Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.706,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 617,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Mit der Verfahrensrüge macht der Revisionswerber angebliche Verfahrensmängel erster Instanz geltend, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat. Da die in § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG vorgesehene Neudurchführung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht in das ASGG nicht übernommen wurde, kann nunmehr ein derartiger Verfahrensmangel auch in Arbeitsrechtssachen mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RZ 1989/16).
Im übrigen ist auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils sowie - zur Frage der Berechtigung der Entlassung - auf die in diesem Urteil wiedergegebenen Rechtsausführungen des Aufhebungsbeschlusses ON 20 zu verweisen (§ 48 ASGG).
Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers folgendes zuentgegnen:
Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers war die Entlassung der Klägerin auch nicht gerechtfertigt, obwohl sich die von ihrer Mutter telegraphisch mitgeteilte Verschlechterung des Gesundheitszustandes ihres Vaters nachträglich nicht als lebensbedrohlich herausstellte. Da der Vater der Klägerin an Durchblutungsstörungen im Gehirn und in den Extremitäten litt und diese Erkrankung immer wieder zu plötzlichen Anfällen von Schwindel und Bewußtseinstrübung führte, die lebensbedrohend sein konnten, hatte die Klägerin berechtigten Grund zur Befürchtung, der Zustand ihres Vaters habe sich soweit verschlechtert, daß mit seinem baldigen Ableben zu rechnen sei. Da die Eltern der Klägerin über kein Telefon verfügten, kann es der Klägerin auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie sich nach dem Erhalt des Telegramms ihrer Mutter vor ihrer Abreise zu ihren Eltern in die Steiermark nicht nochmals vergewisserte, ob der Zustand ihres Vaters tatsächlich lebensbedrohlich war. In dieser Situation hat die Klägerin keineswegs die Interessen ihres Arbeitgebers ungerechtfertigt hintangestellt. Nach Erhalt des am 1. September 1986 um 9.00 Uhr aufgegebenen Telegramms hat sie vielmehr im Rahmen des Zumutbaren versucht, mit dem Beklagten Kontakt aufzunehmen (konnte aber nur dessen Angestellte in Lienz erreichen, die nur erklärte, sie werde dies dem Beklagten mitteilen) und hat überdies das von ihr allein betreute Souvenirgeschäft in Kufstein bis 18.00 Uhr offengehalten. Daß die Klägerin bei dieser Sachlage nicht auch noch am 2.September 1986 das Geschäft offenhielt und eine Disposition des Beklagten abwartete, sondern mit der Bahn zu ihrem erkrankten Vater reiste, kann ihr angesichts der unvorhergesehenen Kollision ihrer Arbeitsvertragspflicht mit höherwertigen Pflichten nicht als schuldhaftes Arbeitsversäumnis angelastet werden, zumal sie sofort (am 3.September 1986) die Rückreise nach Kufstein wieder antrat. Soweit der Beklagte auf die Dringlichkeit der zu verrichtenden Arbeit und die durch eine (zweitägige) Sperre des Souvenirgeschäfts verursachten Nachteile hinweist, muß er sich entgegenhalten lassen, daß er eine kurzfristige Sperre dieses Geschäftes wegen Verhinderung der Klägerin (etwa im Falle einer Erkrankung) ganz offensichtlich in Kauf genommen hat. Er setzte an diesem weit von der Zentrale in Lienz entfernten Ort - offenbar unter Verstoß gegen die §§ 3, 9, 11 und 12 AZG - ausschließlich die Klägerin ein, die vom 1.Mai bis 4. September 1986 jeden Tag (einschließlich Samstag und Sonntag) durchgehend von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr offenhalten mußte und in dieser Zeit lediglich zwei Tage frei hatte. Nimmt man auch noch auf diese extreme, grob gegen Arbeitszeitvorschriften verstoßende Inanspruchnahme der Klägerin durch den Beklagten Bedacht, dann kann der Klägerin keineswegs eine schuldhafte Mißachtung der berechtigten Interessen ihres Arbeitgebers im Rahmen der Güterabwägung vorgeworfen werden. Auf die weitere Frage des Vorliegens des essentiellen Tatbestandsmerkmales der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Klägerin (siehe dazu Kuderna, Entlassungsrecht, 37 ff) ist daher nicht einzugehen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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