OGH 1Ob630/89

OGH1Ob630/8911.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Peter K***, Rechtsanwalt, Graz, Kalchberggasse 2, als

Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma S***

S***N Handelsgesellschaft mit

beschränkter Haftung, wider die beklagte Partei

C***-B*** Wien 1., Schottengasse 6-8, vertreten durch Dr.Paul Doralt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert S 100.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 17.April 1989, GZ 2 R 5/89-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 17. Oktober 1988, GZ 15 Cg 7/88-26, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen zu Punkt 1 des Klagebegehrens werden dahin abgeändert, daß sie wie folgt zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei Exekution bekanntzugeben, welche Beträge auf das Konto der Gemeinschuldnerin 0088-28329/00 auf Grund von an die beklagte Partei erfolgten Forderungsabtretungen zwischen 2.1.1985 und 13.3.1986 eingegangen sind.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten."

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der Firma S***

S***N Handelsgesellschaft mbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin) wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 13.3.1986, 20 S 9/86, der Konkurs eröffnet. Die beklagte Partei hatte der Gemeinschuldnerin schon im Jahre 1977 einen Betriebsmittelkredit gewährt, der ab 1979 mit Zessionen abgesichert wurde. Zuletzt betrug der Kreditrahmen S 800.000. Die Abwicklung erfolgte über das Girokonto 0088-28329/00. Anfang 1985 erkrankte der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. Im September 1985 wurde das gesamte verfügbare Firmenvermögen gepfändet. In dieser Zeit befand sich der Geschäftsführer im Krankenhaus. Beim Abtransport des gepfändeten Büromaterials wurden die Buchhaltungsunterlagen herausgerissen und auf den Boden geworfen, wo sie insbesondere durch Feuchtigkeit Schaden nahmen. Die Gemeinschuldnerin verfügt nunmehr über keine verwertbare Buchhaltung.

Der klagende Masseverwalter stellte ua das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, ihm Rechnung gemäß Art. XLII EGZPO über das Konto der Gemeinschuldnerin 0088-28329/00 und die erfolgten Zessionen zu legen und insbesondere bekanntzugeben, welche Zahlungen bei der beklagten Partei auf Grund aller seit 2.1.1985 bis 13.3.1986 vorgenommenen Forderungsabtretungen und welche nicht aus Zessionen stammende Zahlungen eingegangen sind. Buchhaltungsunterlagen über die Bewegungen auf dem Girokonto stünden nicht zur Verfügung, da durch den Geschäftsniedergang der Gemeinschuldnerin und die exekutive Verwertung der Büroeinrichtung die Unterlagen entweder verlorengegangen oder so durcheinandergebracht worden seien, daß sie nicht mehr zugeordnet werden könnten. Die beklagte Partei sei mehrmals gebeten worden, alle zur Beurteilung des Umfanges einer Anfechtung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Im Sinne der Entscheidung 1 Ob 563/86 (= SZ 59/143) bestehe eine Rechnungslegungspflicht; die beklagte Partei habe bekanntzugeben, welche Zahlungen bei ihr in der Zeit vom 2.1.1985 bis 13.3.1986 auf Grund vorgenommener Forderungsabtretungen eingegangen seien. Es gehe der klagenden Partei um die Gesamtrekonstruktion der Vorgänge auf dem Konto der Gemeinschuldnerin bei der beklagten Partei. Im Laufe des Verfahrens (ON 12 und Tagsatzung vom 27.9.1988) legte die klagende Partei die ihr von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten Ablichtungen der Kontoblätter des Kontos 0088-28329/00 ab 1.1.1985, weiters die Zessionsanbote mit den Anlagen (Tournierungslisten) vor.

Die beklagte Partei wendete ein, sie habe bereits vor Klagseinbringung die von ihr bis dahin verlangten Kontoauszüge für den Zeitraum 1.1. bis 31.12.1985 übersendet. Darüber hinaus seien der klagenden Partei nunmehr auch die Ablichtungen der Tournierungslisten (Zessionslisten) übersendet worden. Die Eingänge aus den zedierten Forderungen seien nicht einem separaten Zessionskonto, sondern dem Konto ordinario der Gemeinschuldnerin gutgebracht worden. Sie hätten dort automatisch den jeweiligen Debetsaldo aus dem gewährten Kontokorrentkredit gesenkt. Über die Kontobuchung hinausgehende separate Aufzeichnungen habe die beklagte Partei nicht geführt. Die Zahlungsbelege seien der Gemeinschuldnerin im Original übermittelt worden. Nur die somit in Händen der Gemeinschuldnerin befindlichen Zahlungsbelege ermöglichten aber die Feststellung, welche Kontogutschrift auf Grund der Bezahlung einer zedierten Forderung erfolgt sei. Selbst wenn die beklagte Partei aber wüßte, daß eine bestimmte Kontogutschrift auf Grund der Zahlung eines Drittschuldners erfolgt sei, wäre damit immer noch nicht geklärt, auf welche konkrete Zession diese Zahlung erfolgt sei. Die strittigen Zessionen seien als Saldozessionen erfolgt, d.h. die Gemeinschuldnerin habe jeweils sämtliche Forderungen abgetreten, die bis zu einem gewissen Stichtag gegen einen Kunden auf Grund ihrer Lieferungen aushafteten.

