OGH 1Ob27/89 (1Ob28/89)

OGH1Ob27/89 (1Ob28/89)15.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Dipl.-Ing. Helmar H***, Judenburg, Dorfstraße 95, vertreten durch Dr. Gerhard Rene Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte und widerklagenden Parteien 1.) Karl L*** sen., Pensionist,

2.) Anna L***, Hausfrau, beide Judenburg, Ederbastei 9, beide vertreten durch Dr. Hans Exner, Rechtsanwalt in Judenburg, wegen Feststellung und Zahlung (Gesamtwert S 125.460,90 s.A.), infolge Revision der klagenden und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 9. Mai 1989, GZ R 287,288/89-49, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Judenburg vom 11. November 1988, GZ 2 C 62/86-34 teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch über die Abweisung des Klagebegehrens auf Aufhebung des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Bestandvertrages (Punkt II/1) sowie im Kostenausspruch (Punkt II/3 und III) bestätigt im übrigen aber dahin abgeändert, daß der Kläger und Widerbeklagte schuldig ist, den Beklagten und Widerklägern den Betrag von S 64.080,90 samt 4 % Zinsen von je S 5.115,-- seit 2. August, 2. September, 2. Oktober, 2. November, 2. Dezember 1985, 2. Jänner, 2. Feber, 2. März, 2. April, 2. Mai, 2. Juni 1986 und von S 2.557,50 seit 2. Juli 1986 binnen 14 Tagen zu bezahlen. Das darüberhinausgehende Begehren auf Zuspruch von weiteren 5,5 % stufenmäßigen Zinsen wird abgewiesen.

Der Kläger und Widerbeklagte ist schuldig, den Beklagten und Widerklägern die mit S 6.789,42 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 1.131,57 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten und Widerkläger (im folgenden: Beklagte) vermieteten dem Kläger und Widerbeklagten (im folgenden: Kläger) mit (undatiertem) Vertrag das in ihrem Eigentum stehende Haus Judenburg, Alfons Petzoldgasse 12, gegen einen monatlichen wertgesicherten Mietzins von S 4.650,-- zuzüglich Betriebskosten. Gemäß Punkt 2 des Mietvertrages begann das Mietverhältnis am 1. September 1984 und endete ohne vorherige Aufkündigung am 31. August 1986. In Punkt 7 des Vertrages erklärte der Mieter, aus zeitweiligen Störungen oder Absperrungen der Wasserzufuhr, Gebrechen an Licht-, Kraft- und Kanalisierungsleitungen keine Rechtsfolgen abzuleiten. Nachdem am 11. Jänner 1985 die Haushaltswässer nicht mehr abgeflossen waren, teilte der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 1. Feber 1985 mit, daß die Wasserableitung nicht in Ordnung sei, wodurch es zu Verstopfungen im Kanal, zu einem Rückstau und zum Austritt von Fäkalwässern im sogenannten Badezimmer-Rohbau komme, was entsetzlichen Gestank nach sich ziehe. Abschließend hieß es: "Ich gebe Ihnen eine Frist bei sonstigem Vertragsrücktritt, den Kanal zwischen Ihrem und dem Nachbarhaus bis zum 31. Mai 1985 zu sanieren. Sollte die Sanierung bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt sein, werde ich aus Ihrem Haus ausziehen, sobald ich ein neues Domizil gefunden habe, d.h. der Auszugstermin wird der 30. Juni 1985 oder spätestens 31. Juli 1985 sein." Die vorzeitige Vertragsauflösung wurde von den Beklagten nicht zur Kenntnis genommen. Der Kläger stellte zunächst das Begehren, der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Mietvertrag gelte mit Rechtskraft des Urteils als aufgehoben. Er änderte es in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 30. Oktober 1985 dahin ab, daß der zwischen den Streitteilen abgeschlossene am 29. August 1984 den Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern angezeigte Mietvertrag mit 1. Juni 1985, in eventu 1. August 1985 als aufgehoben gelte. Der Kläger führte aus, die Kanalisation müsse Monat für Monat durch Installateur und Feuerwehr gereinigt werden, da sich in den Abflußrohren zufolge deren unsachgemäßer Verlegung ein übelriechender Fäkalienrückstand bilde, der sich in den Kellerräumen ausbreite und gesundheitsschädlich sei. Auch die Vormieter des Hauses hätten mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Er sei demnach berechtigt, gemäß § 1117 ABGB die Aufhebung des Bestandvertrages zu begehren. Die Beklagten hätten den Defekt gekannt, dem Kläger aber verschwiegen, weshalb er den Vertrag auch wegen Irrtums anfechte.

Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe sich in Punkt 7 des Vertrages des Rechtes zur vorzeitigen Auflösung des Bestandverhältnisses begeben. Da das Haus in der Zeit von April bis Ende 1984 leergestanden sei, seien vermutlich im Kanal befindliche Rückstände ausgetrocknet und hätten massive Hindernisse gebildet, sodaß es zu einem Rückstau von Feststoffen habe kommen können. Der Kanal sei aber nur ein einziges Mal defekt gewesen, nämlich am 11. Jänner 1985. Ursache hiefür seien die damals herrschenden arktischen Temperaturen gewesen. Der unmittelbare Vormieter des Klägers habe nur einmal mit den Kanal Schwierigkeiten gehabt. Die Vertragsaufhebung werde vom Kläger begehrt, weil ihm das Bestandobjekt von Anfang an zu klein gewesen sei und er nun eine Möglichkeit sehe, sich den vertraglichen Verpflichtungen zu entziehen. Die Kläger begehrten in der Widerklage den Betrag von S 64.080,90 samt 12 % Zinsen an rückständigem Mietzins, Betriebskosten und Kosten der Wartung der Zentralheizung. Der Kläger anerkannte dieses Begehren mit Ausnahme des Zinsenbegehrens der Höhe nach.

Der Erstrichter wies das (ursprünglich gestellte) Klagebegehren ab und gab dem Begehren der Widerklage Folge. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es bestätigte die Abweisung des Aufhebungsbegehrens, das es an das in der Tagsatzung vom 30. Oktober 1985 gestellte Begehren anpasste. In Ansehung des Leistungsbegehrens der Beklagten bestätigte es den Zuspruch des begehrten Betrages von S 64.080,90 und änderte den Zinsenausspruch dahin ab, daß den Beklagten nur 9,5 % (stufenmäßig berechnete) Zinsen zuerkannte. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes des Begehrens des Klägers S 60.000,--, jedoch nich S 300.000,-- übersteigt. Es erklärte die Revision in jeder der verbundenen Rechtssachen für zulässig. Das Berufungsgericht stellte nach Beweiswiederholung fest: Das Abwassersystem des Hauses habe schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht klaglos funktioniert, was den Bestandgebern auf Grund der Beschwerden der Vormieter Karl H*** und Herbert K*** bekannt gewesen sei. Die Beklagten hätten die sanitären Anlagen des Gebäudes vor dem Einzug des Klägers durch den Installateur Manfred K*** überprüfen lassen, der die Einrichtungen in Ordnung befunden habe. Tatsächlich habe aber weder der den Fallstrang mit dem Revisionsschacht verbindende Kanal noch der Schacht selbst den technischen Vorschriften bzw. den ÖNORMEN entsprochen. Die vorliegenden Mängel im Leitungssystem seien geeignet gewesen, die Abflußgeschwindigkeit des Wasserstroms zu verringern sowie Wirbel- und Sogbildungen hervorzurufen, wodurch Abwässer aus der Berme (die am tiefsten Punkt des Schachtes liegende Sohlrinne) bis zu den Schachtwänden austreten konnten, wo es zur Ablagerung von Fest- und Schwebestoffen gekommen sei. In der Folge habe sich ein Rückstau gebildet, wodurch im sogenannten Badezimmer-Rohbau Abwasser aus dem Gully ausgetreten sei, was naturgemäß mit einer gewissen Geruchsbelästigung verbunden gewesen sei. Die ersten Schwierigkeiten mit der Kanalisation seien am 11. Jänner 1985 aufgetreten. Die fäkalienhaltigen Rückstände im Schacht seien eingefroren