OGH 13Os135/89

OGH13Os135/899.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Edelmann als Schriftführers in der Strafsache gegen Dipl.Ing. Herbert W*** wegen des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB a.F. über die Nichtigkeitsbeschwerde sowie über die Schuld- und Strafberufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 13. Juni 1989, GZ. 9 Vr 3136/85-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet (§ 285 i StPO).

Text

Gründe:

Der am 16.März 1930 geborene ehemalige Leiter der Weinabteilung der Landwirtschaftlich-chemischen Landes-Versuchs- und Untersuchungsanstalt Graz, Dipl.Ing. Herbert W***, wurde des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB a.F. schuldig erkannt.

Darnach hat er als Beamter für die pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften Vermögensvorteile angenommen, indem er von 1976 bis Ende 1984 von der Firma Brüder G*** OHG mindestens 400.000 S Bargeld und Wein im Wert von 100.000 S für die schnellere Untersuchung und Begutachtung von Weinproben außerhalb der Reihenfolge, für die noch positive Begutachtung von Exportweinen und amtlichen Gegenproben in Grenzfällen sowie für die Bekanntgabe des negativen Kostergebnisses bei Exportweinen und die Ermöglichung der nachträglichen Stornierung des Untersuchungsauftrags unter gleichzeitiger Unterlassung der Weitermeldung des negativen Kosturteils an das Weingütesiegelbüro und die Bundeskellereiinspektion (1) sowie

von 1975 bis 1979 von der Klosterkellerei Siegendorf mehrmals Bargeldbeträge von 1.000 bis 2.500 S sowie mindestens eine Jagdeinladung für die schnellere Untersuchung und Begutachtung von Weinproben außerhalb der Reihenfolge (2)

empfing.

Das Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z. 1, 4, 5, 5 a, 9 lit. a und 11 StPO. Überdies wird eine Schuld- und Strafberufung ausgeführt.

In der Verhandlung und Entscheidung seiner Strafsache durch ein Schöffengericht erblickt der Beschwerdeführer eine nicht gehörige Besetzung des Gerichts (Z. 1); richtigerweise, so vermeint er, wäre der Einzelrichter zuständig gewesen, denn die ursprüngliche Anklage wurde hinsichtlich der Punkte 2 und 3 (wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 StGB) zurückgezogen und nur mehr der Vorwurf nach § 304 Abs. 1 StGB aufrechterhalten. Der Umstand, daß in einem Verfahren, das in die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts oder des Einzelrichters des Gerichtshofs erster Instanz fiele, ein Schöffengericht, also ein Gericht höherer Ordnung entschieden hat, kann aber niemals eine Nichtigkeit begründen (LSK. 1976/343, EvBl. 1959/256 u.a.). Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher zu einem Vorgehen nach Art. 89 Abs. 2,140 Abs. 1 B-VG bezüglich § 219 StPO nicht veranlaßt.

In der Hauptverhandlung am 13.Juni 1989 beantragte der Rechtsmittelwerber unter anderem die Einvernahme des Rechtsanwalts Dr. Robert A*** als Verteidigers des Dipl.Ing. N*** zum Beweis dafür, daß letzterem für den Fall umfassender Geständigkeit und Bereitschaft zur Belastung von Mitangeklagten eine entgegenkommende Behandlung seitens der Staatsanwaltschaft in Aussicht gestellt wurde; weiters die Beischaffung der gerichtlichen Strafakten betreffend Dipl.Ing. N*** und Richard G*** zum Beweis dafür, daß die Genannten auch in jenem Verfahren wiederholt vorsätzlich unrichtige, andere Personen belastende Behauptungen aufstellten, um sich selbst Vorteile zu verschaffen, sodaß die Unglaubwürdigkeit dieser Zeugen ersichtlich sei; schließlich die Beischaffung der Krankengeschichte über das Schädelhirntrauma des Richard G*** und die nachfolgende jahrelange Behandlung zum Beweis dafür, daß Richard G*** nicht nur zum Fabulieren neige, sondern auf Grund einer fortgeschrittenen Lues seit Jahren nicht in der Lage sei, geordnete Behauptungen und Entscheidungen zu treffen, sodaß bei ihm eine Beeinflußbarkeit, insbesondere die von ihm behauptete Abgabe von Belastungsaussagen unter Druck, auch medizinisch wahrscheinlich werde (S. 492 i.V.m. S. 384/III).

