Spruch:
Im Verfahren zum AZ 4 b E Vr 2136/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz wurde durch die Beschlüsse
- 1. dieses Gerichtes vom 13.September 1988, ON 3, und
- 2. des Oberlandesgerichtes Graz vom 20.Oktober 1988, AZ 11 Bs 434/88, ON 6,
das Gesetz in der Bestimmung des § 20 Abs 1 MedG verletzt.
Text
Gründe:
I. In der im Spruch bezeichneten Mediensache wies das Landesgericht für Strafsachen Graz einen Antrag des Entgegnungsberechtigten, dem Medieninhaber für das Erscheinen jeder Nummer des von ihm hergestellten periodischen Druckwerks nach dem 24. Juni 1988 ohne gehörige Erfüllung des gegen ihn erwirkten gerichtlichen Veröffentlichungsauftrags wegen dessen weiterer Nichterfüllung nach jenem Tag gemäß § 20 (Abs 1) MedG abermals eine Geldbuße aufzuerlegen, mit der Begrüdung ab, daß die in dieser Gesetzesstelle normierte sechswöchige Antragsfrist bei neuerlichen Durchsetzungsanträgen jeweils neu zu berechnen sei, und zwar ab dem letzten Tag, für den schon mit dem vorangegangenen Durchsetzungsbeschluß eine Geldbuße verhängt worden war; sie habe daher im vorliegenden Fall mit dem eingangs bezeichneten Stichtag zu laufen begonnen und sei beim Einlangen des Antrags am 25.August 1988 bereits verstrichen gewesen (ON 3).
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Graz verworfen; auch das Beschwerdegericht vertrat die Ansicht, daß die Wahrung der Frist beim ersten Durchsetzungsantrag nicht "für alle Zeiten" wirke, zumal der für die Befristung maßgebende Sinn des Gesetzes, einen längeren Schwebezustand - der auch dem schutzwürdigen Interesse des Entgegnungsberechtigten (an einer möglichst raschen Rehabilitierung) nicht dienlich wäre - zu vermeiden, für spätere Durchsetzungsanträge umso mehr aktuell sei (ON 6).
Rechtliche Beurteilung
II. Beide Beschlüsse stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang.
1. Nach § 20 Abs 1 MedG hat das Gericht dann, wenn einem Auftrag zur Veröffentlichung einer Entgegnung oder einer nachträglichen Mitteilung (§ 15 MedG) entweder (erster Durchsetzungsfall) nicht rechtzeitig, also verspätet oder gar nicht, oder (zweiter Durchsetzungsfall) nicht gehörig entsprochen wurde, "auf Verlangen" des Antragstellers durch Beschluß zu entscheiden, daß dem Antragsgegner für das Erscheinen jeder Nummer oder für jeden Sendetag ohne gehörige Veröffentlichung nach dem in § 13 Abs 1 (§ 17 Abs 3) MedG bezeichneten Zeitpunkt (der spätestmöglichen rechtzeitigen Auftragserfüllung) die Zahlung einer Geldbuße bis 5.000 S an den Antragsteller auferlegt wird. "Das Verlangen" muß binnen sechs Wochen von jenem Zeitpunkt an gestellt werden, in dem die Veröffentlichung spätestens hätte vorgenommen werden sollen (und nicht vorgenommen wurde: erster Fall) oder in dem sie nicht gehörig vorgenommen wurde (zweiter Fall).
Befristet ist sohin nicht jeder einzelne Antrag, der zur Realisierung des Durchsetzungsbegehrens dient, sondern vielmehr "das Verlangen" schlechthin; gewiß kommt letzteres bei wiederholter Antragstellung in jedem der mehreren Anträge zum Ausdruck, doch wird es eben deswegen auch (schon) mit dem auf ein Unterbleiben der aufgetragenen Veröffentlichung (erster Fall) oder auf jede nicht gehörige Veröffentlichung (zweiter Fall) folgenden ersten Durchsetzungsantrag geltend gemacht, durch den folgerichtig (in beiden Fällen) die Frist entweder bis zum Erlöschen des Veröffentlichungsanspruchs (durch gehörige Erfüllung, Verzicht oder Verjährung) oder aber jedenfalls bis zu einer unter Umständen nachfolgenden (erst- oder abermals) nicht gehörigen Veröffentlichung, die ex lege einen neuen Fristenlauf auslöst, ein für allemal gewahrt wird (idS, allerdings ohne Begründung und ohne deutliche Differenzierung, Hartmann-Rieder Komm 138).
