OGH 12Os102/89

OGH12Os102/899.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alexander F*** und eine andere Angeklagte wegen der Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1, Abs. 2 lit. a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Alexander F*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 10.Mai 1989, GZ 7 Vr 424/88-27, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten Alexander F*** und des Verteidigers Dr. Bernhart zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Geldstrafe auf 500.000 S (fünfhunderttausend Schilling) und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 4 (vier) Monate herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 11.September 1926 geborene Kaufmann Alexander F*** wurde der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach (richtig:) § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG schuldig erkannt. Darnach hat er in Großpetersdorf

1./ als Inhaber der "Groß- und Einzelhandlung Alexander F***" von April 1986 bis Dezember 1988 - ausgenommen die Monate Mai und Oktober 1986 - vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Höhe von 2,851.524 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten;

2./ indem er für den Zeitraum April 1987 bis Dezember 1988 keine Lohnsteueranmeldungen abgab und die Lohnsteuer, den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag nicht entrichtete, vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung in der Höhe von 142.018 S bewirkt.

Der Angeklagte Alexander F*** bekämpft seine Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. a und 9 lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Der zunächst im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) - sachlich aus der Z 9 lit. a - erhobene (faktenmäßig nicht differenzierte) Einwand von Feststellungsmängeln zur Frage der Fälligkeit der tatgegenständlichen Abgabenforderungen und zu den jeweiligen Zeitpunkten der Belastung des Beschwerdeführers durch überhöhte Abgabenvorschreibungen und der Meldung der betrieblichen Umsätze des Angeklagten an die Abgabenbehörde scheitert schon mangels materiellrechtlicher Erheblichkeit dieser relevierten Umstände. Bei den urteilsgegenständlichen Abgaben handelt es sich nämlich durchwegs um solche, die vom Abgabenpflichtigen selbst zu berechnen sind. Dies trifft sowohl auf die Umsatzsteuervorauszahlungen auf Grund von dem § 21 des UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen, deren strafrechtlichen Schutz § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG bezweckt (während demgegenüber die bescheidmäßig festzusetzende Umsatzsteuer durch § 33 Abs. 1 FinStrG geschützt wird), als auch auf die Lohnsteuer für jene Zeit zu, in der der Angeklagte zur Abgabe von Lohnsteueranmeldungen verhalten war (§ 80 EStG). Nach § 33 Abs. 3 lit. b FinStrG ist aber eine Abgabenverkürzung nach Abs. 1 oder 2 bewirkt, wenn Abgaben, die selbst zu berechnen sind, ganz oder teilweise nicht entrichtet (abgeführt) wurden. Das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung ist als unechtes Unterlassungsdelikt darnach dann vollendet, wenn die Abgabe unter Rechtspflichtverletzung laut § 33 Abs. 1 oder 2 FinStrG bis zum spätesten zulässigen Zeitpunkt nicht bezahlt ist (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Finanzstrafgesetz, Anmerkungen 3 zu § 31 und 9 zu § 33).

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1972 ist der Unternehmer verpflichtet, innerhalb der Frist von einem Kalendermonat und zehn Tagen nach Ablauf des jeweils als Voranmeldungszeitraum in Betracht kommenden Kalendermonats eine Voranmeldung einzureichen, in der er die für den Anmeldungszeitraum zu entrichtende Umsatzsteuer (Vorauszahlung) selbst zu berechnen hat, welche zudem innerhalb der selben Frist zu entrichten ist. Daraus ergibt sich, daß eine gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG tatbestandsgemäße Verkürzung der Umsatzsteuervorauszahlung vollendet ist, wenn die Vorauszahlung - wie hier vom Angeklagten - nicht bis zum Fälligkeitszeitpunkt abgeführt wurde.

Für jene Zeit hinwieder, in welcher der Angeklagte zur Abgabe von Lohnsteueranmeldungen verhalten war, dieser Verpflichtung jedoch nicht nachkam, verletzte er eine abgabenrechtliche Offenlegungspflicht und verwirklichte, indem er diese ebenfalls selbst zu berechnenden Abgaben nicht innerhalb der gesetzlichen Fälligkeitsfristen (§§ 79, 80 EStG 1972) an das Finanzamt seiner Betriebsstätte abführte, auch insoweit eine Abgabenverkürzung im Sinn des § 33 Abs. 3 lit. b FinStrG und damit in diesem Punkt das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG (vgl. Sommergruber-Reger, Finanzstrafgesetz nach dem Stand vom 1. Mai 1989, ENr. 68 zu § 33 Abs. 1).

Da die dem Angeklagten zur Last fallenden Abgabenverkürzungen nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG demnach bereits mit der nicht rechtzeitigen Entrichtung der (durchwegs) selbst zu berechnenden Abgaben bewirkt waren (§ 33 Abs. 3 lit. b FinStrG), vermag eine Präsentation von Unterlagen über erzielte Umsätze erst nach den gesetzlichen Fälligkeitsterminen an der jeweiligen Deliktsverwirklichung ebensowenig zu ändern, wie die Nachreichung von (noch dazu nur einen Teil des Tatzeitraums betreffenden) Umsatzsteuervoranmeldungen (S 69 und 112). Dem Beschwerdestandpunkt zuwider bedurfte es daher weder hinsichtlich der nach den Verfahrensergebnissen jedenfalls verspäteten Nachreichung von Unterlagen zur Abgabenbemessung, noch bezüglich der im Verhältnis zum jeweiligen Anmeldungszeitraum ohnedies gesetzlich determinierten Fälligkeitstermine einer exakten datumsmäßigen Erfassung. Nicht anders verhält es sich mit den von der Beschwerde vermißten Feststellungen zu überhöhten Vorschreibungen anderer Abgaben, weil eine Kompensation der Verkürzung der hier in Rede stehenden Abgaben mit Mehrleistungen in einer anderen Abgabensparte, welche die Beschwerdeargumentation ersichtlich berücksichtigt haben will, (schon objektiv) ausscheidet (13 Os 110/83). Da überdies der vom Angeklagten (abweichend vom Urteilssachverhalt) geltend gemachte Kompensationswille zur Quantifizierung der beiderseitigen Forderungen vorausgesetzt hätte, daß der Angeklagte der ihm oblegenen Anzeige- bzw. Voranmeldungspflicht entsprochen hätte, berührt die Frage einer allfälligen Überhöhung anderweitiger Steuervorschreibungen auch in subjektiver Hinsicht keinen entscheidungswesentlichen Aspekt.