Das Erstgericht gab dem Rechnungslegungsbegehren mit dem Beisatz statt, daß insbesondere bei sechs Zahlungseingängen zwischen 1.7. und 5.9.1985 bekanntzugeben sei, ob sie aus Zessionen stammten. Unter Verwertung der vorgelegten Kontoblätter und Zessionslisten konnte es nur jene Zahlungseingänge Zessionen zuordnen, die mit dem Rechnungsbetrag jeweils übereinstimmten. Eine Feststellung, daß die beklagte Partei nicht in der Lage wäre, Auskunft über die jeweils auf Grund der Zessionen bei ihr einlangenden Zahlungen zu geben, könne nicht getroffen werden. Das Gegenteil sei vielmehr äußerst wahrscheinlich.

Rechtlich führte es aus, ein Rechnungslegungsanspruch sei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bei solchen Rechtsverhältnissen zu gewähren, deren Wesen es mit sich bringe, daß der Berechtigte entschuldbarerweise über das Bestehen und den Umfang seines Rechtes im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage sei, unschwer eine solche Auskunft zu erteilen.

Das Berufungsgericht gab der nur aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei, soweit sie das Rechnungslegungsbegehren betraf, nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 300.000, der von der Bestätigung betroffene Wert S 60.000 übersteige. Die Rechnungslegungspflicht ergebe sich schon aus dem zwischen der Gemeinschuldnerin und der beklagten Partei abgeschlossenen Kreditverhältnis. Das Begehren sei nicht davon abhängig, ob die Anfechtungsansprüche berechtigt seien. Es sei daher auch nicht auf jenen Zeitraum zu beschränken, in dem allfällige anfechtbare Rechtshandlungen gesetzt worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist teilweise berechtigt. Wie der erkennende Senat mit weiteren Nachweisen (vgl. weiters BGHZ 81, 21, 25; Heinrichs in Palandt48 298; Seiler in Münchener Kommentar2 Rz 4 zu § 666 BGB; Keller in Münchener Kommentar2 Rz 13 a zu § 260 BGB) in seiner Entscheidung SZ 59/134 ausgesprochen hat, ist auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung aus den zugrundeliegenden Rechtsverhältnissen ein Rechnungslegungsanspruch dann abzuleiten, wenn ein Teil in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang des Vermögens im Ungewissen, der andere aber unschwer in der Lage ist, eine solche Auskunft zu erteilen und ihm dies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch zugemutet werden kann. Ein zur Rechnungslegung verpflichtendes Rechtsverhältnis liegt insbesondere bei Kreditverträgen vor. Gegen die Richtigkeit dieser Entscheidung werden in der Revision keine neuen Argumente vorgetragen. Der erkennende Senat hält daher an seiner Rechtsprechung fest. Die beklagte Partei ist zwar seinerzeit durch Übermittlung der Kontoauszüge und der Eingangsbelege ihrer vertraglichen Rechenlegungspflicht nachgekommen. Macht aber der Kreditkunde glaubhaft, daß er diese Unterlagen wegen Verlustes nicht mehr in seinem Besitz hat, so hat ihm die Bank im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren erneut Mitteilung über die betreffenden Kontobewegungen zu machen (Canaris in Bankvertragsrecht2 Rz 342). Aus dem vorliegenden Sachverhalt ergibt sich auch entgegen den Ausführungen der Revision nicht, daß der Gemeinschuldnerin ein Verschulden am Verlust der Buchhaltungsunterlagen vorzuwerfen sei, befand sich doch ihr Geschäftsführer beim Abtransport der gepfändeten Gegenstände in Spitalspflege. Die klagende Partei hat zwar vorgebracht, sie benötige die entsprechende Auskunft deshalb, um allenfalls Anfechtungsansprüche erheben zu können, sie stützte ihr Begehren aber, wie der Hinweis auf die Entscheidung SZ 59/143 deutlich zeigt, auch allgemein auf das zwischen der Gemeinschuldnerin und der beklagten Partei abgeschlossene Kreditverhältnis.

Die beklagte Partei ließ die Feststellungen des erstgerichtlichen Urteiles unangefochten. Danach blieb ihre Behauptung, es sei ihr unmöglich, darüber Auskunft zu geben, welche Eingänge auf Grund von Zessionen erfolgten, unbewiesen. Das Erstgericht, das eine Reihe von Zahlungseingängen eindeutig zuordnen konnte, nahm vielmehr an, daß es äußerst wahrscheinlich sei, daß die beklagte Partei in der Lage wäre, über die auf die abgetretenen Forderungen eingegangenen Zahlungen Auskunft zu geben. Soweit in der Revision erneut behauptet wird, es werde von der beklagten Partei eine Leistung begehrt, die sie unmöglich erbringen könne, ist sie demnach nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.

Zutreffend führt die Revision allerdings aus, daß die beklagte Partei durch Übersendung aller Kontoblätter seit 2.1.1985 und aller Zessionslisten vor Schluß der Verhandlung ohnedies einen Teil des gestellten Begehrens (Rechnung zu legen über das Konto und die erfolgten Zessionen) bereits nachgekommen sei. In diesem Umfang hat sie ihre vertragliche Verpflichtung bereits erfüllt. Hat die klagende Partei dem nicht durch Einschränkung ihres Begehrens Rechnung getragen, sind die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß das allgemein gestellte Rechnungslegungsbegehren und das Begehren um Bekanntgabe der Zessionen abzuweisen ist. Bei der Neufassung des Begehrens ist zu berücksichtigen, daß durch Bekanntgabe aller Eingänge auf Grund von Zessionen sich ohnedies zwangsläufig ergibt, daß alle anderen Eingänge nicht auf Grund abgetretener Forderungen erfolgten. Eine Verlängerung der Paritionsfrist ist bei dem nur teilweise stattzugebenden Auskunftsbegehren nicht erforderlich.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 392 Abs 2, 52 Abs 2, 43 Abs 1, 50 ZPO.

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