gewesen. Der Kläger habe die Installationsfirma Manfred K*** beigezogen, die dem Problem jedoch nicht gewachsen gewesen sei, so daß letzten Endes die Feuerwehr der Stadt Judenburg das Abwassersystem habe enteisen und räumen müssen. Der Vorfall sei durch die strengen Temparaturen des damaligen Winters und dadurch begünstigt gewesen, daß kein Schachtkranz vorhanden gewesen sei, wodurch der provisorische Kanaldeckel nicht geschlossen habe. Am 27. März 1985 habe der Kläger die Feuerwehr der Stadt Judenburg neuerlich mit einer Kanalreinigung befassen müssen. Stadtbaudirektor Dipl.Ing. Friedrich M*** sei von der Tochter der Beklagten ersucht worden, die Kanalisation des Hauses in Augenschein zu nehmen. Er habe zunächst nur feststellen können, daß der Kanalschacht vor dem Haus verstopft gewesen sei. Nach abermaliger Inanspruchnahme der Feuerwehr habe das Abwassersystem wieder funktioniert. Am 30. Mai 1985 habe sich Baumeister Ing. Harald H*** im Auftrage der Beklagten an Ort und Stelle eingefunden, um Möglichkeiten zur Sanierung der Kanalisation zu prüfen. Er habe zwar keine akute Verstopfung, aber doch die dargestellten Mängel am Kanalisationssystem festgestellt. Am 31. Juli 1985 habe der Kläger das Bestandobjekt geräumt. Im August 1985 habe Ing. Manfred H*** bauliche Maßnahmen zur Verbesserung des Kanalisationssystems durchgeführt. Das Haus sei in der Folge leergestanden, bis es ab 15. Juli 1986 von Hans-Dieter P*** gemietet worden sei. Die Beklagten hätten den vom Kläger geschuldeten Betrag von S 64.080,90 mit Fremdkapital vorfinanziert, wofür 9,5 % Zinsen pro Jahr in Rechnung gestellt worden seien. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, gemäß § 1117 ABGB sei der Bestandnehmer berechtigt, vor Verlauf der vereinbarten Zeit vom Vertrag abzustehen, wenn der Bestandgegenstand zum bedungenen Gebrauch untauglich wird. Eine gelegentliche Verstopfung des Kanals mache das Haus jedoch nicht unbewohnbar. Selbst wenn mit dem Austreten von Abwasser eine gewisse Geruchsbelästigung verbunden gewesen sei, könne von einer völligen Unbrauchbarkeit des Mietgegenstandes nicht die Rede sein, wenngleich eine Beeinträchtigung der Wohnqualität nicht in Abrede gestellt werden solle. So unangenehm die Situation für den Kläger fallweise auch gewesen sein mag, müsse doch im Hinblick auf die relative Seltenheit der Vorkommnisse und bei Berücksichtigung des Umstandes, daß nur ein Kellerraum vom Austreten fäkalienbelastenden Wassers betroffen gewesen sei, auch die Gesundheitsschädlichkeit iS der Bestimmung des § 1117 Abs. 2 ABGB verneint werden. Der Kläger habe sein Begehren ausschließlich auf die Aufhebungserklärung zum 1. Juni 1985 bzw. 1. August 1985, somit auf die Bestimmung des § 1117 ABGB, gestützt. Eine rückwirkende Auflösung des Bestandvertrages werde nicht begehrt, so daß nicht zu prüfen sei, ob die Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung gegeben gewesen wären. Das Rechtsmittel des Klägers sei im Ergebnis nur insoferne begründet, als Zinsen nur im Ausmaß von 9,5 % zuzusprechen seien.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers, der jedoch nur in Ansehung des Ausmaßes des Zinsenzuspruchs Berechtigung zukommt.