Soweit die Beschwerde im übrigen (der Sache nach ausschließlich unter der Z 9 lit. a) das Fehlen ausreichender Feststellungen zur subjektiven Tatseite geltend macht, übergeht sie jene wesentlichen Urteilskonstatierungen, denenzufolge der Angeklagte (aus Verbitterung über das Vorgehen des Finanzamtes, aber auch infolge des wirtschaftlichen Niedergangs des von ihm geleiteten Unternehmens) die inkriminierte Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer wissentlich (§ 33 Abs. 2 lit. a FinStrG) und von Lohnsteuerbeträgen unter Nichtentsprechung einer Anzeigepflicht vorsätzlich (§ 33 Abs. 1 FinStrG) bewirkte (S 126 bis 128). Diesbezüglich verfehlt die Rechtsrüge daher ebenso eine prozeßordnungsgemäße Darstellung wie mit dem weiteren, auf urteilsfremden Tatsachenprämissen beruhenden Einwand, der Angeklagte habe auf eine zutreffende Einschätzung der von ihm zu erbringenden Abgabenleistungen durch die Finanzbehörde vertraut. Letztlich verfängt auch nicht der Beschwerdehinweis auf eine (hypothekarische) Sicherstellung von Abgabenforderungen. Berührt er doch nur die für die Beurteilung der Tatbestandsverwirklichung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG unbeachtliche nachträgliche Schadensgutmachung.

Die insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 33 Abs. 5 FinStrG unter Bedachtnahme auf § 21 FinStrG zu einer Geldstrafe von 700.000 S (5 Monate Ersatzfreiheitsstrafe). Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen zweier Finanzvergehen, der lange Tatzeitraum und die Vernachlässigung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen auch nach Einleitung des Finanzstrafverfahrens, mildernd hingegen das "Tatsachengeständnis" und die subjektive Überzeugung des Angeklagten, von der Finanzbehörde ungerecht behandelt worden zu sein.

Diesen Strafausspruch bekämpft der Angeklagte mit Berufung, mit welcher er eine Herabsetzung der Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe im wesentlichen mit der (im Gerichtstag vorgebrachten) Begründung anstrebt, die Tathandlungen seien im Zusammenhang mit jenen wirtschaftlichen Nachteilen für sein Unternehmen zu sehen, die eine kraß überhöhte finanzbehördliche Schätzung betrieblicher Abgabenschulden und deren hypothekarische Sicherstellung nach sich gezogen hätten.

Der Berufung kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Vorweg hat das Zusammentreffen von zwei Finanzvergehen als

besonderer Erschwerungsgrund zu entfallen, weil dieser Umstand

bereits (durch die Summierung der einzelnen Strafdrohungen) die Höhe

der einheitlichen Geldstrafdrohung anhebt (§ 21 Abs. 2 FinStrG) und

eine Doppelverwertung strafschärfender Umstände nicht zulässig ist

(§ 32 Abs. 2 StGB hier iVm § 23 Abs. 2 FinStrG; Leukauf-Steininger2,

RN 12 ff zu § 32 StGB; 10 Os 39/87). Allerdings bewirkt dieser

Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot hier keine Nichtigkeit im

Sinn des § 281 Abs. 1 Z 11, zweiter Anwendungsfall, StPO, weil es

sich - anders als bei der bloßen Höhe des Schadens - beim

(realkonkurrierenden) Zusammentreffen zweier Finanzvergehen

angesichts der darin manifesten repetitiven Kriminalität immerhin um

einen nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung (§ 32

Abs. 2 und 3 StGB; § 23 Abs. 2 FinStrG) für die Gewichtung der

Strafzumessungsschuld als aggravierend bedeutsamen Umstand handelt

(14 Os 89/88 = NRsp 1988/297), der bloß irrig als besonderer

Strafzumessungsgrund angeführt wurde (14 Os 42/88 = EvBl. 1989/63 =

JBl. 1989, 331).

Da überdies die tatfördernde Senkung der Steuermoral des Angeklagten aus der Sicht der (hier durch die weitgehende nachträgliche Reduktion der ursprünglich ermittelten Abgabenschuld objektiv indizierten) erheblichen Überhöhung der abgabenbehördlichen Schätzungsergebnisse (über eine bloß subjektive Unrechtsüberzeugung hinaus) die Taten in einem im Vergleich zu einschlägigen Regelfällen milderen Licht erscheinen läßt, konnte mit der spruchgemäß herabgesetzten (Geld- und Ersatzfreiheits-) Strafe das Auslangen gefunden werden, ohne damit den Strafzweck zu gefährden.

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