaftshälfte (TZ 3308/1986), so daß das Eigentumsrecht der Beklagten in diesem Rang auf Grund des Kaufvertrages vom 12.August 1987 einverleibt wurde (TZ 3031/1987), obwohl auch über das Vermögen der Karin P*** am 30.Oktober 1986 zu S 66/86 des Kreisgerichtes Wels der Konkurs eröffnet wurde.

Nach den Kreditverträgen war die Kreditgeberin berechtigt, den gesamten Kredit sofort fällig und zahlbar zu stellen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kreditnehmerin oder des Bürgen verschlechtern oder der Konkurs eröffnet wird.

Die Eltern der Beklagten führten mit der klagenden Kreditgenossenschaft Gespräche, versicherten, daß alles bezahlt werde und erwirkten eine Stundung bis zum 30.September 1987. Zahlung wurde nicht geleistet.

Am 12.April 1988 erhob die Kreditgenossenschaft die Hypothekarklage auf Zahlung des fällig gestellten Betrages von S 1,459.139,-- sA bei Exekution in die Pfandliegenschaft gegen den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Vaters der Beklagten und diese als Eigentümer der Liegenschaft. Gegen den Masseverwalter wurde dem Klagebegehren mit dem Versäumungsurteil vom 3.Mai 1988 stattgegeben, das in Rechtskraft erwuchs.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kredit von S 1,000.000,-- sei erst am 31.Jänner 1989 abzudecken, die Beklagte und ihre Geschwister Ulrike P*** und Heide P*** hätten der klagenden Kreditgenossenschaft ein Sparbuch zur Abdeckung des Saldos angeboten, doch sei dessen Annahme verweigert worden. Die Forderung bestehe nicht zu Recht, weil sich die Löschungserklärung vom 22.Juli 1986 auch auf die Pfandliegenschaft beziehe und nicht nur auf die Liegenschaft EZ 464 KG Bad Aussee. Die klagende Partei müsse sich Kompensandoforderungen einrechnen lassen, die den eingeklagten Betrag überstiegen. Die klagende Kreditgenossenschaft habe sich in die Verkaufsverhandlungen der Karin P*** mit der Hotel P*** Betriebsgesellschaft mbH über die Liegenschaft EZ 464 KG Bad Aussee eingemischt, das aushaftende Kreditobligo der "P*** KG" ohne Berücksichtigung der hier geltend gemachten Kredite, die ebenfalls der "P*** KG" zugeflossen seien, bekanntgegeben und unzulässig die Treuhandhaftung des Rechtsanwaltes Dr.Franz L***, daß auch die Liegenschaftsanteile "Cafü und Dachgeschoßwohnung" verpfändet werden, herausgegeben. Dadurch habe die Kaufinteressentin der Liegenschaftsanteile der Karin P*** an der EZ 464 KG Bad Aussee statt der ursprünglich vorgesehenen in einer Option genannten S 6,000.000,-- schließlich nur einen Kaufpreis von S 4,608.662,-- bezahlt. Die restlichen bücherlich nicht eingetragenen Anteile hätten den Unterschiedsbetrag von rund S 1,400.000,-- erbringen und die gegenständlichen Forderungen der Kreditgenossenschaft abdecken müssen. Aus diesem schuldhaften Verhalten der klagenden Partei sei ein Schaden von S 1,400.000,-- zugefügt worden. Dieser Betrag und weitere S 400.000,-- und daher insgesamt S 1,791.338,-- würden als Gegenforderung bis zur Höhe der eingeklagten Forderung aufrechnungsweise eingewendet. Der Betrag von S 400.000,-- habe sich auf einem Treuhandkonto des Rechtsanwaltes Dr.Franz L*** befunden. Die klagende Partei trat der Behauptung, es bestehe eine Gegenforderung, entgegen. Der Verkauf von Liegenschaftsanteilen der Karin P*** an die Hotel P*** Betriebsgesellschaft mbH sei ohne Mitwirken der klagenden Kreditgenossenschaft erfolgt. Die Höhe der auf den Anteilen besicherten Forderungen habe wegen des vereinbarten Einlösevorganges bekanntgegeben werden müssen. Mit der eingeklagten Forderung hätten diese Kredite nichts zu tun gehabt. Das Erstgericht entschied mit Urteil, daß die eingeklagte Forderung zu Recht, die Gegenforderung aber nicht zu Recht bestehe, und verurteilte die Beklagte zur Zahlung als Gesamtschuldnerin mit der Konkursmasse bei Exekution in ihre Liegenschaftshälfte. Es stellte im wesentlichen noch fest:

Die Einverleibung des Eigentumsrechtes an der zur Sicherung der geltend gemachten Forderungen der klagenden Kreditgenossenschaft verpfändeten Liegenschaftshälfte der Karin P*** wurde vom Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Veräußerin mit Klage angefochten. Da weder die Schuldnerin noch der Bürge ihren Zahlungspflichten nachkamen, stellte die klagende Partei ihre Forderung, die am 31.Dezember 1987 mit insgesamt S 1,459.139,-- unberichtigt aushaftete, am 22.Feber 1988 fällig. Die klagende Partei ging auf den Vorschlag des Gemeinschuldners Dipl.Ing.Wilhelm P*** nicht ein, ihr zur Besicherung und Zahlung aushaftender Beträge ein Sparbuch unter der Bedingung zu übergeben, daß entnommene Beträge bei einem Erfolg der Anfechtung zurückgezahlt werden. Heide P*** und Ulrike P*** eröffneten am 28.März 1988 ein Sparbuch mit einer Einlage von S 420.000,-- und lösten das Sparbuch am 26.April 1988 wieder auf.

Die klagende Kreditgenossenschaft hatte auch mit der Wilhelm P*** Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH Kreditverträge geschlossen. Karin P*** hatte ihre 208/2880 mit Wohnungseigentum an den Geschäftsräumlichkeiten W 01 und ihre 464/2280 mit Wohnungseigentum an den Geschäftsräumlichkeiten W 02 verbundenen Anteile an der Liegenschaft EZ 464 Bad Aussee zur Besicherung dieser Firmenkredite bis zum Höchstbetrag von insgesamt S 5,450.000,-- verpfändet. Die bücherliche Pfandrechtseinverleibung auf Grund der Urkunde vom 24. Jänner 1985, in der auch die Verpfändung von drei Dachgeschoßwohnungen und eines Cafühauses vorgesehen war, scheiterte daran, daß diese Einheiten in Abweichung vom Bauplan geschaffen und bei der Nutzwertfeststellung nicht berücksichtigt worden war. Es mußte deshalb eine neue Pfandbestellungsurkunde errichtet werden. Der mit der Vertragserrichtung befaßte Rechtsanwalt übernahm die Treuhandhaftung, daß das Pfandrecht auf die vier weiteren Einheiten erweitert werde, falls es zu einer neuen Nutzwertfeststellung und zur Verbücherung neuer Anteile komme und alle Wohnungseigentümer sich dazu bereit fänden. Als die klagende Kreditgenossenschaft nach der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Wilhelm P*** Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH Bedenken an der Einbringlichkeit ihrer Forderungen gegen die Kommanditgesellschaft hatte, kam es ihr gelegen, daß sich Interessenten für den Erwerb der Mit- und Wohnungseigentumsanteile der sachhaftenden Karin P*** meldeten. Obwohl von den Ehegatten Dipl.Ing.Wilhelm P*** und Karin P*** dazu ermächtigt, gab die klagende Partei zunächst die Höhe der aushaftenden Forderungen dem Sprecher der Kaufwerber nicht bekannt. Dieser hatte sich von Karin P*** eine Option unter Zugrundelegung des von Dipl.Ing.Wilhelm P*** vorgeschlagenen Kaufpreises von S 6,000.000,-- geben lassen. Dem Sprecher erschien der Kaufpreis zu hoch. Zur internen Information wurde mitgeteilt, daß die auf den Anteilen durch die Höchstbetragspfandrechte besicherten Kredite zum 1. Oktober 1985 mit S 4,566.189,-- aushaften. Am 20.November 1985 wurde zwischen der klagenden Kreditgenossenschaft und der Kaufinteressentin Hotel P*** Betriebsgesellschaft mbH vereinbart, daß die Kaufinteressentin die Hypothekarforderungen zum Stichtag 20. November 1985 mit S 4,608.682,-- einlöse