OGH 9ObS24/89 (9ObS25/89)

OGH9ObS24/89 (9ObS25/89)22.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Eberhard Piso und Margarethe Heidinger als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1. Mehmet S***, Wien 20., Traisengasse 21/3, 2. Alija A***, Wien 20., Salzachstraße 42/2/17, vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A*** V***, Wien 4.,

Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen je S 3.775,20 sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Juni 1989, GZ 31 Rs 70/89-10, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21. Juni 1988, GZ 19 Cg 1002/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

Beschuß

gefaßt:

 

Spruch:

Hinsichtlich des Begehrens der Kläger auf Zahlung von je 4 % Zinsen aus S 3.775,20 seit dem Klagstag werden die Urteile der Vorinstanzen sowie das darüber geführte Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage in diesem Umfang zurückgewiesen;

2. zu Recht erkannt:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern je einen Betrag von S 3.775,20 zu zahlen und ihnen die mit S 5.004,56 bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin enthalten S 454,96 Umsatzsteuer) zu ersetzen, all dies binnen 14 Tagen bei Exekution."

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern die mit S 2.175,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 362,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger standen in einem Lehrverhältnis zur Karl H*** Gesellschaft mbH. Mit den am 10.Februar 1987 zu 19 Cga 1016/87 und 19 Cga 1018/87 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebrachten Klagen begehrten die Kläger die Feststellung, daß ihre Lehrverhältnisse über den 23.Jänner 1987 aufrecht bestehen. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 19.Jänner 1986 die Lehrverhältnisse aus "wirtschaftlichen Gründen" aufgekündigt und die Kläger aufgefordert, den zustehenden Urlaub von 30 Werktagen während der Kündigungsfrist zu konsumieren. Da kein Auflösungsgrund im Sinne des § 15 Abs 2 und 3 BAG vorliege, sei eine wirksame Auflösung der Lehrverhältnisse nicht möglich. Über beide Feststellungsklagen erging ein Versäumungsurteil. Mit zu späteren Zeitpunkten eingebrachten Klagen (die ersten Leistungsklagen wurden am 3.4.1987 überreicht) machten die Kläger die Zahlung von Lehrlingsentschädigung für die Zeit ab 12.Jänner 1986 sowie auch für Urlaubszuschuß geltend. Es wurden jeweils Zahlungsbefehle erlassen, die in Rechtskraft erwuchsen.

Am 6.April 1987 wurde über das Vermögen der Karl H*** Gesellschaft mbH das Ausgleichsverfahren eröffnet.

In Anträgen an die beklagte Partei machten die Kläger unter anderem auch Insolvenzausfallgeld für die Kosten der gerichtlichen Verfahren über die Feststellungsklagen in der Höhe von je S 3.775,20 geltend.

Die beklagte Partei wies die Anträge der Kläger diesbezüglich ab. Die Prozeßführung sei nicht notwendig gewesen; es handle sich daher nicht um gesicherte Ansprüche.

Das Erstgericht wies die auf Zuspruch der Beträge von je S 3.775,20 samt 4 % Zinsen ab Klagstag gerichteten Begehren der Kläger ab. Zur Durchsetzung der Ansprüche der Kläger aus dem Lehrverhältnis sei die Erhebung der Feststellungsklagen nicht erforderlich gewesen, weil die Frage des aufrechten Bestandes der Lehrverhältnisse im Verfahren über die erste Leistungsklage zu prüfen und diesem Verfahren als Vorfrage mit Wirksamkeit auch für weitere Leistungsklagen bindend zu entscheiden gewesen wäre. Die Feststellungsklagen seien nicht notwendig gewesen und die hiefür aufgelaufenen Kosten seien daher keine gesicherten Ansprüche im Sinn des § 1 Abs 2 Z 4 EStG.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Da die Feststellungsklagen in einem Zeitpunkt eingebracht worden seien, indem auch bereits die Leistungsklage möglich gewesen wäre, seien sie nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen. Die Kläger wären gehalten gewesen, die Leistungsklagen einzubringen, im Bestreitungsfall wäre ihnen die Möglichkeit zur Verfügung gestanden, über die Frage des Anspruchsgrundes durch einen Zwischenantrag auf Feststellung eine Entscheidung mit bindender Wirkung für die Zukunft kostensparend herbeizuführen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klagebegehren abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Hinsichtlich des Zinsenbegehrens ist allerdings der Rechtsweg nicht zulässig. Zinsen aus den erhobenen Forderungen waren nämlich nicht Gegenstand der Forderungsanmeldung bei der beklagten Partei. Über diesen Anspruch wurde daher auch nicht bescheidmäßig entschieden. Das Fehlen der Klagevoraussetzung nach § 67 Abs 1 ASGG war gemäß § 73 ASGG auch noch im Rechtsmittelverfahren wahrzunehmen, das Verfahren der Vorinstanzen und deren Entscheidungen insoweit als nichtig aufzuheben und die Klage diesbezüglich zurückzuweisen. Die Feststellungsklage wurde unmittelbar nach dem Zeitpunkt erhoben, in dem von der Karl H*** Gesellschaft mbH das Bestehen des Lehrverhältnisses in Frage gestellt wurde. Es bestand daher für die Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß ihre Lehrverhältnisse ungeachtet der Erklärung ihres Vertragspartners weiterhin aufrecht bestehen. Wohl ging das Interesse hieran über die Klärung der Verpflichtung zur Weiterleistung der Lehrlingsentschädigung und anderer finanzieller Ansprüche aus dem Lehrverhältnis hinaus, doch waren die Feststellungsklagen eine geeignete Maßnahme, um auch in diesem Punkt eine streitausschließende Wirkung über den Anspruchsgrund für die Zukunft herbeizuführen; sie dienten daher auch zur Durchsetzung der Ansprüche nach § 1 Abs 2 Z 1 IESG. Die Feststellungsklagen wurden zwar in einem Zeitpunkt erhoben, in dem bereits eine Leistungsklage erhoben hätte werden können, doch bestanden in diesem Zeitpunkt erst geringe Zahlungsrückstände, welche die Kläger noch nicht zur Erhebung der Leistungsklage veranlassen mußten, konnten sie doch davon ausgehen, daß im Fall einer Entscheidung im Sinn ihrer Feststellungsklagen ihre rückständigen Ansprüche befriedigt würden. In diesem Fall wäre aber ein bloßes Begehren auf Feststellung gegenüber einer Leistungsklage verbunden mit einem Feststellungsbegehren (Zwischenantrag auf Feststellung) die weniger kostenaufwendige Vorgangsweise gewesen. Daß zufolge Nichtbefriedigung der finanziellen Ansprüche der Kläger aus dem Lehrverhältnis ungeachtet der vorliegenden Feststellungsurteile rückschauend betrachtet allenfalls eine andere Vorgangsweise aus Kostengründen vorzuziehen gewesen wäre, vermag den Anspruch der Kläger auf Insolvenzausfallgeld für die Kosten der Verfahren über die Feststellungsklagen nicht zu berühren, zumal diese - auch außerhalb des Bereichs des IESG durchaus üblichen Klageführungen im Zeitpunkt der Klageerhebung notwendig und zweckmäßig erscheinen mußten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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