OGH 10ObS280/89 (10ObS281/89)

OGH10ObS280/89 (10ObS281/89)21.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner (Arbeitgeber) und Günter Eberhard (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1. Katalin D***, Mühlbacherstraße 108, 8605 Kapfenberg, 2. Hermann H***, Am Platz 39, 8605 Kapfenberg, beide vertreten durch Dr. Harald Wolzt, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** U***, Adalbert Stifterstraße 65, 1200 Wien,

vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Leistungen aus der Unfallversicherung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Mai 1989, GZ 8 Rs 54,55/89-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15.Dezember 1989, GZ 22 Cgs 292/88-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 2.038,40 (darin S 339,70 Umsatzsteuer) bestimmten Revisionskosten binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 26.August 1988 lehnte die beklagte Partei den Anspruch der Erstklägerin auf Teilersatz der Bestattungskosten und Witwenrente aus Anlaß des tödlichen Unfalles ihres Ehemannes Janos D*** vom 14.Mai 1988 ab.

Mit Bescheid vom selben Tag lehnte die beklagte Partei auch den Anspruch des Zweitklägers auf Teilersatz der Bestattungskosten und Witwerrente aus Anlaß des tödlichen Unfalles seiner Ehefrau Irmgard H*** vom 14.Mai 1988 ab. In beiden Fällen sei der tödliche Unfall anläßlich einer vom Betriebsrat organisierten mehrtägigen Auslandsreise beim Untergang eines Ausflugsschiffes bei Dubrovnik in Jugoslawien nicht als Arbeitsunfall anzusehen.

Gegen diese Bescheide richten sich die Klagen der beiden klagenden Parteien, welche zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, mit dem Vorbringen, es habe sich bei der Auslandsreise um einen unfallgeschützten Betriebsausflug gehandelt.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Begehren der beiden klagenden Parteien, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihnen nach ihren an den Folgen des Arbeitsunfalles vom 14.Mai 1988 verstorbenen Ehepartnern Janos D*** und Irmgard H*** ab 15.Mai 1988 die Witwen- bzw. Witwerrente im gesetzlichen Ausmaß zu leisten, dem Grunde nach zu Recht bestehen und trug der beklagten Partei vorläufige Zahlungen sowie den Teilersatz der Bestattungskosten auf.

Folgender wesentlicher Sachverhalt steht fest:

Die Erstklägerin war mit Janos D*** verheiratet, der seit vier Jahren bei der G*** M***-Y***-S***-AG (G***) als Gartensaisonarbeiter beschäftigt war. Der Zweitkläger war mit Irmgard H*** verheiratet, die seit 1980 als Bedienerin bei der selben Firma tätig war. Die G*** M***-Y***-S***-AG, eine nahezu 100 %ige Tochtergesellschaft der V***

E*** AG hat ihren Sitz in Kapfenberg und beschäftigt durchschnittlich etwa 100 Mitarbeiter, davon 35 Angestellte und 65 Arbeiter. Firmenleitung und Belegschaftsvertretung veranstalteten seit mindestens 20 Jahren jährlich abwechselnd je einen Betriebsausflug für Angestellte und für die Arbeiter, wobei die organisatorische Durchführung jeweils beim zuständigen Betriebsrat lag. Vom Betrieb wurde die zahlreiche Teilnahme am Betriebsausflug gewünscht, der Firmenzuschuß orientierte sich an der Teilnehmerzahl. Ein nicht teilnehmendes Betriebsmitglied erhielt keine Abgeltung der Aufwendungen für den Betriebsausflug vom Betrieb. Zweck der Ausflüge sind die Förderung des Zusammengehörigkeitsgefühls, Schaffung eines Firmenbewußtseins und die Identifizierung mit dem Betrieb. Der Betriebsausflug wurde immer so terminisiert, daß es dem Geschäftsführer des Unternehmens möglich war, daran teilzunehmen. Es war üblich, den Beginn überdies so zu wählen, daß "Fenstertage bzw. Feiertage in den Betriebsausflug fielen. Freie Tage für die in den Betriebsausflug fallenden Werktage wurden vom Betrieb nicht gewährt, die Teilnehmer hatten entweder Zeitausgleich oder Urlaub zu nehmen, wobei ein Urlaubskonsum auch ohne entsprechenden Urlaubsanspruch in Form eines Urlaubsvorgriffes möglich war. Der Teilnehmerkreis des jeweiligen Betriebsausfluges, der vom Betriebsrat organisiert wurde, umfaßte die Lohnempfänger, deren Ehepartner und sofern noch Plätze frei waren, deren Kinder. Der Geschäftsführer und die Abteilungsleiter nahmen an den Ausflügen teil.

