OGH 4Ob575/89 (4Ob576/89, 4Ob577/89)

OGH4Ob575/89 (4Ob576/89, 4Ob577/89)10.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Dr. Heinrich M***, Pensionist, Kirchenlandl Nr. 65, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen gegen die Beschlüsse des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 16. Juni 1989, GZ R 140/89-59 und GZ R 505/89-60, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Liezen vom 16. Dezember 1988, GZ SW 5/87-34 und vom 18. Mai 1989, GZ SW 5/87-54, bestätigt wurden, sowie gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 27. Juni 1989, GZ R 504/89-61, womit der Rekurs des Betroffenen gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Liezen vom 21. April 1989, GZ SW 5/87-51, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revisionsrekurse gegen die Beschlüsse des Rekursgerichtes vom 16. Juni 1989 (ON 59 und ON 60) werden zurückgewiesen. Dem Rekurs gegen den Beschluß des Rekursgerichtes vom 27. Juni 1989 (ON 61) wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Dr. Heinrich M*** war öffentlicher Notar in Persenbeug. Mit Beschluß vom 15. November 1977, Dg 1/77-41, erklärte das Oberlandesgericht Wien als Dienstgericht für Notare dieses Amt des Dr. Heinrich M*** wegen Vorliegens geistiger Gebrechen, die ihn zur Führung seines Amtes bleibend unfähig machen, für erloschen. Der Oberste Gerichtshof als Beschwerdegericht in Dienstrechtssachen für Notare bestätigte diese Entscheidung mit Beschluß vom 3. Juli 1978, Dg 2/78-10. Da sich Dr. Heinrich M*** in der Folge weigerte, Pensionszahlungen entgegenzunehmen, und dieses Verhalten auch zum Verlust bestimmter Pensionsansprüche geführt hatte, bestellte das Erstgericht mit Beschluß vom 16. November 1987 (ON 4) gemäß § 238 Abs 1 AußStrG Dr. Heinrich B***, öffentlicher Notar in Irdning, zum Rechtsbeistand des Betroffenen für das Sachwalterverfahren sowie gemäß § 238 Abs 2 AußStrG Dr. Heinrich B***, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, zum einstweiligen Sachwalter; es trug letzterem auf, den Betroffenen im Rahmen seiner Eingabe an die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats gegenüber dieser Behörde zu vertreten, die dem Betroffenen zustehende Pension für diesen entgegenzunehmen und gegebenenfalls hieraus Mittel für dessen Lebensunterhalt zur Verfügung zu stellen. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß (ON 13); mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 26. April 1988 (ON 21) wurde der außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen zurückgewiesen.

Am 14. Dezember 1988 berichtete Dr. Heinrich B*** dem Erstgericht, daß eine weitere Herabsetzung des monatlichen Sozialversicherungsbeitrages auf S 690,- nur auf Grund eines bis längstens 31. Dezember 1988 bei der Wiener Gebietskrankenkasse zu stellenden Antrages möglich sei; andernfalls würde der monatliche Beitrag ab 1. Jänner 1989 S 1.650,- betragen. Der Betroffene gab daraufhin dem Erstgericht bekannt, daß er einen Antrag auf Fristverlängerung zur Beibringung restlicher Unterlagen gestellt habe.

