OGH 2Ob116/89

OGH2Ob116/8917.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl N***, Landwirt, 8301 Hart bei St.Peter, Kaltenbergstraße 11, vertreten durch Dr. Werner Thurner und Dr. Peter Schaden, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Franz D***, Dienstnehmer, D-8171 Jachenau, Höfen 21/1/2, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Guido Lindner, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen S 281.362,-- s.A. und Feststellung (Feststellungsinteresse S 50.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 12. Mai 1989, GZ 1 R 79/89-42, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 27. Jänner 1989, GZ 24 Cg 78/88-31, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.887,40 (darin keine Barauslagen und S 1.647,90 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beide Parteien beteiligten sich am 13. August 1985 an einer Radrennveranstaltung auf der Gemeindestraße in Löffelbach als Verlängerung der "Ringkogelstraße" bei Hartberg. Der Beklagte, der das Rennen bereits beendet hatte, fuhr mit seinem Fahrrad entgegen der Richtung der Rennstrecke zurück nach Hartberg und stieß dabei mit dem noch im Rennen befindlichen Kläger zusammen. Dabei wurde der Kläger schwer verletzt.

Wegen dieses Vorfalls wurde der Beklagte schuldig erkannt, durch Unachtsamkeit beim Talwärtsfahren unmittelbar nach Beendigung seines Rennens mit dem bergwärts fahrenden Kläger im Bereich der linken Fahrbahnhälfte zusammengestoßen zu sein, wodurch dieser verletzt wurde, und hiedurch das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 4, 1. Deliktsfall StGB begangen zu haben. Nach Beweiswiederholung und -ergänzung wurde diese Entscheidung des Bezirksgerichts Hartberg im Verfahren U 757/85 durch das Landesgericht für Strafsachen Graz als Berufungsgericht in der Weise bestätigt, daß die Berufung des Beklagten wegen des Ausspruches über die Schuld als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Der Kläger beantragte, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihm S 442.085,-- s.A. als Schadenersatz zu bezahlen und festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger alle künftigen Schäden wegen dieses Unfalls zu ersetzen. Zur Begründung dieses Anspruchs brachte der Kläger vor: Der Beklagte habe entgegen Anordnung der Rennleitung und trotz entsprechender Zurufe nach Erreichen des Ziels gewendet und sei (talwärts) den heraufkommenden Rennfahrern entgegengefahren. Dabei sei er vorerst am äußersten rechten Fahrbahnrand gefahren und erst nach einer Kopfwendung infolge der Warnrufe auf die linke Fahrbahnseite geraten, wo sich der Zusammenstoß zugetragen habe. Das Alleinverschulden treffe den Beklagten. Ein Schmerzengeld von S 400.000,-- entspreche den unfallsbedingten Verletzungen des Klägers abzüglich eines Privatbeteiligtenzuspruches von S 1.000,--. Der Schaden am Rennrad betrage S 13.085,-- und für Aushilfskräfte habe der Kläger S 30.000,-- unfallsbedingt ausgeben müssen.

Der Beklagte anerkannte ein Mitverschulden im Ausmaß von zwei Dritteln. Ein Schmerzengeld von S 210.000,-- und ein Fahrzeugschaden von S 13.085,-- wurden der Höhe nach außer Streit gestellt. Im übrigen bestritt der Beklagte das Klagsvorbringen, beantragte zunächst gänzliche Klagsabweisung und wendete ein, auch der Kläger hätte die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung einhalten müssen. Der Kläger sei auf der dem Beklagten zugekommenen Fahrbahnseite gefahren. Der Kläger habe auch die Fahrbahn nicht entsprechend beobachtet, obwohl er mit entgegenkommenden Verkehrsteilnehmern hätte rechnen müssen. Der Schmerzengeldanspruch sei überhöht. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 2. November 1988 schränkte der Kläger das Leistungsbegehren um vom Beklagten am 5. Oktober 1988 überwiesene S 160.723,-- s.A. auf S 281.362,-- s.A. ein.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 31.086,33 s.A. zu und stellte die Haftung des Beklagten für alle künftigen Unfallschäden des Klägers im Umfang von zwei Dritteln fest; ein Leistungsmehrbegehren von S 250.275,67 s.A. wurde abgewiesen. Das Erstgericht legte seiner Entscheidung im wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:

