OGH 13Os129/89

OGH13Os129/8912.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Oktober 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch (Berichterstatter) und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Toth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christine S*** und Omer Mohammed R*** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 StGB. über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26. April 1989, GZ. 24 d Vr 2015/89-4, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, des Verdächtigen Omer Mohammed R*** und des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Hummer, jedoch in Abwesenheit der Verdächtigen Christine S***, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß der Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26.April 1989, GZ. 24 d Vr 2015/89-4, verletzt den § 48 Z. 1 StPO.

Text

Gründe:

Die Firma T***, Kraftfahrzeug Handel und Werkstätten W*** & Co, erstattete am 28.September 1988 an die Staatsanwaltschaft Wien Strafanzeige gegen Christine S*** und Omer Mohammed R*** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 und 5 (richtig: 12) StGB., weil S*** einen ihr gehörigen, zu Gunsten der Anzeigerin exekutionsgerichtlich gepfändeten Anteil an einer Gesellschaft m.b.H. an R*** veräußert hat. Die Anzeigerin erklärte, sich dem einzuleitenden Strafverfahren mit einer noch zu beziffernden Summe "hinsichtlich des durch keinen Exekutionstitel gedeckten Betrages" als Privatbeteiligte anzuschließen (17 St 62.784/88). Die Staatsanwaltschaft legte die Strafanzeige nach § 90 StPO zurück.

Unter der ausdrücklichen Bezeichnung als Privatbeteiligte stellte die Firma T*** sodann beim Landesgericht für Strafsachen Wien den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung gegen Christine S*** und Omer Mohammed R***. Diesen Subsidiarantrag wies die Ratskammer mit Beschluß vom 26.April 1989, GZ. 24 d Vr 2015/89-4, zurück, weil er nicht mit der gemäß § 48 Z. 1 StPO. erforderlichen Erklärung verbunden worden sei, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anzuschließen. Überdies wird in der Begründung ausgeführt, daß auch anderenfalls (also selbst bei einer ausdrücklichen Anschlußerklärung) für die Antragstellerin nichts zu gewinnen gewesen wäre, "da durch die nun unterbliebene Verwertung des Geschäftsanteiles die betriebene Forderung zwar uneinbringlich geblieben war, dies jedoch keinen weiteren vermögensrechtlichen Anspruch nach sich zieht, der zur Erhebung eines Subsidiarantrages berechtigen würde". Gemeint ist mit dieser Formulierung offenbar, daß das Vorliegen eines Exekutionstitels eine zusätzliche Schädigung durch Vereitelung der Realisierung des gepfändeten Objekts ausschließe. Die gegen den Zurückweisungsbeschluß erhobene Beschwerde der Privatbeteiligten wurde vom Oberlandesgericht Wien ihrerseits als unzulässig zurückgewiesen (§ 49 Abs. 2 Z. 2 StPO.).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß der Ratskammer steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Die Ratskammer geht von der aktenwidrigen Annahme aus, die formelle Voraussetzung des § 48 Z. 1 StPO. sei mangels Anschlußerklärung als Privatbeteiligte nicht erfüllt. Der von ihr beigeschafften Anzeige war aber der Anschluß an das Strafverfahren eindeutig zu entnehmen; auf diese vorangegangene Erklärung wies auch der Subsidiarantrag durch die Bezeichnung der antragstellenden Partei als "Privatbeteiligter" neuerlich hin.