Das Schöffengericht wies diese Anträge mit Zwischenerkenntnis gemäß § 238 StPO ab, weil die Modalitäten der Vernehmung von Dipl.Ing. N*** und Richard G*** durch die Einvernahme der Polizeibeamten K*** und B*** geklärt seien, die

behauptete gesetzwidrige entgegenkommende Behandlung der Vernommenen seitens der Untersuchungsbehörden durch die angebotenen Beweise nicht nachweisbar, aber auch von vornherein ungeeignet sei, zur Wahrheitsfindung in diesem Verfahren beizutragen; letztlich seien N*** und G*** im Verfahren 10 c Vr 558/85 des Kreisgerichts Krems a.d. Donau als Beschuldigte nicht unter Wahrheitspflicht gestanden (S. 493 f./III).

In der Verfahrensrüge (Z. 4) wird behauptet, diese Anträge seien zu Unrecht abgewiesen worden: Das Gericht räume zwar ein, daß aus den Aussagen des Zeugen G*** keine (konkreten) Feststellungen über die Höhe der monatlichen Zuwendungen getroffen werden könnten, habe aber dessen angeblichen Aussagen gegenüber Dipl.Ing. N*** zur Grundlage für den Schuldspruch genommen, ohne darauf Bedacht zu nehmen, daß für die behaupteten Zahlungen und Zuwendungen kein Beweismittel außer der angeblichen Information seitens G*** gegenüber N*** vorliege, also seitens jener Person, von der das Erstgericht selbst sage, daß aus deren Aussage keine Feststellungen getroffen werden konnten.

Mit Bezugnahme auf die Nichtbeischaffung der Prozeßakten gegen N*** und G*** und das Argument, dort hätten sich die Genannten als Beschuldigte nicht unter Wahrheitspflicht verantwortet, bemängelt der Beschwerdeführer, daß jene Aussagen, die das Erstgericht zur Grundlage von Feststellungen gemacht habe, zum Teil - und dabei noch widersprüchlich - von dem einen oder anderen im Rahmen der Voruntersuchung aufgestellt und in weiterer Folge mehrfach widerrufen, ergänzt und korrigiert worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Durch die Abweisung dieser Beweisanträge wurden Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt:

Daß dem Dipl.Ing. Otto N*** für den Fall der Belastung von Mitangeklagten eine entgegenkommende Behandlung seitens der Anklagebehörde in Aussicht gestellt wurde, hätte durch eine Aussage des Zeugen Dr. A*** nicht nachgewiesen werden können, weil dieser bei den Vernehmungen seines Mandanten gar nicht anwesend war. Dezidierte Behauptungen, woher Rechtsanwalt Dr. A*** über die näheren Erhebungsvorgänge informiert gewesen sein sollte, wurden vom Beschwerdeführer nicht aufgestellt. Ob sich Dipl.Ing. Otto N*** und Richard G*** in dem sie betreffenden Strafverfahren wahrheitsgemäß oder nicht verantwortet haben, ist unerheblich; maßgebend sind ausschließlich die im gegenständlichen Verfahren abgelegten Aussagen, deren Würdigung dem erkennenden Gericht vorbehalten bleiben muß. Inwieweit die Aussagefähigkeit des Zeugen G*** durch ein Schädeltrauma beeinträchtigt war, konnte gleichfalls auf sich beruhen, weil das Erstgericht die stets wechselnden Aussagen dieses Zeugen ohnedies nicht für eine alleinige Feststellungsgrundlage als geeignet erachtete (S. 518 f./III). Mit seiner weitwendigen Mängelrüge (Z. 5) vermag Dipl.Ing. W*** keine formellen Begründungsmängel in der Bedeutung des angezogenen Nichtigkeitsgrunds aufzuzeigen. Soweit die Einwände nicht unentscheidende (d.s. solche, die weder für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes relevant sind) Tatumstände betreffen, ist folgendes zu erwidern:

Die Annahme, daß der Rechtsmittelwerber bei Untersuchungen und Begutachtungen von Import- und Exportweinen als Beamter tätig gewesen ist, wurde vom Gericht unter Hinweis auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ausführlich und hinreichend begründet (S. 502-510, 520/III).

Die Aussagen der Zeugen Georg K*** und Peter M*** bedurften deshalb keiner Erörterung im Urteil, weil das Gericht davon ausging, daß die Weingeschenke an Dipl.Ing. W*** oft direkt in seine Wohnung zugestellt wurden (S. 512/III), die erwähnten Zeugen aber nur über kleinere Weingeschenke auszusagen wußten, die in der Anstalt unter der Belegschaft aufgeteilt wurden.