und dafür alle Sicherheiten erhalte. Es kam zur Einlösung, zur Ausfolgung aller Urkunden und zur Erklärung der Kreditgenossenschaft, voll befriedigt zu sein und gegen die einlösende Gesellschaft keine weiteren Forderungen zu stellen. Am 4.März 1986 verkaufte Karin P*** ihre Wohnungseigentumsanteile an die Hotel P*** Betriebsgesellschaft mbH um den Kaufpreis von S 4,608.662,--. Sie war mit diesem Kaufpreis einverstanden. Die klagende Kreditgenossenschaft hatte mit diesem Verkauf nichts zu tun. Am 22.Juli 1986 stellte die klagende Partei eine Löschungsquittung aus, nach der sie in die Löschung ihrer Höchstbetragspfandrechte von S 2,200.000,--, S 650.000,-- und S 2,600.000,-- an den beiden Wohnungseigentumsanteilen einwilligte. Das Erstgericht meinte, die durch das Pfandrecht auf der Liegenschaftshälfte der Beklagten besicherten Kreditforderungen seien mit dem geltend gemachten Betrag aufrecht und fällig. Selbst wenn die Kreditnehmerin Karin P*** die ihr zur Verfügung gestellten Gelder der Wilhelm P*** Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH & Co KG überlassen habe, ändere dies nichts an ihrer und damit der Sachhaftung der Beklagten. Ein Verschulden der klagenden Kreditgenossenschaft, das eine Schadenersatzgegenforderung begründen könnte, liege nicht vor. Die klagende Partei sei bei der Verwertung ihrer Pfandrechte an den Wohnungseigentumsanteilen der Karin P*** umsichtig und kostensparend vorgegangen. Daß den Kaufinteressenten der in der Option genannte Kaufpreis zu hoch erschien und sie letztlich nur um einen geringeren Preis kauften, habe nicht die klagende Kreditgeberin zu vertreten. Was ein auf einem Treuhandkonto des Rechtsanwaltes erliegender Betrag von S 400.000,-- mit der klagenden Partei zu tun habe, sei überhaupt nicht ersichtlich. Gegenforderungen der Beklagten bestünden daher nicht. Das Berufungsgericht bestätigte. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen, soweit sie den Bestand der gegen die Sachhaftende geltend gemachten Forderungen der Kreditgenossenschaft betreffen und beurteilte gleichfalls den Anspruch der Klägerin als berechtigt, weil die Höhe, die Fälligkeit (allein wegen des Konkurses über das Vermögen der Schuldnerin und des Bürgen) und das Fehlen jeder Stundung (der Vorschlag des Gemeinschuldners auf bedingte Überlassung einer Sparbucheinlage anderer Töchter wurde nicht angenommen) bewiesen seien. Eine Überprüfung auf Grund der Beweis- und Mängelrüge zu den Tatsachen, die sich auf eine Gegenforderung beziehen, lehnte das Berufungsgericht aus rechtlichen Erwägungen ab: Als Pfandeigentümerin könne sich die Beklagte aller Einwendungen gegen den Bestand des Pfandrechtes und der Pfandforderung bedienen, die dem Personalschuldner zustehen. Der Forderung könne Schuldtilgung und auch Kompensation entgegengehalten werden. Voraussetzung dafür sei aber, daß eine Kompensation vom Personalschuldner geltend gemacht oder aber eine Gegenforderung dem in Anspruch genommenen Pfandschuldner abgetreten wurde. Dafür ergeben sich keine Anhaltspunkte. Es mangle an der Legitimation der Beklagten zur Geltendmachung einer Gegenforderung, deren Bestehen also nicht zu untersuchen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten aus den Gründen des § 503 Abs 3 und Abs 4 ZPO ist nicht berechtigt.