Die Fahrtstrecke, welche die in verschiedenen Klassen startenden Amateur - Senioren - Radrennfahrer damals zurückzulegen hatten, betrug 5 km. Die Fahrbahnbreite betrug im Unfallbereich ca. 4,2 m. Als Bezugslinie wurde eine Normale zur Fahrbahnlängsachse auf Höhe der Mitte eines Wasserschachts gewählt, welcher sich nach übereinstimmender Meinung der Parteien im Bereich der ehemaligen Ziellinie befindet. In diesem Bereich weist die Fahrbahn in Richtung Süden ein Gefälle von ca. 2 % auf. Ab einer Position ca. 20 m südlich der Bezugslinie beträgt das Gefälle in Richtung Süden knapp 5 % und in einer Position ca. 40 m südlich der Bezugslinie knapp über 5 %. In Richtung Süden besteht Sicht über mehrere hundert Meter. Unfallsbezügliche Verkehrshinweise oder Verkehrsschilder sind nicht vorhanden. Die Unfallsstelle befindet sich im Freilandgebiet auf einer wenig befahrenen Straße im Waldgebiet. Beiderseits der Fahrbahnränder verlaufen 0,5 - 0,8 m breite Erdbankette. Anschließend geht das Gelände in ein Waldgebiet östlich und westlich der Böschungen über. Der Beklagte langte von den Startern der Hobbyklassen als erster im Ziel an. Er ließ sein Fahrrad etwas auslaufen und kehrte anschließend im Zielbereich um. Er wollte nach Beendigung dieses Rennens sofort wieder ins Tal zurückfahren, also entgegen der allgemeinen Rennrichtung bergab fahren. Der Zielrichter K*** rief vom Zielrichterwagen aus dem Beklagten noch zu, daß er rechts heranfahren solle. Die Teilnehmer dieser Seniorenrennen wurden in der Regel von den Veranstaltern und Zielrichtern darauf aufmerksam gemacht, daß es nicht statthaft sei, nach Erreichen des Ziels wieder talwärts zu fahren, weil laufend Zieleinfahrten der nachkommenden Fahrer stattfanden. Vom Ziel weg, wo der Beklagte umgekehrt war, fuhr er einige Meter talwärts, wobei er eine Fahrlinie im Bereich der Fahrbahnmitte einhielt. Der Kläger hingegen fuhr im Bereich seiner rechten Fahrbahnhälfte bergwärts. Er befand sich somit wenige Meter vor dem Ziel, als sich der Unfall ereignete. Der Kläger dürfte eine Fahrgeschwindigkeit zwischen 30 und 40 km/h eingehalten haben, der Beklagte eine solche von ca. 15 km/h, die Summengeschwindigkeit der beiden Radfahrer betrug daher etwa 50 km/h. Sie hätten somit die im Unfallsbereich gegebene Mindestsicht von 40 m in einer Zeit von 2,9 sec. durchfahren. Dies bedeutet, daß beide Radfahrer spätestens 2,9 sec. vor dem Anstoß Sicht aufeinander gehabt hätten. Der Zusammenstoß ereignete sich etwa im Bereich der Fahrbahnmitte, "aber etwas auf der dem Kläger zustehenden Fahrbahnhälfte". Dem Beklagten ist - abgesehen von der falsch gewählten Fahrlinie - eine unfallskausale Reaktionsverspätung von mindestens 1,4 - 1,5 sec auf die minimal vorstellbare Sicht anzulasten. Grundsätzlich ist dem Kläger ebenfalls über den genannten Zeitraum und die genannte Sichtstrecke Sichtmöglichkeit auf den vorschriftswidrig entgegenkommenden Beklagten möglich gewesen. Auch der Kläger hätte sein Fahrrad problemlos vor der Kontaktposition bzw. vor dem Zeitpunkt, in dem der Beklagte reagierte, nach rechts zum östlichen Fahrbahnrand lenken können, wodurch dieser Unfall ebenfalls vermieden worden wäre. Bei diesem Unfall erlitt der Kläger ein schweres Schädel-Hirntrauma mit Bewußtlosigkeit, eine komplexe Fraktur des Gesichtsschädels mit Beteiligung des Stirnbeins bis in die Schädelbasis und einen Bruch des rechten Schläfen- und Scheitelbeins mit Eindrücken der Stirnbeinhöhle, sowie eine Fraktur des Oberkiefers rechts und eine Mikrohaematurie bei vermuteter Nierenkontusion. Aufgrund dieses Unfalls und der dabei erlittenen Verletzungen hatte der Kläger nachfolgende, auf den 24-Stunden-Tag komprimierte Schmerzperioden zu erdulden:

