Spruch:
Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil im Schuldspruch zu Punkt II. und gemäß § 289 StPO auch im Schuldspruch zu Punkt I., demgemäß auch im Strafausspruch, sohin zur Gänze aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 27.Jänner 1946 geborene Kaufmann Erwin S*** wurde des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB und des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Untreue nach §§ 153 Abs. 1 und 2 zweiter Fall und 15 StGB schuldig erkannt, weil er zwischen 7.Dezember 1983 und 13.März 1986 einen von der Bundespolizeidirektion Klagenfurt für Paul T*** ausgestellten Führerschein, bei dem er den Familiennamen auf S*** verändert hatte, insgesamt elf Banken als Nachweis seiner Identität zur Kontoeröffnung vorlegte. Zwischen 28.August und Anfang September 1987 schädigte er diese Bankinstitute durch Einlösung von 274 ihm für diese Konten ausgefolgten Scheckformulare, denen keine Deckung gegenüberstand, bzw. durch neun Abhebungen mit einer ihm ausgefolgten Bankomatkarte um insgesamt 735.000 S. Bei der Begebung von Schecks mit einem beabsichtigten Schaden von 15.000 S sowie einer Abhebung von 5.000 S mittels Bankomatkarte blieb es beim Versuch.
Das Schöffengericht stellte dazu fest, daß der Angeklagte im Jahre 1983 einen am 5.September 1965 von der Bundespolizeidirektion Klagenfurt für Paul T*** ausgestellten Führerschein fand, den er auf den Namen "S***" verfälschte. Zwischen 1983 und 1986 eröffnete er unter Vorlage dieses Dokuments bei verschiedenen Kreditinstituten in St. Veit/Glan und Villach insgesamt elf Konten, auf denen er einen ihm zur Verfügung stehenden Schwarzgeldbetrag von 50.000 S verschob, um Bonität vorzutäuschen. Dadurch erreichte er die Ausgabe von Scheckformularen und die Einräumung eines Überziehungsrahmens. Zwischen 31.August und 7.September 1987 löste der Angeklagte an verschiedenen Orten Österreichs die von ihm gehorteten Schecks jeweils unter Ausnutzung der garantierten Höchstbeträge ein, zwei ihm verbliebene Scheckformulare vernichtete er.
Ferner wurde (im Rahmen der rechtlichen Beurteilung) festgestellt, daß er durch die Vorlage des verfälschten Führerscheins gegenüber den Banken seine wahre Identität verschleierte und dadurch Rechtshandlungen setzte, die im Innenverhältnis gegenüber den Banken seine(n) Pflichten widersprach und diese an ihrem Vermögen schädigte, wobei er von vornherein in der Absicht handelte, die ihm eingeräumte Verfügungsmacht zu mißbrauchen und den Banken einen Vermögensschaden zuzufügen.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit. a, 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß das Urteil mit einer vom Angeklagten nicht geltend gemachten Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO behaftet ist, weil die Feststellungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite bereits die Subsumtion des dem Angeklagten angelasteten Verhaltens als Untreue nicht zu tragen vermögen.
Untreue setzt wissentlichen Mißbrauch der eingeräumten Verfügungsbefugnis voraus. Die Tathandlung besteht in der im Verhältnis zum Vertretenen bestimmungswidrigen Ausübung oder Nichtausübung der Befugnis. Der Täter muß sich dessen gewiß sein, daß seine Verfügung pflichtwidrig ist (Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN 10 und 24 zu § 153 StGB). Eben dies geht aber aus den vom Schöffengericht getroffenen Feststellungen nicht hervor. Das Merkmal der Wissentlichkeit des Befugnismißbrauchs wird lediglich im Urteilsspruch angeführt; die Verwendung der verba legalia im Spruch kann fehlende Feststellungen in den Urteilsgründen nicht ersetzen (Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 94 a, 95 zu § 270; 8 zu § 281 Z 9 lit. a). In den Urteilsgründen beschränkt sich aber das Erstgericht darauf, festzustellen, daß der Angeklagte "durch die Vorlage des verfälschten Führerscheines, wodurch" er "gegenüber den Banken seine wahre Identität verschleierte", "eine Rechtshandlung gesetzt" hat, "die im Innenverhältnis gegenüber den Banken seine(n) Pflichten widersprach und diese an ihrem Vermögen schädigte, wobei er von vorneherein in der Absicht handelte, die ihm eingeräumte Verfügungsmacht zu mißbrauchen und den Banken einen Vermögensschaden zuzufügen" (S 384). Weder dieser Urteilspassage noch den Urteilsfeststellungen S 382, 383 kann entnommen werden, daß der Angeklagte die ihm eingeräumte Befugnis, jene Bankinstitute, mit denen er Scheckkarten-Garantieverträge abgeschlossen hat, zu verpflichten, wissentlich mißbraucht hat. Aus der Konstatierung eines absichtlichen Handelns ergibt sich nicht ohne weiteres implizite auch die Feststellung des Wissens um den Mißbrauch der eingeräumten Befugnis.