Gegenstand des Rechtsmittels ist nicht mehr der von den beiden Vorinstanzen auf Grund der dort geschaffenen Tatsachengrundlagen als berechtigt erkannte Bestand der auf der Liegenschaftshälfte der Beklagten durch die Einverleibung des Höchstbetragspfandrechtes besicherten Kreditforderung der klagenden Kreditgenossenschaft mit dem geltend gemachten Kapitalsbetrag und den Zinsen, sondern ausschließlich der vom Erstgericht wie vom Berufungsgericht wenn auch mit unterschiedlicher Begründung als nicht zu Recht bestehend erkannten Gegenforderung der Beklagten.

Diese wird in dem Rechtsstreit nicht als Personalschuldnerin, sondern ausschließlich wegen ihrer Sachhaftung mit der von ihrer Mutter erworbenen mit dem Höchstbetragspfandrecht belasteten Liegenschaftshälfte in Anspruch genommen. Sie kann daher (abgesehen von einer Einlösung) eigene Forderungen gegen die klagende Kreditgenossenschaft nicht zur Aufrechnung verwenden und tut dies auch nicht, denn sie hat nicht behauptet, daß ihr eigene Schadenersatzforderungen gegen die Kreditgeberin zustehen, sondern sich darauf gestützt, ihre Mutter sei durch ein Verhalten der klagenden Partei geschädigt worden, weil sie sich wegen der "Einmischung" in die Verkaufsverhandlungen über ganz andere mit Wohnungseigentum verbundene Liegenschaftsanteile eines anderen Objekts dazu verstanden habe, zu einem geringeren Preis als ursprünglich beabsichtigt, zu verkaufen und dadurch nur die auf den dortigen Mit- und Wohnungseigentumsanteilen haftenden Lasten nicht aber auch die gegenständliche Kreditschuld abtragen konnte, und weil ein Rechtsanwalt S 400.000,-- auf einem Treuhandkonto behalten habe, so daß sie auch dieses Geld nicht zur Kredittilgung verwenden konnte. Die Behauptung, der Kreditnehmerin stehe gegen die Kreditunternehmerin eine aufrechenbare Gegenforderung zu, kann aber nur dann Erfolg haben, wenn die Schuldnerin mit einer ihr zustehenden richtigen Geldforderung durch Erklärung aufgerechnet (vgl Rummel in Rummel, Rz 1 und Rz 6 zu § 1439; WBl 1987, 191; RdW 1987, 132 uva) und damit die Zahlung der Kreditschuld bewirkt hat. Zur prozessualen Aufrechnung könnte sich eine Schadenersatzforderung der Kreditnehmerin im Prozeß gegen den reinen Realschuldner nur eignen, wenn sie diesem abgetreten und von ihm zur Schuldtilgung durch zulässige Aufrechnungserklärung verwendet wird. Es fehlt tatsächlich ein Vorbringen der Beklagten im Verfahren erster Instanz, daß es zu einer solchen Aufrechnungserklärung der Kreditschuldnerin oder einer Forderungsabtretung gekommen ist. Diese erst zur Berechtigung der Geltendmachung der Aufrechnungseinrede führede Tatsache wurde nicht vorgetragen. Daß sich die klagende Partei gegen den Bestand der Schadenersatzgegenforderung wandte, ohne auch auf das Fehlen der Legitimation der Beklagten zu ihrer Geltendmachung hinzuweisen, ändert daran nichts. Eine Tatsache, die von der Beklagten nicht behauptet wurde, kann die klagende Partei auch nicht zugestanden haben.

