OGH 15Os127/89

OGH15Os127/8924.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Oktober 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Toth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Klaus Dieter W*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 12 (dritter Fall), 127, 128 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.Juni 1989, GZ 8 b Vr 117/89-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten dieses Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet (§ 285 i StPO).

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Klaus Dieter W*** des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 12 (dritter Fall), 127, 128 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien "vor dem 30.Dezember 1988" (gemeint: zwischen Anfang Dezember 1988 und dem 28.d.M. - s. US 9) durch die Überlassung der Original-Bankomatkarte zum Konto Nr. 33946051 der E*** Ö*** S***-C***, lautend auf Vesna U***, und

durch die Bekanntgabe des zugehörigen "Pin Codes 7191" zumindest an eine bisher unbekannt gebliebene Person jedenfalls "im Zusammenhang" mit den abgesondert verfolgten Mathias B***, Joachim Klaus A***, Hans Wilhelm H***, Erasmus W*** und Robert

W*** dazu beigetragen, daß mittels Herstellung und Verwendung von Duplikanten der zuvor bezeichneten Bankomatkarte sowie unter Benützung des zugehörigen Pin-Codes die fünf namentlich genannten sowie unbekannte Personen in der Zeit zwischen dem 30. Dezember 1988, 23.50 Uhr und dem 31.Dezember 1988, 5.30 Uhr, in 165 Angriffen an 165 Bankomat-Standorten in Wien, Linz, Salzburg und Innsbruck fremde bewegliche Sachen, nämlich insgesamt 830.000 S Bargeld, Berechtigten des eingangs angeführten Bankinstitutes mit dem Vorsatz weggenommen haben, sich "bzw. einen Dritten" (gemeint: oder Dritte - s. US 21) durch die Zueignung des Geldes unrechtmäßig zu bereichern.

In rechtlicher Hinsicht schloß das Erstgericht bei der Beurteilung der inkriminierten Geldbehebung mittels mißbräuchlicher Verwendung von Bankomatkarten-Duplikaten als Diebstahl (ohne nähere Erörterung und insoweit unbekämpft) an die vor dem StRÄG 1987 ergangene Judikatur (SSt 56/85 = RZ 1986/56 = EvBl 1986/108 = JBl 1986, 261, zustimmend Kienapfel in JBl 1986, 263; ebenso Seiler in "Fälle und Lösungen"1, 1982, 85 ff., und für die hier primär interessierende Fallkonstellation einer ordnungswidrigen Bedienung des Bankomaten auch Fuchs in StPdG 12, 84) an, wonach die unbefugte Benützung fremder Bankomatkarten zu einem Bruch des Gewahrsams der Bank am solcherart behobenen Geld durch dessen Wegnahme führt (aM für die Fälle einer ordnungsgemäßen Bedienung des Bankomaten Fuchs aaO 86 f.).

An dieser Rechtslage hat sich, wie zur Klarstellung vermerkt sei, deswegen nichts geändert, weil die (darnach weiterhin aktuelle) Tatbestandsmäßigkeit des in Rede stehenden Gewahrsamsbruchs nach § 127 StGB durch das Inkrafttreten des § 148 a StGB nicht in Frage gestellt wurde und im Verhältnis zu jener - keineswegs etwa zur Privilegierung gewerbsmäßiger Begehung (§ 148 a Abs 2 iGgs zu § 130 StGB), sondern vielmehr zur Ausschaltung von Strafbarkeits-Lücken geschaffenen (vgl. hiezu den JAB zum StRÄG 1987, 359 BlgNR XVII. GP 17), also materiell

subsidiären - neuen Strafbestimmung gegen betrügerischen Datenverarbeitungsmißbrauch unvorgreiflich der Frage, ob letztere ein derartiges Tatverhalten überhaupt erfaßt, jedenfalls prävaliert (insofern aM Kienapfel BT II2 § 148 a RN 22, 51, § 127 RN 101 a, 106 sowie Seiler in "Fälle und Lösungen"2, 1989, 74 bis 76).

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen den Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) beschwert er sich über die Ablehnung der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der "Augenkunde", die der Verteidiger zum Beweis dafür beantragt hatte, daß der Angeklagte schlecht sehe und aus einer Entfernung von einem Meter Zahlen von der Tastatur eines Bankomaten nicht habe ablesen können (S 325).

Diesen - zur Widerlegung der Urteilsannahme, daß er bei einer Geldbehebung durch Vesna U*** am 25.Dezember 1988 das Eintippen der Code-Nummer gesehen und sich letztere gemerkt habe (US 8), gestellten - Beweisantrag hat das Schöffengericht durch Zwischenerkenntnis gemäß § 238 StPO mit der Begründung abgewiesen, der Angeklagte selbst habe auch in der Hauptverhandlung angegeben, daß er immerhin zwei Ziffern habe lesen können (S 326). In den Urteilsgründen wird ergänzend darauf hingewiesen, daß er nach weiteren eigenen Angaben auf drei Meter Entfernung scharf sehe (S 313) und während der Eingabe der Code-Nummer durch U*** - wie auch von ihr bekundet - einen Meter schräg hinter ihr gestanden sei (S 305); außerdem habe er vor dem Untersuchungsrichter überhaupt zugegeben, gesehen zu haben, welche Code-Nummer sie eintippte, und trotz der Abschwächung dieser Darstellung in der Hauptverhandlung nie behauptet, er habe "gar nichts (d.h. keine Zahl)" gesehen (US 20 iVm US 12/13).

