OGH 9ObS26/89

OGH9ObS26/8922.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Eberhard Piso und Margarete Heidinger als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Alfred H***, Angestellter, Wien 12., Liebenstraße 33/2/2/12, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** V***, Wien 4.,

Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 110.226 S sA (Streitwert im Revisionsverfahren 9.200 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Mai 1989, GZ 31 Rs 122/89-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21. Dezember 1988, GZ 14 Cgs 501/88-6, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es einschließlich des unangefochten gebliebenen Teiles insgesamt zu lauten hat:

"Das Begehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger einen Betrag von 110.226 S netto sowie Zinsen im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen, wird abgewiesen."

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der V***-G*** Gesellschaft mbH durch 30 Jahre als Angestellter beschäftigt. Zuletzt bezog er ein monatliches Gehalt von 47.261 S brutto sowie ein Überstundenpauschale von 5.949,01 S. Beide Beträge waren 14mal jährlich zu zahlen. Am 15. Jänner 1988 wurde über das Vermögen der Dienstgeberin das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger beantragte für Abfertigung - nur dieser Anspruch ist noch Gegenstand des Revisionsverfahrens - Insolvenzausfallgeld in der Höhe von 756.501 S netto.

Die beklagte Partei erkannte dem Kläger einen Betrag von 662.400 S für Abfertigung zu und wies das Mehrbegehren ab. Das Erstgericht gab dem auf Zahlung des Differenzbetrages von 94.101 S für Abfertigung gerichteten Begehren des Klägers statt. Ausgehend von der Höhe des unter Einbeziehung der Sonderzahlungen errechneten Nettoeinkommens des Klägers sei der erhobene Anspruch nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes und des Urlaubsgesetzes berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge, sprach dem Kläger für Abfertigung einen weiteren Betrag von 9.200 S zu und wies das Mehrbegehren ab. Der Anspruch des Klägers unterliege der höhenmäßigen Begrenzung des § 1 Abs 3 Z 4 und des § 1 Abs 4 IESG, da sein Einkommen die dort normierte Grenze übersteige. Insolvenzausfallgeld für Abfertigung stehe daher nur in der Höhe von 1.840 S täglich zu. Der Abfertigungszeitraum betrage 12 Monate, sodaß der tägliche Grenzbetrag mit 365 (und nicht bloß mit 360) zu vervielfachen sei. Hieraus errechne sich ein Anspruch in der Höhe von insgesamt 671.600 S, sodaß dem Kläger ein weiterer Betrag von 9.200 S zustehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Bis zur Novelle BGBl 1986/395 gebührte nach § 1 Abs 3 Z 4 IESG Insolvenzausfallgeld für nach Zeiträumen bemessene Ansprüche insoweit nicht, als der als Insolvenzausfallgeld begehrte Nettobetrag (§ 3 Abs 3 IESG) im Zeitpunkt der Fälligkeit im Tag den zweifachen, in der Woche den vierzehnfachen und im Monat den sechzigfachen Betrag der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 45 Abs 1 lit b des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes BGBl 1955/189 übersteigt, es sei denn, daß nach Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung (§ 97 Abs 1 ArbVG) ein höherer Nettobetrag gebührt. Die Fassung des § 1 IESG wurde diesbezüglich durch die oben zitierte Novelle verändert. Gemäß § 1 Abs 3 Z 4 IESG gebührt nunmehr Insolvenzausfallgeld für Entgeltansprüche (Abs 2 Z 1) nicht, wenn der als Insolvenzausfallgeld begehrte Nettobetrag im Zeitpunkt der bedungenen Zahlung