Mit Beschluß vom 16. Dezember 1988 (ON 34) erweiterte das Erstgericht den Aufgabenbereich des einstweiligen Sachwalters dahin, Dr. Heinrich M*** auch gegenüber der Sozialversicherung sowie in allen übrigen Vermögensangelegenheiten zu vertreten. Wenngleich der Betroffene mitgeteilt habe, daß er diese Angelegenheit selbst regeln werde, habe er doch den einfachsten Weg, nämlich den erforderlichen Antrag formlos zu stellen, nicht beschritten. Da der einstweilige Sachwalter auch mitgeteilt habe, daß Dr. Heinrich M*** eine Eigentumswohnung in Wien habe und es auch damit unter Umständen Verwaltungsprobleme geben könne, sei sein Aufgabenkreis entsprechend zu erweitern gewesen. Mit Beschluß vom 21. April 1989 (ON 51) bestellte das Erstgericht Dr. Heinrich B*** gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter und trug diesem die gesetzliche Vertretung des Pflegebefohlenen vor Ämtern, Behörden und gesetzlichen Vertretungskörpern auf. Bei Dr. Heinrich M*** träten paranoide, durch ihn nicht mehr korrigierbare Gedankengänge in bezug auf den Verkehr mit der Notariatskammer, der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats und anderen Ämtern und Behörden auf, die zu nachteiligen Rechtshandlungen des Betroffenen geführt hätten; in diesem Umfang sei ihm daher ein Sachwalter zu bestellen gewesen. Von der Besorgung der Vermögensverwaltung und der persönlichen Obsorge durch den Sachwalter könne hingegen im Hinblick auf die Lebensführung des Betroffenen und seine Kenntnis über seine finanziellen Verhältnisse vorläufig Abstand genommen werden.

Mit Beschluß vom 18. Mai 1989 (ON 54) bestimmte das Erstgericht die im Zuge des Sachwalterbestellungsverfahrens aufgelaufenen Sachverständigengebühren mit S 5.495,-.

Der Betroffene hat diese drei Beschlüsse mit Rekurs angefochten. Den Beschluß ON 34 (Erweiterung des Aufgabenbereiches des einstweiligen Sachwalters) bestätigte das Rekursgericht mit Beschluß vom 16. Juni 1989 (ON 59). Im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Erstgericht habe die Gefahr bestanden, daß Dr. Heinrich M*** den zur Verlängerung der Herabsetzung des Sozialversicherungsbeitrages erforderlichen Antrag selbst nicht stellen werde; dadurch wäre er der Gefahr ausgesetzt gewesen, einen höheren Beitrag leisten zu müssen. Dieser Gefahr habe durch entsprechende Ausweitung der Befugnisse des einstweiligen Sachwalters begegnet werden müssen. Da zum Zeitpunkt der Beschlußfassung in erster Instanz nicht habe ausgeschlossen werden können, daß der Betroffene die sich aus dieser Reduzierung ergebende höhere Pensionszahlung nicht annehmen werde, sei auch die Erweitung der Sachwalterschaft auf die gesamte Vermögensverwaltung gerechtfertigt gewesen.

Den Rekurs des Betroffenen gegen die endgültige Sachwalterbestellung (ON 51) wies das Rekursgericht mit Beschluß vom 27. Juni 1989 (ON 61) als verspätet zurück. Da der Sachwalter durch diesen Beschluß bereits Rechte erworben habe, könne auf das verspätete Rechtsmittel auch nicht im Sinne des § 14 Abs 2 AußStrG Bedacht genommen werden.

Mit einem weiteren Beschluß vom 16. Juni 1989 (ON 60) bestätigte das Rekursgericht auch den Gebührenbestimmungsbeschluß des Erstgerichtes (0N 54).

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse des Betroffenen gegen die Beschlüsse des Rekursgerichtes vom 16. Juni 1989 (0N 59 und ON 60) sind unzulässig; der Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) des Betroffenen gegen den Beschluß des Rekursgerichtes vom 27. Juni 1989 (ON 61) ist hingegen nicht berechtigt.

