OGH 10ObS335/89

OGH10ObS335/897.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann (AG) und Dr. Norbert Bartolomai (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria P***, Hilfsarbeiterin, 1210 Wien, Pragerstraße 67/14, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

1092 Wien, Roßauer Lände 3, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Jänner 1989, GZ 31 Rs 322/88-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. Mai 1988, GZ 11 a Cgs 75/86-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin ab dem Stichtag die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Die am 7. Juni 1937 geborene Klägerin war bisher als Landarbeiterin, Hilfsarbeiterin und Bedienerin beschäftigt. Es sind ihr - auf Grund ihres näher beschriebenen geistigen und körperlichen Zustands - leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen in normaler Arbeitszeit bei Einhaltung der üblichen Pausen zumutbar, wobei Arbeiten an erhöhten exponierten Stellen, ausgesprochene Hebe- und Tragearbeiten sowie Arbeiten, bei denen ein Hörvermögen vorausgesetzt wird, ausgeschlossen sind. Der Arbeitsplatz kann erreicht werden, Fabriksmilieu ist möglich, Anlernbarkeit gegeben.

Die Klägerin kann noch als Raumpflegerin, Hausarbeiterin oder Saaldienerin arbeiten sowie Sortier- und Verpackungsarbeiten und einfache Kontrollarbeiten durchführen. Arbeitsplätze kommen hiefür in ausreichender Anzahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vor. Zur rechtlichen Beurteilung der Sache führte das Erstgericht aus, daß die Klägerin keinen Berufsschutz genieße und die Einschränkung ihres Leistungskalküls nicht derart sei, daß sie als invalid gelte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Rechtsrüge sei nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil darin nicht von der Feststellung des Erstgerichtes ausgegangen werde, daß die Klägerin noch verschiedene Berufstätigkeiten verrichten könne. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Klägerin hat in der Revision die Revisionsgründe zwar bezeichnet, die Ausführungen aber nicht bestimmten Revisionsgründen zugeordnet. Dies ist allerdings unerheblich (vgl. § 2 Abs 1 ASGG iVm § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO).

Ausführungen, die dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit zu unterstellen sind, enthält die Revision nicht.

Unter den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens fallen jene Ausführungen, mit denen die Klägerin darzutun versucht, daß sich das Berufungsgericht mit einzelnen Berufungsausführungen nicht auseinandergesetzt habe. Es handelt sich dabei um die Berufungsausführungen, mit denen die Klägerin auf verschiedene Leiden hinwies, die in den Gutachten der Sachverständigen erwähnt werden, und mit denen sie geltend machte, daß sie vom Erstgericht nicht festgestellt wurden. Diese Berufungsausführungen enthielten eine Rechtsrüge, soweit damit Feststellungsmängel geltend gemacht wurden, weil sie auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruhen würden (vgl. Fasching, ZPR Rz 1774). Im übrigen wurden damit die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und die darauf gegründeten Tatsachenfeststellungen bekämpft.

Das Berufungsgericht hat zu den wiedergegebenen Berufungsausführungen einerseits die Ansicht vertreten, daß es keinen Verfahrensmangel begründe, wenn nicht sämtliche aus den medizinischen Gutachten ersichtlichen "Details" in die Urteilsfeststellungen Eingang finden. Der in der Revision dem Berufungsgericht gemachte Vorwurf trifft demnach nicht zu, ganz abgesehen davon, daß die unvollständige Erledigung der Rechtsrüge keine wesentliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens begründet hätte. Im übrigen hat das Berufungsgericht in seinem Urteil zum Ausdruck gebracht, daß es das vom Erstgericht festgestellte Leistungskalkül trotz der in der Berufung angeführten Leiden für unbedenklich hält. Es hat sich damit auch mit jenem Teil der Berufungsausführungen auseinandergesetzt, der der Beweisrüge zuzuordnen ist, weshalb sein Verfahren auch in diesem Punkt nicht mangelhaft geblieben ist.

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Berufung keine dem Gesetz gemäß ausgeführte Rechtsrüge enthalte, ist zwar nicht nichtig, weil die Klägerin darin die angeführten Feststellungsmängel geltend machte. Sie kann deshalb die Revision auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache stützen (vgl. SSV-NF 1/28), weshalb der Oberste Gerichtshof auf Grund der Revision die rechtliche Beurteilung der Sache zu prüfen hat. Die Klägerin wiederholt in ihren der Rechtsrüge zuzuordnenden Ausführungen im wesentlichen die schon in der Berufung enthaltenen Ausführungen, wonach verschiedene Leiden, die aus den Sachverständigengutachten hervorgehen, nicht festgestellt worden seien und diese Feststellungen zu einem anderen Leistungskalkül geführt hätten. Sie verkennt dabei, daß es nicht notwendig ist, sämtliche Leiden des Versicherten im einzelnen festzustellen, weil es nur darauf ankommt, inwieweit dadurch die Fähigkeit zur Ausübung einer Berufstätigkeit eingeschränkt wird. Dies hat das Erstgericht aber festgestellt. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend das Vorliegen von Feststellungsmängeln verneint.

Im übrigen richten sich die bezogenen Revisionsausführungen neuerlich gegen die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes. Diese können jedoch mit Revision nicht mehr bekämpft werden (vgl. § 2 Abs 1 ASGG iVm § 503 ZPO).

Geht man von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes aus, so ist die Klägerin nicht invalid im Sinn des für sie maßgebenden § 255 Abs 3 ASVG, weil ihr noch die Berufstätigkeiten zugemutet werden können, die aus diesen Tatsachenfeststellungen hervorgehen. Die von der Klägerin in der Revision vertretene Ansicht, daß sie diese und auch andere Berufstätigkeiten nicht mehr ausüben könne, steht mit den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist, im Widerspruch. Die entsprechenden Revisionsausführungen sind daher nicht zielführend. Insbesonders trifft es nicht zu, daß die Klägerin nicht gehen und stehen, sich nicht konzentrieren und nicht heben oder tragen kann, dies, weil nur "ausgesprochene" Hebe- und Tragearbeiten ausgeschlossen sind.

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