Die Angaben des Richard G*** in den verschiedenen Phasen des Strafverfahrens mußten in den Urteilsgründen nicht in allen Details wiedergegeben werden. Die sich daraus ergebenden Divergenzen über die Höhe der Zuwendungen und deren Modalitäten wurden vom Schöffengericht in Erwägung gezogen und die Aussagen des Zeugen daher nur insoweit als Beweismittel verwertet, als sie eine Bestätigung für die Richtigkeit der belastenden Angaben des Dipl.Ing. N*** boten (erneut S. 518 f./III).

Die im Kern gleichbleibende Zeugenaussage des Dipl.Ing. N*** wurde von den Tatrichtern bezüglich ihrer Glaubwürdigkeit und Verläßlichkeit positiv beurteilt. Der kritisch-psychologische Vorgang der Beweiswürdigung ist als solcher einer Überprüfung im Rahmen der Z. 5 nicht zugänglich. Eine Verpflichtung, diese Aussage in allen Einzelheiten auf ihre Eignung zu prüfen, diese oder jene Version zu stützen, bestand angesichts des Gebots gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO) nicht. Gleiches gilt für die als Feststellungsgrundlage herangezogene Aussage des Zeugen Ing. Jost H***.

Im übrigen erschöpft sich das Beschwerdevorbringen im Versuch, den Beweisen, auf denen die entscheidungswesentlichen Urteilsfeststellungen beruhen, die vom Schöffengericht als unglaubwürdig abgelehnte Verantwortung des Angeklagten gegenüberzustellen. Mit der Behauptung, diesen wohne ein höheres Maß an Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit inne als den ihnen entgegenstehenden belastenden Beweisen, wird aber bloß in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatrichter angefochten. Eine mit den vorstehenden Überlegungen einhergehende, sonach umfassende Prüfung des Beschwerdevorbringens unter dem Gesichtspunkt des gleichfalls geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds der Z. 5 a vermittelt die Überzeugung, daß sich aus den Akten - bei Bedacht auf § 258 Abs. 2 StPO - erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen nicht ergeben können.

Die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) entbehrt zur Gänze einer gesetzmäßigen Ausführung, weil sie nicht den im Urteil festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht. Der Beschwerdeführer weicht nämlich von jenen Tatsachenfeststellungen ab, nach denen er in Beziehung auf die Untersuchungen und Begutachtungen von Wein für die Firma Brüder G*** OHG und für die Klosterkellerei Siegendorf nicht in privater Eigenschaft, sondern als Beamter tätig geworden ist, daß er die inkriminierten Geschenke für die pflichtgemäße Ausübung von Amtsgeschäften angenommen hat, daß die Geldzuwendungen sehr wohl an ihn ergingen und daß auch die inkriminierten Weinlieferungen oft ihm persönlich in seine Wohnung zugestellt wurden. Jene Weingeschenke aber, die den Bediensteten und Personen der Lebensmittelversuchsanstalt Graz zukamen und die ersichtlich den Rahmen des Üblichen und die Grenze der Geringfügigkeit nicht überschritten haben, sind nicht Gegenstand des Schuldspruchs. Mit dem Einwand, es lägen die Voraussetzungen des § 20 StGB für den Ausspruch einer Verfallsersatzstrafe mangels einer mit den Zuwendungen zusammenhängenden strafbaren Handlung nicht vor (Z. 11), und mit der Behauptung, das Erstgericht habe ihm ein rechtmäßiges Verhalten bestätigt, übergeht der Beschwerdeführer die Feststellung einer strafbaren Handlung in der Verwirklichung des Tatbestands des § 304 Abs. 2 StGB, demzufolge die ansonst pflichtgemäße Amtsausübung sich mit dem Fordern, Annehmen oder Sichversprechenlassen eines Vermögensvorteils zu einer strafrechtlichen Einheit sui generis verbindet. Im übrigen genügt der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung (LSK. 1984/20; EvBl. 1983/96), welche die Zulässigkeit der Nebenstrafe des Verfalls auch dann bejaht, wenn sich das strafbare Verhalten in der Annahme der Zuwendung nach § 304 StGB erschöpft.

Sofern der Rechtsmittelwerber sein Vorbringen zur Z. 1 auch als Nichtigkeit gemäß Z. 11 geltend zu machen trachtet, ist er auf die Erwiderungen zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund zu verweisen. Die teils unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO; § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO i.V.m. § 285 a Z. 2 StPO).

Die gegen ein schöffengerichtliches Urteil unzulässige Schuldberufung war gleichfalls zurückzuweisen.

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