I. Zum Revisionsrekurs gegen den Beschluß des Rekursgerichtes vom 16. Juni 1989 (0N 59).

Der Betroffene führt in diesem Rechtsmittel im wesentlichen aus, daß die Ausdehnung der Befugnisse des vorläufigen Sachwalters auf Grund seines bisherigen Verhaltens nicht gerechtfertigt gewesen sei. Bestätigende Entscheidungen des Rekursgerichtes können im Außerstreitverfahren gemäß § 16 AußStrG nur wegen einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität angefochten werden; das gilt auch im Verfahren zur Bestellung von Sachwaltern für behinderte Personen (NZ 1987, 95). Der Rechtsmittelwerber hat mit seinen Ausführungen offensichtlich eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Auge; der Vorwurf einer Aktenwidrigkeit oder einer Nichtigkeit wurde nicht erhoben. Gemäß § 238 Abs 2 AußStrG hat das Gericht dem Betroffenen, gegen den ein Verfahren auf Bestellung eines Sachwalters fortgesetzt wurde, zur Besorgung dringender Angelegenheiten für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen; auch in der Erweiterung der Befugnisse eines bereits bestellten einstweiligen Sachwalters liegt eine derartige Maßnahme. Wann im Einzelfall eine solche Maßnahme dringend geboten ist, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt; daher kann auch die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß derartige Maßnahmen zu treffen gewesen seien, nicht offenbar gesetzwidrig sein. Der von den Vorinstanzen festgestellte Sachverhalt, an den der Oberste Gerichtshof gebunden ist, läßt aber diese vorläufigen Maßnahmen als gerechtfertigt erscheinen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen war daher als unzulässig zurückzuweisen.

II. Zum Revisionsrekurs gegen den Beschluß des Rekursgerichtes vom 16. Juni 1989 (ON 60):

Gemäß § 14 Abs 2 AußStrG sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über Gebühren von Sachverständigen unzulässig. Das gilt nicht nur dann, wenn es sich um die Bemessung der Höhe der Gebühren handelt, sondern auch dann, wenn - wie hier - Nichtigkeit eines Gebührenbestimmungsbeschlusses geltend gemacht wird (6 Ob 287/61). Der unzulässige Revisionsrekurs des Betroffenen war daher zurückzuweisen.

III. Zum Rekurs gegen den Beschluß des Rekursgerichtes vom 27. Juni 1989 (ON 61):

Die vom Rechtsmittelwerber bekämpfte Ansicht des Rekursgerichtes, ein gemäß § 273 ABGB bestellter Sachwalter sei "Dritter" im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG, so daß ein gemäß § 244 AußStrG gefaßter Bestellungsbeschluß nicht mehr ohne dessen Nachteil abgeändert werden könne, trifft zwar nicht zu: Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, wird der Sachwalter nicht im eigenen, sondern ausschließlich im Interesse des Betroffenen tätig; er erwirbt durch seine Bestellung keine eigenen Rechte, in die eingegriffen werden könnte (SZ 60/103; 1 Ob 532/86; 1 Ob 542/82).

Die Zurückweisung des verspäteten Rechtsmittels des Betroffenen war aber dennoch gerechtfertigt. Gemäß § 247 AußStrG wird der Beschluß, mit dem der Sachwalter bestellt wird, mit Eintritt der Rechtskraft rechtswirksam. Das Gesetz geht demnach davon aus, daß dieser Beschluß, an den weitreichende Rechtsfolgen im privaten und öffentlichen Recht geknüpft sind (vgl § 248 AußStrG), der Rechtskraft fähig ist. Vor dem Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes BGBl 136/1983 wurde der Standpunkt vertreten, daß das Rechtsmittelverfahren in der Entmündigungsordnung (§§ 37 ff) eine besondere Regelung erfahren habe und die Bezeichnung der Rekursfrist als Notfrist (§ 49 Abs 3 EntmO) der Anwendung des § 11 Abs 2 AußStrG entgegenstehe (SZ 38/224; SZ 22/19 ua). Es kann aber nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber des Sachwaltergesetzes von diesem Grundsatz abgehen und in Kauf nehmen wollte, daß die Bestellung eines Sachwalters auf Grund eines verspäteten Rechtsmittels und damit praktisch ohne zeitliche Begrenzung (rückwirkend) beseitigt werden könnte; mit dem Hinweis auf den Eintritt der Rechtskraft sollte vielmehr eine klare Bestimmung über das Wirksamwerden des Sachwalterbestellungsbeschlusses geschaffen werden. Dieser Absicht des Gesetzes liefe aber die Anwendbarkeit des § 11 Abs 2 AußStrG zuwider (SZ 60/103; siehe dazu auch Gamerith, Drei Jahre Sachwalterrecht, NZ 1988, 61 ff !70 ).

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