Der bisher festgestellte Sachverhalt bietet aber Indizien für eine Subsumtion in anderer Richtung. Handelt der Täter schon bei Eröffnung der (Giro-)Konten mit dem Vorsatz, sich durch Begebung von Schecks, Barabhebungen und Abhebungen bei Geldautomaten zum Nachteil der Banken unrechtmäßig zu bereichern (die ausdrückliche Feststellung eines Bereicherungsvorsatzes fehlt allerdings im Ersturteil) und täuscht er die Bankangestellten über dieses unredliche Vorhaben, dann ist dieses Gesamtverhalten - gleichgültig, welcher Zeitraum zwischen der Täuschungshandlung (Erschleichung einer Dispositionsbefugnis) und der Schadensrealisierung liegt - als Betrug zu beurteilen (siehe Leukauf-Steininger2, § 153 StGB, RN 36; Liebscher im WK, § 146, Rz 38, SSt. 45/28; EvBl. 1977/120; Bichler in ÖBAH 12/1986, 603 ff, 11 Os 28/88). Bei Beurteilung des vermögensschädigenden Gesamtverhaltens des Angeklagten als Betrug wäre aber neben der Qualifikation nach § 147 Abs. 3 StGB auch jene nach § 147 Abs. 1 Z 1 StGB anzunehmen, weil der verfälschte Führerschein zur Täuschung der Bankangestellten über die Identität des Kontoinhabers (und damit auch über die Möglichkeit, die im Führerschein aufscheinende Person zur Abdeckung von Debetsalden heranzuziehen) verwendet wurde, wenn die Ursächlichkeit des hiedurch herbeigeführten Irrtums für die schadenskausale Verfügung der Getäuschten vom Tätervorsatz erfaßt war (vgl. insbes. AS 382 und 385). Besteht die vom Täter gewollte Verwendung der falschen oder verfälschten Urkunde ausschließlich in der betrügerischen Täuschung eines anderen, so bleibt für die Anwendung des § 223 Abs. 2 StGB neben der Betrugsqualifikation nach § 147 Abs. 1 Z 1 StGB kein Raum; vielmehr wird das Fälschungsdelikt vom spezielleren Urkundenbetrug verdrängt (SSt. 50/3; EvBl. 1986/124; EvBl. 1981/27 = JBl. 1980, 666; EvBl. 1979/106; JBl. 1987, 536; JBl. 1981, 551; RZ 1982/34). Das Erstgericht unterließ es jedoch bereits hinreichende Feststellungen zum subjektiven Tatbestand der Untreue zu treffen. Dem Ersturteil haftet daher diesbezüglich ein Feststellungsmangel an, der von keiner Seite gerügt wurde und somit von Amts wegen aufzugreifen ist.
Der dem Ersturteil anhaftende, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende (weil zu seiner Verurteilung wegen des Verbrechens der Untreue führende) und ungerügt gebliebene Feststellungsmangel nötigt dazu, das angefochtene Urteil aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 290 Abs. 1 StPO nicht nur im Schuldspruch zu Punkt II/ des Urteilssatzes (wegen Verbrechens der Untreue) sondern auch (wegen des im gegebenen Fall bestehenden untrennbaren Zusammenhangs) gemäß § 289 StPO auch im Schuldspruch zu Punkt I/ des Urteilssatzes (wegen Vergehens der Urkundenfälschung) aufzuheben und die Sache somit zur Gänze zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Lediglich der Vollständigkeit wegen sei angefügt, daß nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen entgegen dem Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde bloßer Tatversuch ausscheidet, weil Vermögensschaden und damit Tatvollendung mit der Verringerung der Aktiven und Vermehrung der Passiven eingetreten ist, ohne daß dem eine realisierbare Gegenforderung gegenüberstand (vgl. SSt. 41/58; 48/69 und 55/10; Leukauf-Steininger, aaO, RN 27 zu § 153). Die dargestellten (vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten, jedoch zu seinen Gunsten) von Amts wegen wahrzunehmenden Feststellungsmängel machen jedoch eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unerläßlich, weswegen sich ein weiteres Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt. Diesbezüglich war der Angeklagte vielmehr, ebenso wie mit seiner Berufung, auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen und wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)