Für den klagsgegenständlichen Betriebsausflug wandte sich der Vorsitzende des Arbeiterbetriebsrates an den Geschäftsführer um Zustimmung und finanzielle Unterstützung zum Betriebsausflug. Es wurde ihm ein Betrag von S 65.000 zur Verfügung gestellt. Er holte von verschiedenen Reisebüros Anbote ein und entschied sich für eine Reise nach Dubrovnik, die von einem Reisebüro in Graz veranstaltet wurde. Im Betrieb wurde der geplante Betriebsausflug nach Dubrovnik vom 12. bis 15.Mai 1988 bekanntgegeben. Der Regiekostenbeitrag für Belegschaftsmitglieder betrug S 400, für Angehörige S 3.100. Das Programm sah vor, daß in den Morgenstunden des 12.Mai 1988 (Feiertag) von Kapfenberg nach Zagreb gefahren und anschließend nach Dubrovnik geflogen werden sollte. Am Freitag, dem 13.Mai 1988, war am Vormittag eine Busfahrt und Stadtbesichtigung geplant, der Nachmittag sollte zur freien Verfügung stehen. Am Samstag, dem 14. Mai 1988, war eine Besichtigung von Mostar geplant. Der Sonntag sollte bis zur geplanten Abfahrt um 17.00 Uhr wiederum zur freien Verfügung stehen. Am Betriebsausflug nahmen neben dem Geschäftsführer des Unternehmens der Hauptwohnverwalter, der Vorsitzende des Arbeiterbetriebsrates, 34 Arbeiter und 13 Angehörige, darunter die beiden Kläger und deren Ehegatten teil. Für den einzigen Werktag (Freitag den 13.Mai 1988) mußten die Arbeitnehmer Urlaub oder Zeitausgleich in Anspruch nehmen. Auch die nicht am Ausflug teilnehmenden Mitarbeiter der G*** waren bis auf einen Bereitschaftsdienst veranlaßt, sich für diesen Tag freizunehmen.

Am 14.Mai 1988 beschlossen die am Betriebsausflug Teilnehmenden, statt der geplanten Fahrt nach Mostar, die nicht möglich war, einen Bootsausflug zu unternehmen, an dem alle teilnahmen. Auf dieser Fahrt kenterte das Schiff, wobei unter anderen die Ehepartner der beiden Kläger ertranken.

Die Kosten des Betriebsausfluges beliefen sich auf insgesamt S 150.709, wovon S 65.000 von der G*** direkt bezahlt wurden, S 18.000 flossen aus dem vom Betrieb gespeisten Sozialfonds (S 200 je Mitarbeiter und Jahr), über welchen der Betriebsrat verfügungsberechtigt ist, S 14.800 zahlten die Belegschaftsmitglieder (je S 400), S 40.300 die Angehörigen (je S 3.100), der Rest von S 12.609 wurde aus der Betriebsratskasse bezahlt.

Rechtlich folgerte das Erstgericht aus diesem Sachverhalt, die Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen stehe unter Unfallversicherungsschutz, wenn und so lange diese vom Unternehmen veranstaltet würden oder mit dessen Billigung statfänden, sie im wesentlichen von Betriebsangehörigen besucht seien und der Betriebsverbundenheit dienten. Weitere Kriterien seien die überwiegende Kostentragung durch das Unternehmen und die Teilnahme der Unternehmensleitung als Repräsentanten der Autorität des Unternehmens. Unter den hier zutreffenden Kriterien falle auch eine mehrtägige Auslandsreise unter Versicherungsschutz. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung der Klagebegehren ab.

Aus den Feststellungen gehe hervor, daß der Betriebsausflug ausschließlich vom Arbeiterbetriebsrat des Unternehmens organisiert und geplant worden sei, die Firmenleitung aber nur um ihre Zustimmung und finanzielle Unterstützung gebeten worden sei. Wesentlich sei, daß es sich um eine viertägige Auslandsreise gehandelt habe, die ausschließlich vom Betriebsratsvorsitzenden organisiert worden sei und die Firmenangehörigen nicht einmal einen Tag dienstfrei erhalten hätten. Das Unternehmen habe nur eine zustimmende Funktion ausgeübt, die notwendig gewesen sei, weil ein Arbeitstag innerhalb der Reisezeit gelegen sei. Unter diesen Umständen könne nicht mehr davon gesprochen werden, der Betriebsausflug sei von der Autorität des Unternehmens getragen gewesen, daran ändere auch die Teilnahme des Geschäftsführers nichts. Auch das Reiseprogramm zeige, daß nicht so sehr Firmeninteressen im Vordergrund gestanden seien, sondern vielmehr der Versuch, den Teilnehmern durch einen Firmenzuschuß eine günstige Auslandsfahrt zu verschaffen. Der Unfallversicherungsschutz sei daher zu verneinen.

Rechtliche Beurteilung

Der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision kommt keine Berechtigung zu.

Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, können betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen grundsätzlich unter Versicherungsschutz stehen. Der Schutz solcher Veranstaltungen besteht insoweit, als die Teilnahme an ihnen ein Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist (Tomandl in Tomandl, System

4. ErgLfg 285; 10 Ob S 224/89). Es muß daher in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der örtliche, zeitliche und ursächliche Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung im Sinne des § 175 Abs.1 ASVG so weit gegeben ist, daß noch davon gesprochen werden kann, eine Gemeinschaftsveranstaltung sei noch Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit. Hiefür sind in jedem konkreten Fall eine ganze Reihe von Faktoren in ihrem Zusammenhang und in ihrer ausschlaggebenden Bedeutung als Beurteilungskriterien heranzuziehen. Es muß sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung handeln, die allen Betriebsangehörigen offensteht, an der, wenn auch ohne ausdrücklichen Zwang, alle teilnehmen sollen und die eine gewisse Mindestbeteiligung aufweist. Das Mitbringen engster Familienangehöriger, welches das Zusammengehörigkeitsgefühl fördern kann, wird einem Versicherungsschutz für die Betriebsangehörigen noch nicht entgegenstehen. Die Gemeinschaftsveranstaltung muß vom Betriebsleiter selbst veranstaltet, zumindest aber bei der Planung und Durchführung von seiner Autorität getragen werden. Hiefür sind die Anwesenheit des Betriebsinhabers oder Organes, die gänzliche oder teilweise Übernahme der Kosten, die Durchführung des Ausfluges während der Arbeitszeit oder die Gewährung eines arbeitsfreien Tages wichtige Anhaltspunkte (vgl. auch Brackmann; Handbuch 60.Nachtrag, 482 m bis q). Wenn auch das Vorliegen nicht aller aufgezeigter Kriterien noch keinen Versicherungsausschluß bedeuten muß - ein Betriebsleiter kann die Planung und Organisation des Betriebsausfluges wohl dem Betriebsrat überlassen, so lange er sich die Kontrolle und ausdrückliche endgültige Bewilligung in den Einzelheiten vorbehält, bei finanziell schwächeren Unternehmen wird der Kostenzuschuß zu Betriebsausflügen nicht entscheidend ins Gewicht fallen dürfen und auch die Gewährung von Urlaub an Arbeitstagen kann für sich allein noch nicht ausschlaggebend sein - so kommt es doch darauf an, in welcher Intensität die Gemeischaftsveranstaltung betrieblichen Zwecken dient und in welchem Umfang außerbetriebliche, private Interessen beteiligt sind. Während in der Vergangenheit Betriebsausflüge in der Regel auf einen bis maximal zwei Tage beschränkt waren, werden in neuerer Zeit gerade in größeren Unternehmen mit großem Sozialbudget Betriebsausflüge häufiger in einer Weise ausgedehnt, die es zweifelhaft erscheinen läßt, ob die Veranstaltung noch unter den Begriff des "Betriebsausfluges" fällt. Ausflüge erstrecken sich nicht selten über mehrere Tage, führen bisweilen ins Ausland und nehmen häufig Formen durch den Betrieb verbilligter Reisen an, die sehr wesentlich dem Kennenlernen entfernter (Urlaubs-)Gebiete und Sehenswürdigkeiten dienen. Hier ist eine besonders sorgfältige Abgrenzung geboten (vgl. auch Lauterbach Unfallversicherung3 Anm.41 zu § 448 RVO und Brackmann aaO 482 q).

Im vorliegenden Fall diente der Betriebsausflug wohl auch betrieblichen Interessen, nämlich der Förderung des Gemeinschaftsgefühles und der Verbundenheit mit dem Betrieb. Der Geschäftsführer nahm an der Reise teil, das Unternehmen leistete einen erheblichen Kostenbeitrag. Für den Betriebsausflug waren jedoch vier Tage in ein ausgesprochenes Urlaubsgebiet in Jugoslawien vorgesehen, für den einzigen in die Reisezeit fallenden Arbeitstag mjßte Urlaub genommen werden. Der Unternehmer beschränkte sich letztlich auf die Genehmigung des Reisezeitpunktes und die Bestimmung der Höhe des Zuschusses, der sich nach der Teilnehmerzahl richtete - am Ausflug nahm nur etwa die Hälfte der im Betrieb beschäftigten Arbeiter teil - , ohne im übrigen auf die Gesamtkosten Einfluß zu nehmen und überließ dem Betriebsrat die gesamte Organisation, die Auswahl des Ausflugszieles und auch die Gestaltung des Ausfluges selbst. Dieser aber sah nur zu einem geringeren Teil gemeinsame Veranstaltungen, daneben aber sehr viel Zeit zur freien Verfügung der einzelnen vor, die jedenfalls nicht in der Gemeinschaft der übrigen Betriebsangehörigen verbracht werden mußte. Die Gemeinschaftsveranstaltungen dienten ausschließlich dem Kennenlernen der Sehenswürdigkeiten von Dubrovnik und der Insellandschaft in der näheren Umgebung. Unter all diesen Umständen muß davon ausgegangen werden, daß der Zweck eines äußerst kostengünstigen Kurzurlaubes im Ausland - ein sicherlich legitimes Anliegen des Betriebsrates im Interesse der vertretenen Arbeitnehmer - gegenüber den betrieblichen Interessen des Unternehmers klar im Vordergrund stand, sodaß die Teilnahme an dem viertägigen Ausflug nicht mehr als Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit angesehen werden kann und daher der Unfallversicherungsschutz zu verneinen ist.

Der Revision war daher keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs.1 Z 2 lit.b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs.2 Z 1 ASGG abhing, konnte den Klägern nach Billigkeit die Hälfte der Kosten ihres Vertreters zugesprochen werden (SSV-NF 1/66).

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