OGH 11Os107/89 (11Os113/89)

OGH11Os107/89 (11Os113/89)17.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Oktober 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Edelmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard F*** und andere wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Gerhard F***, Helmut W*** und Karl U*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 12.Juni 1989, GZ 4 a Vr 200/89-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeisbeschwerden der Angeklagten Gerhard F***, Helmut W*** und Karl U*** wird Folge gegeben, das

angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt I des Schuldspruches dieser Angeklagten und gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO auch des entsprechenden Schuldspruches des Angeklagten Harald W*** sowie demgemäß in den sämtliche Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Gerhard F***, Helmut W*** und Karl U*** auf diese Entscheidung verwiesen. Aus Anlaß der kassatorischen Entscheidung wird auch der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 12.Juni 1989, AZ 4 a Vr 200/89, mit welchem die dem Angeklagten Harald W*** mit Urteil des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 13.Juli 1988, GZ U 67/88-5, gewährte bedingte Nachsicht der über ihn verhängten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 80 S, im Nichteinbringungsfall 50 Tage Freiheitsstrafe, widerrufen wurde, aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Gerhard F***, Helmut W***, Karl U*** und Harald W*** u.a. des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 StGB (Punkt I des Urteilssatzes) schuldig erkannt, weil sie am 23.Jänner 1989 in Graz im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter mit Gewalt gegen eine Person, nämlich durch Festhalten und Versetzen von Schlägen, einem bislang Unbekannten eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag in nicht bekannter Höhe mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen oder abzunötigen versucht haben, wobei die Vollendung der Tat nur deshalb unterblieb, weil das Opfer dem tätlichen Angriff durch Flucht entkam.

Nur diesen Schuldspruch bekämpfen die drei erstgenannten Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden. Die von allen Beschwerdeführern angefochtene Feststellung des Raubvorsatzes stützte das Jugendschöffengericht bei sämtlichen Angeklagten auf die Verantwortung des Harald W*** sowie die als Teilgeständnis gewerteten Angaben des Gerhard F*** (vgl insbes S 303 f).

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht machen Gerhard F***, Helmut W*** und Karl U*** sinngemäß zusammengefaßt geltend, daß die zum Teil divergierenden Einlassungen des F*** in der Hauptverhandlung - entgegen der Annahme des Erstgerichtes - den Schluß auf eine eindeutige, abgeschlossene Willensbildung der jugendlichen Angeklagten in Richtung des Tatbildes des Raubes (sog. Vollendungswille; vgl Kienapfel AT Z 22 RN 8) nicht zweifelsfrei zulassen (vgl S 281 ff) und das Erstgericht - das selbst einräumen muß, daß F*** vor dem erkennenden Gericht seine belastenden Darstellungen aus dem Vorverfahren wesentlich abschwächte - vor allem auch unterließ (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO), sich mit Verfahrensergebnissen auseinanderzusetzen (vgl S 33 ff), welche auf die Möglichkeit hindeuten, daß F*** überhaupt zu wahrheitswidrigen (Selbst-)Beschuldigungen neigt. Der im gegebenen Zusammenhang von diesem Angeklagten gestellte Antrag, zum Nachweis seiner diesbezüglichen Veranlagung eine Begutachtung durch einen gerichtsärztlichen Sachverständigen herbeizuführen, erweist sich durch die erstgerichtliche, das Bweisthema nicht erfassende Begründung des diesen Antrag abweisenden Zwischenerkenntnisses, daß F*** als zur Tatzeit zurechnungsfähig angesehen werde, der Sache nach als nicht erledigt (§ 281 Abs. 1 Z 4), die diesbezügliche Verfahrensrüge des Erstangeklagten daher als stichhältig.

Begründungsmängel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO haften dem angefochtenen Urteil aber auch insofern an, als das Erstgericht im Zusammenhang mit der Verneinung der Frage des Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB) ohne Erörterung gegenteiliger Verfahrensergebnisse davon ausgeht, daß das in Aussicht genommene Tatopfer den Angeklagten durch Flucht "entkommen konnte" (S 300), die Angeklagten von ihrem ursprünglichen Vorhaben erst abgelassen hätten, nachdem sie erkennen mußten, daß das Opfer geflüchtet war (S 307), bzw die Tatausführung "durch das erwartungswidrige Verhalten des Opfers schließlich vereitelt wurde" (S 307, 308). Das Schöffengericht überging hiebei mit Stillschweigen Beweisergebnisse (vgl S 281 ff), welche die Aufgabe der Tatausführung bereits zu einem Zeitpunkt indizieren, in dem ein Erreichen ("Erwischen") des Opfers durch Nachlaufen objektiv allenfalls noch möglich gewesen wäre, und unterließ demgemäß Feststellungen darüber, welche Bedeutung jeder der Mittäter der durch das Entfernen des Opfers vom Tatort geschaffenen Lage beimaß und aus welchen Erwägungen jeder der Angeklagten von der Verfolgung des unter Umständen noch für erreichbar gehaltenen Zieles Abstand nahm (vgl u.a. Mayerhofer-Rieder StGB3, § 16 StGB EGr 2 ff; Kienapfel, AT, Z 23 RN 11 ff zur Frage des Rücktritts vom unbeendeten und zum fehlgeschlagenen Versuch).

Schon diese gravierenden Mängel des Urteils nötigen zur Aufhebung des von den Angeklagten F***, W*** und U*** bekämpften Schuldspruches wegen Raubversuches sowie der Strafaussprüche und zur Zurückverweisung der Strafsache an die erste Instanz zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Kassation.

Da dieselben Gründe, auf denen diese Verfügung beruht, (insbesonders in der Frage des allfälligen Rücktritts vom Versuch) auch dem Mitangeklagten Harald W***, der keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriff, zustatten kommen, war gemäß dem § 290 Abs. 1, zweiter Fall, StPO von Amts wegen auch sein Schuldspruch wegen Raubversuches und der ihn betreffende Strafausspruch aufzuheben.

Aus Anlaß dieser aufhebenden Entscheidung mußte der mit dem aufgehobenen Strafausspruch in sachlichem Zusammenhang stehende - entgegen dem § 494 a Abs. 4 StPO nicht

ausgefertigte - Beschluß des Erstgerichtes (vgl S 292), mit welchem die dem Angeklagten Harald W*** mit Urteil des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 13.Juli 1988, AZ U 67/88, gewährte bedingte Nachsicht der verhängten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 80 S widerrufen wurde, kassiert werden.

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