Gemäß § 1117 ABGB ist der Bestandnehmer berechtigt, vor Ablauf der bedungenen Zeit vom Vertrag ohne Aufkündigung abzustehen, wenn der Bestandgegenstand ohne sein Verschulden in einen Zustand gerät, der ihn zum bedungenen Gebrauch untauglich macht. Aus dem Grund der Gesundheitsschädlichkeit gemieteter Wohnräume steht dieses Recht dem Mieter auch dann zu, wenn er im Vertrag darauf verzichtet hat. Der Bestandnhemer kann demnach die vorzeitige Auflösung des Vertrages erklären, wenn er aus Gründen, die nicht in seiner Sphäre liegen, vom Bestandgegenstand nicht den bedungenen Gebrauch machen kann, gleichgültig ob dies aus Verschulden des Bestandgebers oder durch Zufall, wegen Rechtsmängeln oder Sachmängeln der Fall ist (Würth in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1117 ABGB). Ein Verzicht auf bestimmte Auflösungsgründe ist mit Ausnahme der Gesundheitsschädlichkeit der gemieteten Wohnung an sich wirksam. Ein gänzlicher Verzicht auf die vorzeitige Aufhebung könnte nur insbesondere bei einem längerfristigen Mietvertrag, sittenwidrig sein, (Würth a.a.O., Rz 4 zu § 1117 ABGB), doch hat sich der Kläger auf die Sittenwidrigkeit der in Rede stehenden Vertragsbestimmung in erster Instanz nicht berufen, so daß hierauf nicht näher einzugehen ist (RdW 1987, 260; JBl. 1986, 373; MietSlg. 37.708 u.a.). Im Falle eines Verbrauchergeschäftes sind die Schranken, die sich aus den §§ 6, 9 KSchG ergeben, zu beachten (Würth, a.a.O. Rz 4 zu § 1117 ABGB). Die Beklagten als Vermieter eines Einfamilienhauses sind in dieser Eigenschaft aber nicht Unternehmer (SZ 53/103; Krejci in Rummel a.a.O. Rz 20 zu § 1 KSchG; Meinhart, Konsumentenschutz und Immobilienrecht, ImmZ 1980, 5, 7), so daß ein Verbrauchergeschäft nicht vorliegt. Da der Austritt von Fäkalwässern am 11. Jänner 1985 nur den Keller des Hauses betraf und damit auch nur eine (vorübergehende) Geruchsbelästigung verbunden war, liegt auch eine Gesundheitsschädlichkeit der vom Kläger gemieteten Wohnräume nicht vor. Die vertragliche Vereinbarung, wonach der Kläger aus zeitweiligen Gebrechen der Kanalisation keine Rechtsfolgen ableiten werde, ist demnach wirksam. Sie steht der Aufhebung des Vertrages gemäß § 1117 ABGB entgegen. Der Kläger macht weiter geltend, daß die Voraussetzungen der Anfechtung des abgeschlossenen Vertrages wegen Irrtums gegeben seien. Nun schließt die an sich gegebene Möglichkeit der vorzeitigen Vertragsauflösung nach den §§ 1117, 1118 ABGB den Irrtumseinwand nicht aus (MietSlg. 23.071). Es wird aber die Auffassung vertreten, daß bei Dauerschuldverhältnissen, die bereits in Vollzug gesetzt wurden, wegen der großen Schwierigkeit der Rückabwicklung die Irrtumsanfechtung mit der Wirkung der Auflösung des Rechtsverhältnisses ex tunc ausscheidet und nur die Auflösung mit wirkung ex nunc, d.h. durch Kündigung, zulässig sei. Koziol-Welser, Grundriß8 I 124, bezeichnen diese Meinung als herrschend, heben aber hervor, daß die Regel nicht auf alle Fälle von Willensmängeln angewendet werden solle; ein Drohender oder ein Betrüger wäre (durch die bloße Auflösung des Rechtsverhältnisses mit wirkung ex nunc) für sein Verhalten noch belohnt, etwa wenn ein Angestellter ohne Hochschulbildung jahrelang als "Diplomingenieur" gearbeitet habe. Beim Irrtum müsse an der Rückwirkung festgehalten werden, wenn er sich auf die Bemessung der Gegenleistung ausgewirkt habe. Der Oberste Gerichtshof hat den dargestellten Grundsatz bereits eingeschränkt. So wurde schon in MietSlg. 23.071 in Anlehnung an Gschnitzer in Klang, Komm.2 IV/1, 137, die Auffassung vertreten, daß die Schwierigkeit der Rückabwicklung bei Bestandverhältnissen nicht bestehe, weil bei Vertragsaufhebung die in § 877 ABGB allenfalls in den §§ 1041, 1431 ff ABGB normierten Rückerstattungspflichten grundsätzlich erfüllbar seien. Auch in MietSlg. 35.089 wird die Möglichkeit der rückwirkenden Aufhebung eines in Vollzug gesetzten Bestandvertrages anerkannt (vgl. auch Apathy in Schwimann, ABGB, IV/1 § 871 Rz 16). Das in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 30. Oktober 1985 gestellte Begehren, das, wie in der mündlichen Berufungsverhandlung dargestellt wurde, allein noch vom Kläger aufrecht erhalten wurde, kann aber nicht im Sinne einer Anfechtung des abgeschlossenen Bestandvertrages mit Wirkung seiner Vernichtung vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an verstanden werden. Stünde dem Kläger aber das Recht zu, den Vertrag mit dieser Wirkung wegen Irrtums anzufechten, erscheint es vertretbar, ihm das Recht der Anfechtung zu einem späteren Zeitpunkt einzuräumen. Der Kläger konzediert damit, daß der bisher gezahlte Mietzins gleichsam als vorweggenommene Rückabwicklung des Bestandverhältnisses zu gelten habe. Da der Kläger bis zu seinem Auszug am 31. Juli 1985 den Bestandzins entrichtet hat, wie sich insbesondere daraus ergibt, daß die Beklagten den Bestandzins erst ab 1. August 1985 begehren, könnte das gestellte Klagebegehren dahin verstanden werden, daß die Auflösung des Bestandvertrages wegen Irrtums mit Rückwirkung ab 1. August 1985 begehrt wird. Gemäß § 871 Abs. 1 ABGB ist aber die Aufhebung des Vertrages nur wegen eines wesentlichen Irrtums zulässig. Ein solcher liegt dann vor, wenn er für den Vertragsabschluß entscheidend war, wenn also das Rechtsgeschäft sonst nicht abgeschlossen worden wäre (SZ 55/2;