den Grenzbetrag nach Maßgabe des Abs 4 übersteigt, es sei denn, daß nach Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung (§ 97 Abs 1 ArbVG) ein höherer Nettobetrag gebührt. Gemäß § 1 Abs 4 IESG gilt als Grenzbetrag im Sinne des Abs 3 Z 4 der zweifache Betrag der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 45 Abs 1 lit. b des ASVG, der bei Entgeltansprüchen, die nach Zeiträumen bemessen werden, mit der Anzahl der Tage des jeweiligen Entlohnungszeitraumes zu vervielfachen ist (§ 1 Abs 4 Z 1 IESG). Die Gesetzesmaterialien (993 BlgNR 16, 7) führen dazu aus, daß die neue Regelung des § 1 Abs 3 Z 4 der Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes folge, nicht nur die nach Zeiträumen bemessenen Ansprüche (zB Lohn, Gehalt), sondern auch diejenigen Ansprüche, die periodisch abgerechnet werden (zB Provisionen), von der in der Gesetzesstelle verfügten Beschränkung zu erfassen. Um dem unterschiedlichen Charakter dieser Ansprüche Rechnung zu tragen, seien in einem neuen Abs 4 des § 1 unter Z 1 die "nach Zeiträumen bemessenen Ansprüche" und unter Z 2 jene Ansprüche erfaßt, die nicht nach Zeiträumen bemessen werden. Hinsichtlich des Berechnungsmodus gibt § 1 Abs 4 Z 1 IESG unmittelbar keinen Aufschluß. Bei isolierter Betrachtung dieser Bestimmung könnte unter dem jeweiligen Entlohnungszeitraum bei Zeitlöhnen mit monatlicher Abrechnung sowohl ein Zeitraum von generell 30 Tagen als auch einer von 31 oder 28 Tagen verstanden werden, je nachdem, für welchen Monat das Entgelt gebührt. Holler (ZAS 1987, 150) vertritt dazu die Ansicht, daß zur Vereinheitlichung oder Vermeidung von zufallsbedingten Differenzierungen bei monatlicher Abrechnung von einem Zeitraum von 30 Tagen auszugehen sei. Dieser Auffassung ist beizupflichten. Die Bestimmung des § 1 Abs 4 IESG verweist bezüglich des Grenzbetrages auf § 45 Abs 1 lit b ASVG; dem entspricht nunmehr seit der 45. ASVG-Novelle BGBl 1988/283 die Vorschrift des § 45 Abs 1 ASVG. Nach dieser Bestimmung gilt als Höchstbeitragsgrundlage der gemäß § 108 b ASVG festgestellte Betrag. Umfaßt der Beitragszeitraum einen Kalendermonat und hat die Beitragspflicht während des ganzen Kalendermonats bestanden, so ist bei der Anwendung der Höchstbeitragsgrundlage der Beitragszeitraum mit 30 Tagen anzusetzen. Es wäre ein zu enges Verständnis der Verweisung des § 1 Abs 4 IESG, wollte man sie ausschließlich auf den Betrag der täglichen Höchstbeitragsgrundlage beziehen. Da § 45 Abs 1 ASVG diesbezüglich wieder auf § 108 b Abs 1 ASVG verweist, hätte sich im § 1 Abs 4 IESG eine direkte Verweisung auf diese Norm angeboten. Aus dem an dieser Stelle erfolgten Zitat des § 45 Abs 1 lit b ASVG (nunmehr § 45 Abs 1 ASVG) kann abgeleitet werden, daß damit nicht nur auf den Betrag der täglichen Höchstbeitragsgrundlage verwiesen werden sollte, sondern daß die Verweisung auch die Regelung der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage, der die Summe der Höchstbeitragsgrundlagen von 30 Tagen zugrunde zu legen ist, umfaßt. Bei Anwendung des § 1 Abs 4 Z 1 IESG ist daher zur Ermittlung des monatlichen Grenzbetrages die tägliche Höchstbeitragsgrundlage mit 30 Tagen in Ansatz zu bringen.

Da dem Kläger auf dieser Grundlage das Insolvenzausfallgeld für die Abfertigung bescheidmäßig zur Gänze zuerkannt wurde, erweist sich das erhobene Begehren auch in dem vom Berufungsgericht zuerkannten Umfang als nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht noch sind solche auf Grund der Aktenlage erkennbar.

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