qualvolle Schmerzen 1 Tag

starke Schmerzen 20 Tage

mittelstarke Schmerzen 30 Tage

leichte Schmerzen 90 Tage

Der Ausfall des Geruchssinns ist als bleibender Dauerschaden

einzuschätzen. Es gibt diesbezüglich keine Aussicht auf Besserung

oder Heilung. Diese während des ganzen weiteren Lebens fortdauernde

Minderung der Sinneswahrnehmung (Geruchssinn) ist als gravierende

seelische Alteration einzuschätzen. Für Aushilfskräfte in der von

ihm betriebenen Landwirtschaft hatte der Kläger unfallbedingt

S 25.979,-- aufzuwenden.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, der Kläger sei im Bereich seiner rechten Fahrbahnhälfte gefahren. Der Beklagte habe bis zum Zusammenstoß sein Fahrrad ca. 1,5 m nach links ausgelenkt. Der Zusammenstoß habe sich im Bereich der Fahrbahnmitte, aber eher auf der dem Kläger zustehenden Fahrbahnhälfte zugetragen. Der Beklagte habe mit entgegenkommenden Rennfahrern rechnen müssen, sei jedoch durch Unvorsichtigkeit auf die falsche Fahrbahnseite geraten. Aber auch den Kläger treffe ein Mitverschulden, weil er auf einer "nicht völlig gesperrten Strecke auch als Rennfahrer nicht blindlings dem Ziel hätte zustreben" dürfen. Er hätte durch strenges Rechtsfahren, aber auch durch rechtzeitige Reaktion in Form einer Rechtslenkung den Unfall vermeiden können. Ein Schmerzengeld von S 250.000,-- sei angemessen. Für Aushilfskräfte habe der Kläger Anspruch auf eine Entschädigung von S 25.979,--. Den Kläger treffe ein Drittel Mitverschulden, was den restlichen Klagszuspruch ergebe. In diesem Sinne sei auch über das Feststellungsbegehren zu entscheiden gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten nicht Folge; hingegen wurde der Berufung des Klägers teilweise Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes dahin abgeändert, daß unter Einbeziehung der unbekämpft gebliebenen und der bestätigten Teile dem Kläger S 197.341,-- s.A. zugesprochen wurden und die Haftung des Beklagten für alle künftigen Unfallschäden des Klägers zur Gänze festgestellt wurde; das Mehrbegehren von S 84.021,-- s.A. wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, zusammen mit dem in einem Geldbetrag bestehenden Teil S 300.000,-- übersteigt; es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts mit Ausnahme jener, daß der Beklagte einige Meter talwärts fahrend eine Fahrlinie im Bereich der Fahrbahnmitte eingehalten hätte, als unbedenklich, gelangte jedoch zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.