Dagegen wendet der Beschwerdeführer ein, das Erstgericht habe hiebei seine zusätzlichen Erklärungen dahin außer acht gelassen, daß er mehrere Augenoperationen hinter sich habe, Augenschmerzen bekomme und eine Brille tragen sollte; des weiteren hätte es durch einen Sachverständigen überprüfen lassen müssen, ob er infolge eines Augenleidens fehlsichtig sei und dadurch von seinem Standort aus die Code-Zahlen gar nicht richtig hätte ablesen können. Auch durch die damit relevierte Stellungnahme des (hiezu befragten) Angeklagten - der sich selbst nie auf eine Fehlsichtigkeit als Ursache für ein Nichterkennen der Code-Nummer bei deren Eintippen durch U*** berufen hat - zu der insoweit jeder Version seiner eigenen Darstellung entgegengestandenen Antragstellung seines Verteidigers (S 325) wurden jedoch jene von ihm selbst deponierten Bekundungen in bezug auf sein Sehvermögen bei der hier interessierenden Geldbehebung in keiner Weise in Frage gestellt. Dementsprechend hat das Schöffengericht diesen Antrag durchaus zu Recht abgewiesen, weil er - wie im übrigen schon die Beschwerdeformulierung unschwer erkennen läßt - auf eine durch keinerlei Verfahrensergebnisse indizierte reine Erkundungsbeweisführung abgezielt hatte.

Die Verfahrensrüge geht daher fehl.

Gleiches gilt für die Mängelrüge (Z 5).

Daraus, daß im Frühjahr 1989, als sich der Rechtsmittelwerber bereits in Untersuchungshaft befand, "eine gleichartige Aktion" stattfand, bei der sich die Täter ohne seine Mithilfe in den Besitz einer geeigneten Bankomatkarte und des zugehörigen Codes hatten setzen können, ist gegen die Annahme seiner Beteiligung an der verfahrensgegenständlichen Straftat nichts zu gewinnen; damit mußte sich das Erstgericht demnach nicht auseinandersetzen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).

Durchaus kein Widerspruch aber besteht zwischen der einen Urteilsannahme, daß die Verantwortung des Angeklagten, die ihm von U*** mit ihren Fahrzeugpapieren übergebene (US 7, 14) Bankomatkarte sei ihm allenfalls schon gegen Anfang Dezember 1988 (vorübergehend) weggekommen, deswegen ins Leere gehe (gemeint: ihn nicht entlaste), weil (auch) ein Duplikat nur unter Bekanntgabe der Code-Nummer zu Abhebungen verwendet werden könne (US 15), und der anderen, daß er eben diese Bankomatkarte möglicherweise bereits damals zur Duplizierung weitergegeben, vom Code aber erst am 25.d.M. Kenntnis erlangt habe (US 8/9, 13, 15).

Denn im Hinblick darauf, daß auf der Bankomatkarte der Code nicht ersichtlich ist (US 9, 15), hätte zum einen deren Entwendung zum Zweck der Herstellung von Duplikaten ohne Bekanntgabe des Codes durch den Beschwerdeführer in der Tat nicht zum Gelingen der Geldbehebung führen können, wogegen sich zum anderen die Weitergabe der Karte durch ihn an Komplizen zwecks Duplizierung in der Hoffnung auf eine spätere Ausforschung der Code-Nummer sehr wohl als zielführend erweisen konnte.

Ebensowenig ist es "geradezu denkunmöglich", daß eine "derart generalstabsmäßig geplante Aktion, wie es die schlagartige Abhebung von 830.000 S" war, bei einer Herstellung der Bankomatkarten-Duplikate erst nach dem 25.Dezember 1988 von dem Zufall abhängig gemacht worden sein könnte, daß U*** das Original vor ihrer Abreise an diesem Tag dem Angeklagten überlassen werde; dazu genügt ein Hinweis auf die treffende Überlegung des Schöffengerichts, daß der Beginn der Geldbehebungsaktion lediglich von der Beschaffung der Karte und des Codes abhing und daß es daher gar nicht zwingend notwendig gewesen war, diese Voraussetzungen gerade bis dahin zu schaffen (US 13).

Die unpräzise Aussage des Zeugen H*** in der Hauptverhandlung schließlich, er glaube, daß er am 25.Dezember 1988 von der in Rede stehenden Aktion verständigt worden sei, doch könne das auch am

23. d.M. geschehen sein, eher aber am 26.d.M. (S 324 f.), hat das Erstgericht bei der Feststellung, daß "ein paar Tage vor der Durchführung dieser Aktion am 30.12.1988" alles näher besprochen wurde (US 17), ohnehin in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen. In Ausführung der Rechtsrüge (Z 10) hinwieder macht der Beschwerdeführer mit dem Einwand, das Schöffengericht habe im Urteil nicht angegeben, auf Grund welcher konkreter Umstände er es zumindest für möglich gehalten haben müsse, daß der Übernehmer der Bankomatkarte und des Codes 7191 die Originalkarte mehrfach duplizieren und unter Verwendung dieses Codes 830.000 S abheben werde, in Wahrheit einen Begründungsmangel (Z 5) geltend, indessen gleichfalls zu Unrecht. Die damit bekämpfte Annahme, daß der Angeklagte eine Schadenshöhe von 830.000 S ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, wird nämlich im Urteil dementgegen durchaus zureichend mit seiner Kenntnis davon begründet, daß hinter dieser Aktion nicht eine Einzelperson, sondern eine organisierte Gruppe stand, in der ihm die Rolle des Beschaffers der Karte und des Codes zugewiesen war (US 22).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

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