Aber auch die offenbar dahingehende weitere Begründung, das Vorhandensein eines Exekutionstitels schließe eine weitere Schädigung des Gläubigers durch den Verlust des in Exekution gezogenen Gegenstands und daher ein Einschreiten des Inhabers des Exekutionstitels als Subsidiarantragsteller aus, entspricht nicht dem Gesetz. Richtig und der Ratskammer zuzugeben ist, daß derjenige, der schon einen Exekutionstitel für seinen Anspruch besitzt, zum Anschluß als Privatbeteiligter nicht berechtigt ist, weil der abermaligen Geltendmachung seines Anspruchs nach §§ 47, 369 StPO. die Einrede der entschiedenen Streitsache entgegenstünde (SSt. 7/53, 21/62, 28/52, 29/10, LSK. 1984/139 u.v.a.). Die Annahme indes, der Verlust des gepfändeten Gegenstands könne keinen zusätzlichen Schaden des Gläubigers mehr verursachen, verbietet sich schon aus dem Wortlaut des § 162 Abs. 2 StGB. Darnach wird nämlich die Vollstreckungsvereitelung strenger bestraft, wenn sie einen 25.000 S übersteigenden "Schaden" herbeigeführt hat, der nicht mit der exekutiv gesicherten Forderung ident sein muß; er kann (z.B. auf Grund des Werts der gepfändeten Sache) geringer, er kann aber auch höher sein, zumal künftige exekutive Eintreibungen gleichermaßen strafrechtlich geschützt werden (Foregger-Serini-Kodek MKK.4 Anm. I zu § 162 StGB., LSK. 1987/85). Folgerichtig ist der Gläubiger dann als Privatbeteiligter zuzulassen, wenn er zwar über einen Exekutionstitel verfügt, aber einen höheren, durch diesen nicht gedeckten Schaden behauptet (SSt. 5/28, 28/52). In einem solchen Fall hängt von der meritorischen Frage nach der Höhe des erlittenen Schadens (§§ 156, 162 StGB.) die formalrechtliche Frage ab, ob der Adhärent über den exekutionsfähigen Anspruch hinaus geschädigt wurde und daher überhaupt berechtigt war, als Privatbeteiligter einzuschreiten; beide Fragen können in der Regel erst im Urteil beantwortet werden (siehe nochmals die vorzitierte Rechtsprechung). Das schließt freilich nicht aus, daß in der besonderen Prozeßlage eines Subsidiaranklageverfahrens die von der Schadensfrage abhängige weitere Frage der Zulässigkeit der Adhäsion und damit der Subsidiaranklage schon auf Grund eines Einspruchs gegen die Anklageschrift geprüft wird.

Im gegenständlichen Fall hat die Firma T*** - unbeschadet der Fraglichkeit der sonstigen Voraussetzungen des § 156 StGB. - am Schluß ihrer Anzeige erklärt, sich "dem einzuleitenden Strafverfahren mit einer zu präzisierenden Summe hinsichtlich des durch keinen Exekutionstitel gedeckten Betrages" anzuschließen. Die Pfändung des Geschäftsanteils der Gesellschaft m.b.H. gemäß § 331 EO. ist einer Nachpfändung (Beitrittspfändung) nicht hinderlich (vgl. analog § 300 EO. und vor allem § 76 Abs. 4 GmbHG.).

Mit anderen Worten: Wenn die Nachpfändung (Beitrittspfändung) eines bereits exekutiv gepfändeten Geschäftsanteils einer Gesellschaft m. b.H. etwa - entgegen der wirklichen Rechtslage - nicht zulässig wäre, so hätte der betreibende Gläubiger durch die Veräußerung des gepfändeten Geschäftsanteils höchstens im Betrag der dadurch exekutiv gesicherten Forderung, d.i. in der Höhe des vorhandenen Exekutionstitels geschädigt worden sein können; in diesem Fall wäre die Adhäsion - im Sinn des Beschlusses der Ratskammer - in der Tat unzulässig. Da aber, wie ausgeführt, die Nachpfändung des gepfändeten Geschäftsanteils möglich wäre und der Erwerb eines weiteren Exekutionstitels seitens des betreibenden Gläubigers gegen dieselbe Verpflichtete nicht ausgeschlossen werden kann, ergibt sich daraus und aus dem zuvor Gesagten, daß auch der auf das Fehlen bzw. den Ausschluß eines weiteren vermögensrechtlichen Anspruchs außer der betriebenen Forderung abhebende Teil der Begründung des Ratskammerbeschlusses eine unrichtige Anwendung des § 48 Z. 1 StPO. beinhaltet.

Die beiden antragsgemäß (§ 33 Abs. 2 StPO.) festgestellten Verletzungen des Gesetzes durch die Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien wirkten sich zum Vorteil der Verdächtigen aus, sodaß es damit sein Bewenden hat (§ 292 StPO.).

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