Das Verschulden des Beklagten am Zustandekommen dieses Unfalls ergebe sich aus der bindenden strafgerichtlichen Verurteilung, derzufolge er durch Unachtsamkeit in den Bereich der linken Fahrbahnhälfte geriet und dort mit dem Kläger zusammenstieß. Zu beurteilen bleibe nur noch die Frage eines allfälligen Mitverschuldens des Klägers. Ein solches sei jedoch nach Ansicht des Berufungsgerichtes im maßgeblichen Umfange nicht gegeben: Der Kläger als Fahrradlenker sei zwar nicht so weit rechts gefahren, wie ihm dies im Sinne des § 7 Abs 1 StVO möglich gewesen wäre. Er habe vielmehr bei einer halben Fahrbahnbreite von rund 2,1 m eher den linken äußeren Bereich seiner Fahrbahnhälfte benützt. Dabei dürften aber die einem Radrennen eigentümlichen Wettkampfverhältnisse nicht außer Betracht bleiben. Der Teilnehmer an einem Radrennen könne wohl damit rechnen, daß auch auf einer für den öffentlichen Verkehr nicht gesperrten Strecke andere Verkehrsteilnehmer auf die Rennfahrer besondere Rücksicht nehmen würden. Dies gelte im besonderen für den Beklagten, der gleichfalls Rennteilnehmer gewesen sei. In diesem Sinne hieße es, die Anforderungen an die Aufmerksamkeit eines Rennteilnehmers zu überspannen, wenn man von ihm verlangen würde, daß er knapp vor dem Ziel eine weitgehend rechts gelegene Fahrlinie einhalten und dem möglichen Gegenverkehr eine aufmerksame Beobachtung widmen müßte. Immerhin habe der Kläger eine Fahrlinie eingehalten, bei der er die Fahrbahnmitte erwiesenermaßen nicht überschritten habe. Bis knapp vor dem Zusammenstoß sei die Fahrlinie des Beklagten auch eine solche gewesen, die für den Kläger keine solche Gefahrenlage habe erkennen lassen, die ihn zu einer rechtzeitigen Ablenkung an den rechten Fahrbahnrand hätte veranlassen müssen, denn die Linksfahrbewegung des Beklagten habe erst 0,8 bis 0,9 Sekunden vor dem Zusammenstoß eingesetzt. Eine Reaktion darauf bei erster Sichtmöglichkeit sei unter den besonderen Gegebenheiten einer Radrennveranstaltung vom Kläger nicht zu verlangen gewesen und hätte wohl den Unfall auch nicht mehr vermieden. Demgegenüber stehe das grobe Verschulden des Beklagten, der sein Fahrrad um die Breite von 1,5 m unvermutet für den Kläger nach links ausgelenkt und damit den Zusammenstoß herbeigeführt habe, obwohl dem Beklagten als Rennteilnehmer bewußt sein mußte, das entgegenfahrende Radrennfahrer zu erwarten gewesen seien, die erfahrungsgemäß knapp vor dem Ziel einem Gegenverkehr keine Aufmerksamkeit zu schenken pflegen. Das Verhalten des Beklagten, der im Bewußtsein des noch offenen Rennens gänzlich unaufmerksam entgegen dem Verlauf der Rennstrecke gefahren und auf die linke Seite abgekommen sei, müsse als im erheblichen Maße fahrlässig erkannt werden. Unter diesen Umständen stelle die Nichteinhaltung einer streng rechts gelegenen Fahrlinie durch den Kläger gegenüber der groben Fahrlässigkeit des Erstbeklagten kein meßbares Mitverschulden dar, das eine Mithaftung des Klägers begründen könnte. Der Beklagte habe daher für den dem Kläger entstandenen Schaden zur Gänze zu haften. Das dem Kläger zustehende Schmerzengeld erscheine mit einem Betrag von S 320.000,-- angemessen. Nach Abzug des bereits im Strafverfahren zuerkannten Teilbetrages von S 1.000,-- erweise sich somit das Klagebegehren betreffend das Schmerzengeld in der Höhe von S 319.000,-- gerechtfertigt. Der Schadenersatzanspruch des Klägers setze sich somit aus diesem Betrag zuzüglich Fahrzeugschaden von S 13.085,-- und Kosten der Aushilfe in der Höhe von S 25.979,-- zusammen. Das ergebe insgesamt S 358.064,--. Davon seien S 160.723,-- bezahlt worden, was einen restlichen Klagsanspruch von S 197.341,-- ausmache. Voraussetzung für einen Erfolg des Feststellungsbegehrens des Klägers sei das Vorliegen von Dauerfolgen oder daß die Möglichkeit von Spätfolgen und erst künftig entstehender Ersatzansprüche nicht auszuschließen sei. Durch das Berufungsgericht sei eine teilweise Beweiswiederholung durch Verlesung des Gutachtens des Sachverständigen Wolfgang A***, ON 17, vorgenommen worden. Daraus werde festgestellt: Die Prognose sei in Anbetracht der schweren Kopfverletzung als gut zu bezeichnen. Der Dauerschaden des irreparablen Ausfalls des Geruchssinns sei mit 20 % Invalidität anzusetzen; lediglich bei Personen, deren berufliche Tätigkeit einen besonders ausgeprägten Geruchssinn bedingt, was jedoch beim Kläger nicht der Fall sei, höher zu veranschlagen. Durch den Verlust des Geruchssinns sei der Kläger in vielen Lebensfunktionen behindert. Es dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß der Geruchssinn nicht nur allenfalls der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit und der Freude an einer Geruchswahrnehmung dienlich sei, sondern insbesondere auch eine Schutzfunktion vor ungünstigen Umwelteinflüssen darstelle. Es sei also möglich, daß der Kläger durch den gänzlichen Verlust des Geruchssinns in Zukunft weitere Schäden, nicht nur durch Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit, erleiden könnte. Das Feststellungsinteresse des Klägers sei somit begründet. Der Berufung des Klägers sei also auch insoweit Folge zu geben gewesen, als die Haftung des Beklagten für sämtliche zukünftige Unfallschäden des Klägers festzustellen gewesen sei. Demgegenüber erweise sich die Berufung des Beklagten zur Gänze als unzutreffend.

Gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils des Berufungsgerichts wendet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte führt in seinem Rechtsmittel aus, daß während des Rennens sämtliche am Radrennen beteiligten Radfahrer ständig mit Gegenverkehr rechnen mußten, insbesondere sei zum damaligen Zeitpunkt die Ringkogelstraße für den öffentlichen Verkehr nicht abgesperrt gewesen, aus welchem Grunde seitens der BH Hartberg mit Bescheid vom 1. August 1985, GZ 11 S 12 - 1985, dieses Radrennen mit der Maßgabe genehmigt worden sei, daß die Wettbewerbsteilnehmer die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, insbesondere hinsichtlich der Fahrregeln, einzuhalten hätten, der freie Verkehr der anderen Straßenbenützer nicht behindert werden dürfe und die Wettbewerbsteilnehmer von den sie betreffenden Punkten dieses Bescheides vor Beginn des Wettbewerbs zu unterrichten seien. Ausgehend von diesen wesentlichen Fakten habe daher das Erstgericht folgerichtig eine Verschuldensteilung von 2 : 1 zu Lasten des Beklagten, welcher sich auch von vornherein im gegenständlichen Falle ein Mitverschulden im Ausmaß von 2/3 anrechnen habe lassen, dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegt.

Gehe man nunmehr von der Tatsache aus, daß der Beklagte eine rechts gelegene Fahrlinie eingehalten hatte und plötzlich unmittelbar vor der Kollision sein Fahrrad nach links lenkte, und gestehe man unter anderem auch dem Kläger eine rechts gelegene Fahrlinie zu, so hätte bei Einhaltung einer rechts gelegenen Fahrlinie durch den Kläger zweifelsfrei eine Kollision der beiden Fahrradlenker nicht stattfinden können. Der Verstoß des Klägers gegen § 7 StVO und die Unterlassung des Rechtsauslenkens bei Begegnung mit dem Beklagten infolge unaufmerksamer Beobachtung der vor ihm liegenden Fahrbahn rechtfertige die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten des Beklagten.

Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche sei auszuführen, daß der Beklagte ein globales Schmerzengeld unter Heranziehung des Gutachtens des med. Sachverständigen, insbesondere der darin enthaltenen Schmerzperioden und unter Berücksichtigung der gravierenden seelischen Alteration in Form des gänzlichen Verlusts des Geruchssinns, in Höhe von S 210.000,-- für angemessen erachte. Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Wolfgang A*** sei auch das Feststellungsbegehren des Klägers nicht gerechtfertigt. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Das Verschulden des Beklagten an dem Unfall steht aufgrund der gemäß § 268 ZPO für das Zivilgericht bindenden rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung fest; im vorliegenden Fall ist nur die Frage eines allfälligen Mitverschuldens des Klägers zu prüfen. Hiebei ist davon auszugehen, daß der Kläger nach dem für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen bei einer halben Fahrbahnbreite von ca. 2,1 m zwar den der Fahrbahnmitte näherliegenden Bereich seiner Fahrbahnhälfte