2. Dieser Wortsinn des Gesetzes wird durch dessen Entstehungsgeschichte belegt.
Denn ebenso wie in § 26 ME 1975 und in § 28 RV 1975 (54 BlgNR XIV.GP) wurde auch noch in § 24 RV 1979 (2 BlgNR XV.GP) zwischen dem zur gerichtlichen Anordnung von Durchsetzungsmaßnahmen sachlich vorauszusetzenden "Verlangen" des Berechtigten und der zu dessen prozessualer Geltendmachung erforderlichen "Antrag"-Stellung unterschieden, wobei selbst für den Fall einer - arg. "solange ... nicht entsprochen wird" (RV 1979 und 1975) sowie, noch klarer, arg. "bis zur gehörigen Durchführung" (ME 1975) deutlich genug als zulässig deklarierten - Wiederholung von (erfolglos gebliebenen) Durchsetzungsanträgen "ein Antrag" (innerhalb des zuvor bezeichneten Zeitraums) zur Fristwahrung genügen sollte.
Der Wegfall jener terminologischen Verdeutlichung sowohl der dem Begriff "Verlangen" in § 20 MedG zugedachten Wortbedeutung als auch der Zulässigkeit wiederholter Antragstellung ohne einleitenden "Grundsatzbeschluß" (kritisch hiezu, jedoch ohne Stellungnahme zur Auslegungsfrage, Graff in RZ 1981, 218, sowie - ihm folgend - Wittmann, Einführung in das Medienrecht, 1981, 75 f., und Kirchmayer in RZ 1983, 263) im letztlichen Gesetzestext ist ersichtlich nur auf den legistisch wenig geglückten Versuch des Justizausschusses zurückzuführen, anläßlich des Verzichts auf das Vorsehen einer Beugestrafe neben der Auferlegung einer Geldbuße als Maßnahme zur Durchsetzung eines Veröffentlichungsauftrags (§ 24 Abs 1 RV 1979, § 28 Abs 1 RV 1975, § 26 Abs 1 ME 1975) materiellrechtliche und prozessuale Regelungselemente in einem einzigen Absatz zusammenzufassen; Anhaltspunkte dafür, daß solcherart im hier interessierenden Regelungsbereich auch inhaltlich von den bisherigen Gesetzesvorhaben abgewichen werden sollte, sind den Materialien (JAB 743 BlgNR XV.GP 9) nicht zu entnehmen.
3. Der vom Beschwerdegericht hervorgehobene Sinn der in Rede stehenden Befristung hinwieder, in Ansehung des möglichen Bevorstehens gerichtlicher Maßnahmen zur Durchsetzung eines Veröffentlichungsauftrags einen "längeren Schwebezustand" zu vermeiden, steht dieser Auslegung keineswegs entgegen. Im Fall einer nicht gehörigen Veröffentlichung (zweiter Durchsetzungsfall) nämlich kommt, wie vorweg klarzustellen ist, ein derartiger Schwebezustand von vornherein nicht in Betracht, weil diesfalls (wie bereits dargelegt) auch nach bereits vorangegangener Auferlegung einer Geldbuße (wegen Nichtveröffentlichung oder nicht gehöriger Veröffentlichung) ohnehin ein neuer Fristenlauf ausgelöst wird.
Beim Unterbleiben einer Veröffentlichung (erster Durchsetzungsfall) trotz der vorangegangenen Auferlegung einer Geldbuße aber kann zunächst jedenfalls von einer (durch das Ausreichen der fristgerechten ersten Antragstellung bedingten) "ewigen" oder "immerwährenden" Ungewißheit über ein allfälliges Bevorstehen von Durchsetzungsmaßnahmen deswegen keine Rede sein, weil der - als Persönlichkeitsrecht eigener Art (vgl Hartmann-Rieder aaO 84, 94) - seiner Natur nach zivilrechtliche Veröffentlichungsanspruch sehr wohl den Bestimmungen über die Verjährung (§§ 1478 f ABGB) unterliegt.
