Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.479,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.913,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger stürzte am 10. Juli 1986 in der Bäckerei F***, in der er als Bäcker und Konditormeister angestellt ist, in den Schacht des Lastenaufzugs und zog sich schwere Verletzungen zu. Er begehrt unter Berücksichtigung eines eigenen Mitverschuldens von einem Drittel vom Beklagten, der Reparaturarbeiten am Aufzug durchführte, Schadenersatz in der Höhe von S 453.514,--. Außerdem stellte der Kläger ein Feststellungsbegehren.
Der Beklagte bestritt, den Unfall verschuldet zu haben. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Der 1980 errichtete Lift führt vom Keller in das Dachgeschoß über insgesamt vier Geschoße. Der Kläger wurde der Gewerbebehörde gegenüber als Liftwart gemeldet, hat als solcher aber keine besondere Ausbildung erhalten. In den einzelnen Geschoßen befinden sich neben den zweiflügeligen Lifttüren die Bedienungsknöpfe sowie eine Kontrollampe, die anzeigt, wenn sich der Lift in dem betreffenden Geschoß befindet. Die Lifttüren können nur geöffnet werden, wenn sich der Lift in diesem Geschoß befindet. Zu Reparaturzwecken ist es möglich, die Lifttüren mit einem Innenvierkantschlüssel zu öffnen, auch wenn sich die Liftkabine nicht hinter dieser Tür befindet. Dieser Schlüssel befand sich in Verwahrung des Klägers und war im Dachgeschoß in der Nähe des Triebwerkraums abgelegt. Da der Lift schon in der Nacht zum 10. Juli 1986 nicht funktionierte und sich aus dem Kellergeschoß nicht holen ließ, verständigte der Kläger den Beklagten. Dieser nahm Überprüfungen in verschiedenen Geschoßen vor, stellte im Dachgeschoß das Fehlen einer Drehstromphase fest und traf in diesem Geschoß mit dem Kläger zusammen. Mit einem "Kunstgriff" holte der Beklagte die Liftkabine in das Dachgeschoß. Da der Kläger erklärte, seiner Meinung nach werde das Ausfallen des Lifts dadurch verursacht, daß es bei Luftzug zu starken Türbewegungen komme, schlug der Beklagte vor, die Türen in allen Geschoßen zu überprüfen. Damit begann der Beklagte im Dachgeschoß. Anschließend gingen beide Streitteile gemeinsam in den 1. Stock, ohne den Lift zu betätigen. Der Beklagte nahm den Schlüssel zum Öffnen der Lifttüre mit. Beide Streitteile standen vor der Tür, und zwar der Beklagte rechts und der Kläger links vor den Bedienungsknöpfen und dem Kontrollicht. Rechts der Tür befand sich eine Gegensprechanlage. Der Beklagte öffnete mit dem Vierkantschlüssel rechts oben den rechten Türflügel, der sodann unter einem Winkel von etwa 30o offenstand. Sodann fragte der Beklagte den Kläger nach der Funktion eines Riegels, der offenbar erst nach der Montage des Lifts angebracht worden war. Als der Beklagte mit der Erklärung begann, machte der Kläger einen Schritt auf den etwas geöffneten rechten Türflügel zu und stieg, am Beklagten vorbei und für diesen völlig überraschend, in den Liftschacht und stürzte ab. Es ist möglich, daß der Kläger knapp vorher ein kurzes Gespräch über die Gegensprechanlage führte, wozu er den Knopf der Gegensprechanlage nicht drücken mußte. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, zwischen der Firma F*** GmbH und dem Beklagten sei ein Werkvertrag geschlossen worden, auch der Kläger als der Leistung nahestehender Dritter habe Anspruch auf ordnungsgemäße Durchführung der Arbeiten gehabt. Neben diesem Haftungsgrund sei auch das Ingerenzprinzip beachtlich. Dem Kläger sei bekannt gewesen, daß sich die Liftkabine im Dachgeschoß befinde, bis zum Unfall hätten sich die Streitteile immer unmittelbar nebeneinander befunden, insbesondere neben den Lifttüren, von wo aus es allein möglich gewesen wäre, die Kabine von einem Stock in den anderen zu holen. Der Beklagte habe daher zu Recht davon ausgehen können, daß dem Kläger klar sei, daß sich die Liftkabine nicht im 1. Stock, sondern im Dachgeschoß befinde. Demzufolge habe er dadurch, daß er mit dem Schlüssel die rechte Hälfte der Lifttür geöffnet habe, auch keine Gefahrenlage nach dem Ingerenzprinzip geschaffen. Der Beklagte habe nicht damit rechnen können, daß der Kläger davon ausgehen werde, die Liftkabine befinde sich im 1. Stock, ohne daß die Kontrollampe aufleuchte oder daß jemand die Kabine tatsächlich in dieses Geschoß geholt hätte. Auch nach dem zwischen den Streitteilen vor der Lifttür des 1. Stocks geführten Gespräch sei es für den Beklagten nicht vorhersehbar gewesen, daß der Kläger versuchen werde, in die von ihm aus unerklärlichen Gründen im 1. Stock vermutete Liftkabine zu steigen. Bei dieser klaren Situation habe der Beklagte dem Kläger nicht versichern müssen, der Lift befinde sich nicht im 1. Stock. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, der Beklagte sei auf Grund des Werkvertrags zum Schutz und zur Sorgfalt auch gegenüber jenen Personen verpflichtet gewesen, deren räumlicher Kontakt mit der vertraglich zu erbringenden Hauptleistung beim Vertragsabschluß vorauszusehen gewesen sei. Die vertragliche Sorgfaltspflicht dürfe ebensowenig überspannt werden wie die allgemeine Verkehrssicherungspflicht. Auszugehen sei davon, daß sich die Streitteile in Kenntnis davon, daß die Liftkabine im Dachgeschoß geblieben sei, in den 1. Stock begaben. Um die Liftkabine in den