JBl. 1981, 425; Koziol-Welser a.a.O. 120; Apathy a.a.O. Rz 10 zu § 871). Die Beurteilung der Wesentlichkeit des Irrtums erfolgt primär nach dem hypothetischen Parteiwillen (ZVR 1983/141;

JBl. 1976, 646); falls ein solcher nicht feststellbar ist, entscheidet die Verkehrsanschauung und "verständige Würdigung des Falles" (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 871). Eine Behauptung, der Kläger hätte bei Kenntnis der wahren Sachlage den Vertrag nicht abgeschlossen, wurde im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt. Schon daran muß die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums scheitern. Es wäre aber auch bei zureichendem Sachvorbringen in Ermangelung eines feststellbaren übereinstimmenden Parteiwillens anzunehmen, daß nach der Verkehrssitte der festgestellte Mangel, dessen Auswirkungen, die Kanalverstopfungen, jeweils in relativ kurzer Zeit behoben werden konnte, nur einen unwesentlichen Irrtum darstellte, der nicht die Anfechtung, sondern nur die Anpassung des Vertrages gerechtfertigt hätte. Eine solche Anpassung des Vertrages (zB durch Minderung des Bestandzinses) wurde nicht begehrt. Berechtigung kommt der Revision in Ansehung des Zinsenzuspruches zu. Nach dem Gutachten des Obersten Gerichtshofes SZ 5/53 und ständiger Rechtsprechung (vgl. JBl. 1988, 244; RdW 1984, 85 ua), hat der Gläubiger einer fälligen, nicht bezahlten Geldschuld nach bürgerlichem Recht Anspruch auf den die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigenden wirklichen Schaden nur im Falle der von ihm zu erweisenden bösen Absicht oder auffallenden Sorglosigkeit des Schuldners. Da schon die Behauptung eines solchen qualifizierten Verschuldens des Klägers fehlt, stehen den Beklagten nur gesetzliche Zinsen von den jeweils fälligen Mietzinsbeträgen zu. Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs. 2 ZPO: Der geringfügige Rechtsmittelerfolg des Klägers steht einem vollen Kostenzuspruch an die Beklagten nicht entgegen.

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