befuhr, die Fahrbahnmitte jedoch nicht überschritt. Darüber hinaus war, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, die Fahrlinie des Beklagten bis knapp vor dem Zusammenstoß keine solche, die für den Kläger eine Gefahr hätte erkennen lassen, denn die Linksauslenkbewegung des Beklagten setzte 0,8 bis 0,9 sec. vor dem Zusammenstoß ein, und zwar für den Kläger völlig unvermutet. Daß dieses plötzliche Auslenken des Beklagten in irgendeiner Weise durch die Fahrweise des Klägers verursacht worden wäre, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Nach dem gemäß § 268 ZPO bindenden Spruch des Strafurteils hat der Beklagte vielmehr als Rennfahrer mit seinem Rennrad durch Unachtsamkeit beim Talwärtsfahren unmittelbar nach Beendigung seines Rennens bewirkt, daß er mit dem als Radrennfahrer bergwärts fahrenden Kläger im Bereich der linken Fahrbahnhälfte zusammenstieß. Soweit die Revision in Abweichung von den angeführten Feststellungen nunmehr dartun will, das plötzliche Linksauslenken des Beklagten sei durch die Fahrlinie des Klägers veranlaßt worden, entbehrt sie der gesetzmäßigen Ausführungen und ist daher in diesem Umfang unbeachtlich.

Bei der Verschuldensabwägung ist für das Gewicht des Verschuldens vor allem die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr bzw. der Grad der Fahrlässigkeit und die Wichtigkeit der verletzten Vorschrift für die Sicherheit des Straßenverkehrs im allgemeinen und im konkreten Fall maßgeblich (vgl ZVR 1987/125 uva).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall sind insbesondere auf seiten des Klägers die einem Radrennen spezifischen Wettkampfverhältnisse zu berücksichtigen, wobei, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, der Teilnehmer an einem Radrennen damit rechnen darf, daß auch auf einer für den öffentlichen Verkehr nicht gesperrten Strecke andere Verkehrsteilnehmer auf die Rennfahrer besondere Rücksicht nehmen werden; dies gilt vor allem für den Beklagten, der selbst Rennteilnehmer war und daher bei seiner Talfahrt nach Beendigung seines Rennens im besonderen Maße auf die noch im Wettkampf befindlichen bergwärtsfahrenden Rennteilnehmer wie den Kläger zu achten hatte. Bei Bedachtnahme auf diese besonderen Umstände kann aber in der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß das entgegen der Vorschrift des § 7 StVO in der Einhaltung einer mehr gegen die Fahrbahnmitte zu gelegenen Fahrlinie des bereits knapp vor dem Ziel befindlichen Klägers zu erblickende Verschulden gegenüber dem dem Beklagten, der nach Beendigung seines Rennens talwärts fahrend aus Unachtsamkeit unvermittelt 0,8 bis 0,9 sec. vor dem Zusammenstoß und für den Kläger völlig überraschend sein Fahrrad 1,5 m nach links auslenkte und dadurch mit dem Kläger innerhalb von dessen Fahrbahnhälfte kollidierte, anzulastenden schwerwiegenden Verschulden derart in den Hintergrund tritt, daß es bei der Verschuldensabwägung außer Betracht bleiben kann, keine Fehlbeurteilung erkannt werden.