1. Stock zu bringen, hätte der Druckknopf betätigt werden müssen, dies sei für den vor der Liftrufanlage stehenden Kläger erkennbar nicht geschehen. Das Kontrollicht, das signalisiert hätte, daß sich die Liftkabine im 1. Stock befinde, habe ebenfalls nicht aufgeleuchtet. Auch wenn der Kläger über die Gegensprechanlage gerufen worden sei, habe er seinen Standort nicht verändern müssen. Unabhängig davon, ob der Kläger habe sehen können, wie der Beklagte die Tür geöffnet habe, habe er daher wissen müssen, daß sich die Liftkabine im Dachgeschoß befinde. Möge auch durch das Öffnen der rechten Tür eine Gefahrenquelle geschaffen worden sein, sei es keinesfalls Aufgabe des Beklagten gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, daß sich die Liftkabine nicht im 1. Stock befinde. Als Erklärung für den Unfall könne nur eine Vergeßlichkeit oder Sorglosigkeit des Klägers angesehen werden. Das Verhalten des Klägers sei für den Beklagten nicht vorhersehbar und nicht mit zumutbaren Mitteln abwendbar gewesen.
Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts mit Revision, macht die Anfechtungsgründe der "unrichtigen Tatsachenfeststellung" und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellt der Kläger einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Eine Revision kann nur aus den im § 503 Z 1 bis 4 ZPO angeführten Gründen erhoben werden, die Geltendmachung unrichtiger Tatsachenfeststellungen ist daher verfehlt. Soweit in Ausführung dieses "Revisionsgrundes" auch Rechtsfragen erörtert werden, ist hiezu im Rahmen der rechtlichen Beurteilung Stellung zu nehmen. Wie die Vorinstanzen zutreffend ausführten, trafen den Beklagten sowohl Schutzpflichten aus dem Werkvertrag als auch die allgemeine Verkehrssicherungspflicht, wobei diese Pflichten nicht überspannt werden dürfen.
Ohne Zweifel muß ein Lift so beschaffen sein, daß durch ihn Personen nicht zu Schaden kommen können. Treten bei der Durchführung von Reparaturarbeiten Gefahren auf - wie etwa die mit einem offenen Liftschacht verbundenen -, dann ist eine entsprechende Absicherung erforderlich. Damit ist für den Kläger aber nichts gewonnen. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß er die Funktion eines Liftwarts hatte, er selbst wegen des Defekts am Lift die Reparatur durch den Beklagten veranlaßte, er derjenige war, der den Fehler bei den Lifttüren vermutete und die Überprüfung der Türen daher selbst veranlaßte und er sich mit dem Beklagten zur Überprüfung der Tür in den 1. Stock begab. Der Kläger wußte auch, daß sich die Liftkabine im Dachgeschoß befinde. Wenn es auch der Beklagte war, der die Reparatur durchzuführen hatte, so widmete sich doch auch der Kläger, wie er auf Seite 4 der Revision selbst ausführt, damals dem Problem der nichtfunktionierenden Lifttür. Er beschäftigte sich damals also selbst mit der Behebung des Schadens, was dem Beklagten bekannt war. Es war daher nicht erforderlich, daß der Beklagte den Kläger vor Gefahren warnt, die bei der Reparatur auftreten und dem Kläger ohnedies bekannt sein mußten. Daß dem Kläger die Gefahr, die entsteht, wenn die Lifttür im 1. Stock geöffnet wird, obwohl sich die Liftkabine im Dachgeschoß befindet, klar sein mußte, bedarf keiner weiteren Erörterung, eines entsprechenden Hinweises durch den Beklagten bedurfte es daher nicht. Wenn der Kläger damals, wie er auf Seite 3 der Revision erwähnt, mit seinen Gedanken nicht ganz bei der Sache war und sich durch Vorgänge im Bäckereibetrieb ablenken ließ, dann kann dies nicht dem Beklagten angelastet werden. Unabhängig davon, ob der Kläger dem Beklagten den Vierkantschlüssel gegeben hatte oder ob sich der Beklagte den Schlüssel selbst genommen hatte sowie, ob der Kläger im 1. Stock ein kurzes Gespräch über die Gegensprechanlage führte, durfte der Beklagte darauf vertrauen, dem Kläger sei bewußt, daß sich die Liftkabine nicht im
1. Stock befinde.
Dem Beklagten kann daher nicht vorgeworfen werden, seine Pflichten aus dem Werkvertrag oder allgemeine Verkehrssicherungspflichten verletzt zu haben, weshalb das Klagebegehren nicht berechtigt ist.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)