Innerhalb der Verjährungsfrist indessen stellt sich das Erlöschen eines rechtskräftig zuerkannten Veröffentlichungsanspruchs wegen Versäumung der in § 20 Abs 1 MedG für die Geltendmachung des Durchsetzungs-Verlangens normierten materiellrechtlichen Fallfrist als eine dem vergleichbaren Bereich der Exekutionsführung zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen (§ 354 EO) - idS M/R 1987, 201 = EvBl 1988/44 = RZ 1988/27 - ebenso wie dem gesamten Exekutionsrecht fremde Schmälerung der Gläubigerrechte dar, zu deren Ausweitung im Weg einer extensiven Auslegung dieser Bestimmung auch unter Bedacht auf die insoweit aktuellen medienrechtsspezifischen Aspekte kein Anlaß besteht; wird doch der Möglichkeit einer durch das Fortschreiten der Zeit bedingten, gegebenenfalls eine Anspruchsdurchsetzung erübrigenden Änderung der Interessenlage des Berechtigten durch dessen Verpflichtung zur Geltendmachung seines Durchsetzungs-Verlangens bei sonstigem Anspruchsverlust binnen der relativ kurzen Frist von sechs Wochen durchaus zureichend Rechnung getragen.
Denn zum einen kann die bloß vorläufige Unterlassung eines neuerlichen Durchsetzungsantrags innerhalb weiterer sechs Wochen ab dem - im übrigen nur im Weg einer Analogie ins Auge zu fassenden - Wirksamkeitsende des vorangegangenen Durchsetzungsbeschlusses sehr wohl im berechtigten Interesse des Antragstellers liegen, wie etwa während der Anhängigkeit eines Wiedereinsetzungsantrags nach § 15 Abs 2 MedG oder eines fortgesetzten Verfahrens nach § 16 Abs 1 MedG, und zum anderen hat es ja der Antragsgegner im hier in Rede stehenden Fall einer Nichtveröffentlichung (erster Durchsetzungsfall) selbst in der Hand, durch die Vornahme der ihm aufgetragenen Veröffentlichung eine schikanöse Verzögerung ihrer Durchsetzung seitens des Berechtigten abzuwenden, indem er damit entweder den Anspruch gehörig erfüllt oder aber zumindest seinerseits den neuerlichen Ablauf der sechswöchigen Fallfrist - nunmehr für einen Durchsetzungsantrag wegen nicht gehöriger Veröffentlichung (zweiter Durchsetzungsfall) - in Gang setzt; tut er das nicht, dann kann von einem Prävalieren seines Interesses an der Vermeidung eines Schwebezustands vor dem (potentiellen) Interesse des Berechtigten auf künftighin unbefristete Durchsetzung seines rechtskräftig festgestellten Veröffentlichungsanspruchs innerhalb der Verjährungsfrist mit Fug nicht gesprochen werden.
4. Wortlaut und Sinn des Gesetzes in Verbindung mit dessen Entstehungsgeschichte führen sohin zum Ergebnis, daß die in § 20 Abs 1 MedG normierte Fallfrist nur für den jeweils ersten Durchsetzungsantrag nach der Nichterfüllung oder verspäteten Erfüllung (erster Fall) sowie nach jeder nicht gehörigen Erfüllung (zweiter Fall) eines gerichtlichen Veröffentlichungsauftrags gilt (idS auch die E. d. OLG Wien, 27 Bs 125/89, vom 30.März 1989).
III. Die dem Landesgericht für Strafsachen Graz durch die (auf der rechtsirrigen Annahme einer Fristversäumnis des Antragstellers beruhende) Abweisung des Durchsetzungsantrags und dem Oberlandesgericht Graz durch die (aus der gleichen Fehlbeurteilung resultierende) Bestätigung dieses Beschlusses unterlaufenen Gesetzesverletzungen waren daher in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wie im Spruch festzustellen.
Ihre Behebung (§ 292 letzter Satz StPO) kam im Hinblick darauf nicht in Betracht, daß sie der Antragsgegnerin, der im Verfahren die Rechte des Beschuldigten zukamen (§ 14 Abs 3 MedG), nicht zum Nachteil gereichten.
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