Wenn auch der Richter nach § 182 Abs 1 ZPO bei der Verhandlung darauf hinzuwirken hat, daß die für die Entscheidung tatsächlichen Angaben gemacht, ungenügende Angaben über die zur Begründung oder zur Bekämpfung des Anspruchs geltend gemachten Umstände vervollständigt und Widersprüche aufgeklärt werden (Fasching ZPR Rz 783) und diese Anleitungspflicht auch durch einen Rechtsanwalt vertretenen Parteien gegenüber besteht, so ist es doch Sache der anwaltlich vertretenen Partei, ein zur Stützung ihres Prozeßstandpunkts ausreichendes Vorbringen zu erstatten. Der aus § 182 ZPO abgeleitete Grundsatz der materiellen Prozeßleitung soll die Möglichkeit eröffnen, von den Parteien übersehene rechtserhebliche Tatsachen zu klären (JBl 1988, 730). Der Richter ist aber nicht berufen, die Parteien zu einem Vorbringen zu veranlassen, für das sich nach dem Stand des Rechtsstreits kein Anlaß ergibt (vgl Fasching ZPR Rz 655, 656; ZAS 1974, 62; SZ 47/26 ua). Zur Anleitung der Beklagten, ihr Vorbringen zur Einwendung der Gegenforderung zu ergänzen, bestand gar keine Veranlassung, hat doch die Kreditschuldnerin Karin P*** vor dem Erstgericht als Zeugin am 30. Juni 1988 ausgesagt, sie habe in ihrem Schreiben vom 3.September 1987 ihre offenen (klagsgegenständlichen) Kreditverbindlichkeiten erwähnt und um Umstellung ersucht und damals ihre Gegenforderung nicht erwähnt, weil nach der Hausdurchsuchung Unterlagen nicht zugänglich waren und sich das Wissen um die Gegenforderung erst kürzlich ergeben habe (Verhandlungsprotokoll vom 30.Juni 1988, ON 29 AS 213). Da der Gemeinschuldnerin Karin P*** mit dem Tag der Konkurseröffnung (30.Oktober 1986) jede Verfügung über eine (Schadenersatzgegen-)Forderung entzogen war, hatte der Erstrichter keinen Anlaß darauf zu dringen, daß die Beklagte vorbringe, die Kreditschuldnerin habe (während des Konkurses unwirksam) die Aufrechnung erklärt oder die Gegenforderung abgetreten. Die erst in der Revision nachgetragene Behauptung, die Abtretung (der nach der Zeugenaussage noch unbekannten) Schadenersatzforderung sei schon vor Konkurseröffnung erfolgt, ist als Neuerung nicht beachtlich. Da es der durch den Rechtsanwalt vertretenen Beklagten oblag, ihre anspruchsvernichtenden Einwendungen schlüssig durch den Vortrag von Tatsachen zu begründen, hatte das Berufungsgericht das Vorbringen zur Gegenforderung auch darauf zu untersuchen und durfte, ohne daß es die Parteien dabei mit einer Rechtsansicht "überraschte", die sie und das Erstgericht nicht bedacht hatten (vgl SZ 42/28 ua) ohne Vorwerfbarkeit einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens oder einer Aktenwidrigkeit die Erledigung der Beweisrüge zu den Feststellungen zur Gegenforderung unterlassen, weil es darauf gar nicht ankam. Eine Rechtsrüge war schon in der Berufung nicht erhoben worden.

Die Forderung der Revisionswerberin, das Berufungsgericht hätte eine Beweiswiederholung durchzuführen und ihr Gelegenheit zu geben gehabt, die in erster Instanz unterlassene Behauptung nachzuholen, daß "Karin P*** selbstverständlich lange vor Prozeßbeginn die im vorliegenden Verfahren erhobenen Gegenforderungen an die Beklagte abgetreten habe", ist unberechtigt und verfehlt.

Der Revision ist keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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