Auch soweit die Revision die Höhe des zugesprochenen Schmerzengeldes bekämpft, kommt ihr keine Berechtigung zu. Der Kläger hat gemäß § 1325 ABGB Anspruch auf ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld. Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und die Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für seine Leiden und anstelle der ihm entzogenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Hieraus folgt einerseits, daß bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, andererseits aber zur Vermeidung von Ungleichmäßigkeiten in der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen ist (ZVR 1987/124, 125 mwN uva).

Im vorliegenden Fall sind die festgestellten mehrfachen schweren

Verletzungen des Klägers, insbesondere ein schweres

Schädel-Hirntrauma mit Bewußtlosigkeit, eine komplexe Fraktur des

Gesichtsschädels mit Beteiligung des Stirnbeins bis in die

Schädelbasis und ein Bruch des rechten Schläfen- und Scheitelbeins mit Eindrückung der Stirnbeinhöhle, eine Fraktur des Oberkiefers rechts und eine Mikrohaematurie bei vermuteter Nierenkontusion zu berücksichtigen, außerdem die beträchtlichen Schmerzperioden und die schwerwiegenden verbliebenen Dauerfolgen, nämlich der dauernde Verlust des Geruchssinns, sowie die dadurch verursachte erhebliche psychische Beeinträchtigung des Klägers. In der Bemessung des Schmerzengeldes mit dem rechnerischen Gesamtbetrag von S 320.000,-- kann somit keine zum Nachteil des Beklagten unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts erblickt werden.

Soweit der Beklagte die Berechtigung des Feststellungsbegehrens bestreitet, ist ihm zu erwidern, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes das rechtliche Interesse an der Feststellung, der Schädiger hafte für alle Nachteile, die sich in Zukunft aus dem schädigenden Ereignis ergeben, regelmäßig schon dann bejaht wird, wenn die Möglichkeit offen bleibt, daß das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen kann (vgl. ZVR 1980/289, SZ 45/78 ua); es genügt , daß in Zukunft ein Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers eintreten kann (vgl. ZVR 1974/252 ua). Daß das schädigende Ereignis für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte, reicht zur Begründung des Feststellungsinteresses aus. Die Feststellungsklage dient nicht nur dem Ausschluß der Gefahr der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten, somit der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach (vgl SZ 56/38, SZ 37/82 ua). Nach den ergänzenden Feststellungen des Berufungsgerichtes ist der Kläger durch den Verlust des Geruchssinns in vielen Lebensfunktionen behindert. Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Geruchssinn nicht nur allenfalls der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit und der Freude an einer Geruchswahrnehmung dient, sondern insbesondere auch eine Schutzfunktion gegenüber ungünstigen Umwelteinflüssen darstellt. Es ist daher möglich, daß der Kläger durch den gänzlichen Verlust des Geruchssinns in Zukunft weitere Schäden, nicht nur durch Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit, erleiden könnte. Bei Anwendung der oben dargelegten Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt hat daher das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Voraussetzungen für die Stattgebung des Feststellungsbegehrens ohne Rechtsirrtum für gegeben erachtet.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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