Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 17.452,80 S (darin enthalten 2.908,80 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Bauunternehmung Wolfgang F*** Gesellschaft mbH. Diese Gesellschaft schuldete der Klägerin rückständige Sozialversicherungsbeiträge. Zur Vermeidung der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft unterschrieb der Beklagte am 2.Jänner 1978 folgende
"Bürgschafts- und Haftungserklärung
Herr Wolfgang F***, geb. 4.7.1945, verpflichtet sich hiermit, die
unter der Firmenbezeichnung
Firma Wolfgang F***, Ges.m.b.H.
Bauunternehmen
Bürs
angefallene und bestehende Beitragsschuld von S 382.122,85 die Haftung als Bürge und Zahler gem. § 1357 ABGB zu übernehmen. Er erklärt sich auch bereit, die Haftung auch für die künftig anfallenden Sozialversicherungsbeiträge zu übernehmen. Er erhebt keine Einwendungen, wenn gegen ihn wie gegen einen Dienstgeber im Sinne des ASVG vorgegangen wird. Vor allem erhebt er keine Einwendungen, wenn gegen ihn Rückstandsausweise ausgestellt werden."
Dem Beklagten war klar, daß er mit dieser Erklärung die persönliche Haftung als Bürge und Zahler für alle Forderungen der Klägerin gegen die Gesellschaft wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge übernommen hatte. Nach dieser Erklärung und einer Teilzahlung des Beklagten zog die Klägerin einen bereits bei Gericht überreichten Konkursantrag zurück; auch weitere, in den Jahren 1981 bis 1983 gestellte Konkursanträge zog sie wieder zurück. Auf Grund eines weiteren Antrages der Klägerin wurde jedoch im Jahr 1984 über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Die Klägerin meldete eine Forderung von 1,142.632,71 S an. Durch einen im Zuge des Konkursverfahrens abgeschlossenen Zwangsausgleich erlitt die Klägerin einen Ausfall in der Höhe des eingeklagten Betrages. Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin den Beklagten für diesen Ausfall in Anspruch. Mit der Erklärung vom 2.Jänner 1978 habe der Beklagte die Haftung als Bürge und Zahler nicht nur für die damals bereits aufgelaufenen, sondern auch für die erst in Zukunft entstehenden Beitragsrückstände der Bauunternehmung Wolfgang F*** Gesellschaft mbH übernommen; das sei vor der Abfassung der Erklärung auch mündlich besprochen worden.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Die Haftung eines Bürgen und Zahlers erstrecke sich nicht auf den Ausfall, den der Gläubiger durch einen Ausgleich des Hauptschuldners erleidet. Die Erklärung vom 2.Jänner 1978 enthalte keinen Rechtsgrund einer Haftung für erst in Zukunft entstehende Beitragsrückstände. Diese Unklarheit sei zum Nachteil der Klägerin dahin auszulegen, daß insoweit nur eine reine Bürgschaft übernommen worden sei; auch aus diesem Grund hafte der Beklagte nicht für die nach seiner Erklärung entstandene Forderung der Klägerin. Der Beklagte habe jedoch diese Erklärung auch unter falschen Voraussetzungen unterfertigt, weshalb sie "aus Irrtum" angefochten werde. Bei der Unterfertigung der Erklärung sei sich der Beklagte deren Tragweite nicht bewußt gewesen. Eine so pauschal gehaltene Haftungserklärung verstoße im übrigen mangels Überschaubarkeit gegen die guten Sitten. Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Beklagte habe zwar auch für die in Zukunft auflaufenden Beitragsrückstände der Gesellschaft die Haftung als Bürge und Zahler übernommen; da jedoch die Forderung der Klägerin gegen die Gesellschaft erloschen sei, sei auch die gegen den Bürgen gerichtete Forderung erloschen.
Das Berufungsgericht gab der Klage statt. Durch den Abschluß und die Erfüllung des Zwangsausgleiches sei die Restschuld der Gesellschaft nicht erloschen, sondern lediglich zu einer Naturalobligation geworden. Die Rechte der Gläubiger gegen den Bürgen, der die Haftung für die Gesamtforderung übernommen hat, seien dadurch nicht berührt worden. Die Klägerin habe durch den Abschluß des Zwangsausgleiches weder ausdrücklich noch schlüssig eine Einschränkung ihrer Rechte gegen den Beklagten vorgenommen; der Beklagte hafte daher als Bürge für den Ausfall der Klägerin, selbst wenn er sich nur als Bürge verpflichtet hätte. Das Erstgericht habe jedoch festgestellt, daß die Übernahme der Haftung als Bürge und Zahler dem erklärten Parteiwillen entsprochen hatte. Wie die schriftliche Erklärung sonst auszulegen sei, müsse daher nicht beurteilt werden. Damit sei aber auch dem Einwand des Beklagten, die schriftliche Erklärung sei mangels Überschaubarkeit der Rechtsfolgen sittenwidrig, die Tatsachengrundlage entzogen. Es sei auch nicht unzulässig, die Bürgschaft für erst in Zukunft entstehende Forderungen zu übernehmen, wenn sich diese - wie die Forderungen der Klägerin für rückständige Sozialversicherungsbeiträge - bestimmen ließen. Auch daraus, daß für die Bürgschaft vertraglich kein Endtermin vorgesehen wurde, sei dem Beklagten kein Nachteil erwachsen, weil ihm zufolge der vermuteten Parteienabsicht, daß derartige Bürgschaften nicht für immer übernommen werden, das Recht zur Kündigung der Vereinbarung zugestanden sei. Der Beklagte habe aber nicht behauptet, davon Gebrauch gemacht zu haben. Auf die Irrtumsanfechtung sei mangels konkreter Behauptungen nicht einzugehen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Beklagte führt in seiner Revision im wesentlichen aus, die in der Erklärung vom 2. Jänner 1978 umschriebene Haftung für zukünftige Sozialversicherungsbeiträge sei keine Bürgschaft gewesen, selbst wenn eine solche gewollt gewesen wäre, wäre sie wegen ihres unbestimmbaren Inhaltes eine gegen die guten Sitten verstoßende Zukunftsbürgschaft. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß sich der Beklagte der Übernahme der Haftung als Bürge und Zahler bewußt gewesen sei, sei insoweit aktenwidrig, als dieses Bewußtsein nur die damals bereits aufgelaufenen Sozialversicherungsbeiträge erfaßt habe. Nach den maßgebenden Auslegungsvorschriften sei im Zweifel anzunehmen, daß sich der Beklagte nur die geringere Last habe auferlegen wollen; es sei daher nicht anzunehmen, daß mit der im Jahr 1978 abgegebenen Erklärung auch die im Jahr 1984 aufgelaufenen Sozialversicherungsbeiträge gemeint waren. Da der Beklagte bis 1984 von der Klägerin nicht in Anspruch genommen worden sei, habe er auch keinen Anlaß gehabt, von einem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Schließlich stimme die in die Erklärung aufgenommene Firma der Hauptschuldnerin nicht mit deren protokollierter Firma überein; daraus ergebe sich ebenfalls, daß der Beklagte keine so weitreichende Haftung übernommen habe. Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden:
Die zutreffende Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der im Konkurs des Hauptschuldners abgeschlossene und erfüllte Zwangsausgleich die Rechte des Gläubigers gegen Bürgen und Mitverpflichtete nicht berührt, mit anderen Worten, daß der Bürge für den Ausfall, den der Gläubiger durch diesen Ausgleich erlitten hat, einzustehen hat, bekämpft die Revision nicht mehr; auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes kann daher insoweit verwiesen werden.
Nach den maßgebenden Feststellungen war sich der Beklagte bei der Unterfertigung der Erklärung vom 2.Jänner 1978 durchaus bewußt, die Haftung für die darin angeführten Forderungen als Bürge und Zahler zu übernehmen; der in der Revision in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit trifft nicht zu. Diese Feststellung ist im Zusammenhang damit, daß der Beklagte die Rücknahme eines gegen die Gesellschaft bereits eingereichten Konkursantrages erreichen wollte, so aufzufassen, daß er dem entsprechenden Begehren der Klägerin Rechnung trug, in diesem Punkt also Willensübereinstimmung erzielt wurde. Einer Auslegung der festgestellten Willenserklärung im Wege der rechtlichen Beurteilung bedarf es daher nicht mehr (EvBl 1980/99). Auch im Wege einer solchen Auslegung nach §§ 914, 915, 1353 ABGB käme man aber zu keinem anderen Ergebnis, kann doch der Anführung der Haftung für die zukünftigen Sozialversicherungsbeiträge unmittelbar nach der Erklärung, daß der Beklagte für den bereits aufgelaufenen Beitragsrückstand die Haftung als Bürge und Zahler übernimmt, kein anderer Sinn beigelegt werden. Dafür, welcher anderen Art die Haftung für die zukünftigen Sozialversicherungsbeiträge sein sollte, bleibt der Beklagte jede Erklärung schuldig; auf die Wortwahl allein kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Nach Lehre (Ohmeyer in Klang2 VI 214; Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1353 ua) und ständiger Rechtsprechung (EvBl 1973/177; RZ 1977/76 ua) ist eine Bürgschaft für erst in Zukunft entstehende Forderungen immer dann wirksam, wenn diese Forderungen der Art und der Höhe nach im Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung zumindest bestimmbar sind. So ist insbesondere auch eine Bürgschaft für die in Zukunft fällig werdenden Sozialversicherungsbeiträge eines konkret bezeichneten Unternehmens zulässig (5 Ob 43/67; SZ 42/36; SZ 57/112). Den gegenteiligen Ausführungen in der Revision kann daher nicht gefolgt werden.
Auch die Übernahme einer zeitlich unbegrenzten Bürgschaft ist möglich; in einem solchen Fall nehmen aber Lehre und Rechtsprechung (Ohmeyer aaO 219; Gamerith aaO Rz 3 zu § 1353; JBl 1971, 257; EvBl 1964/180) nach der vermuteten Parteienabsicht ein Kündigungsrecht wie bei sonstigen Dauerschuldverhältnissen an. Der Beklagte hat nicht behauptet, davon Gebrauch gemacht zu haben. Daraus aber, daß ihn die Klägerin bis 1984 auf Grund seiner Bürgschaft nicht in Anspruch genommen hat, durfte er nach den Umständen nicht den Schluß ziehen, daß er aus dieser Haftung entlassen worden sei; umso weniger geht aber daraus hervor, daß ein derartiger Bürgschaftsvertrag nicht zustandegekommen wäre. Welchen Einfluß die unkorrekte Wiedergabe der Firma der Hauptschuldnerin in der Erklärung vom 2. Jänner 1978 auf den Umfang der Haftung des Bürgen haben sollte, ist nicht zu sehen. Aus den dargelegten Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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