Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24.Mai 1989, GZ 22 Vr 669/89-16, wurde der am 19.November 1959 geborene Mario M*** des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB (idF vor der Strafgesetznovelle 1989) schuldig erkannt, weil er am 10.Februar 1989 in Zirl die 26-jährige Elfriede M*** durch Versetzen einer kräftigen Ohrfeige und durch Vereitelung ihrer Fluchtversuche durch wiederholtes Verriegeln der Fahrzeugtür (1) mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf und (2) sodann zu einem Oralverkehr genötigt hat.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen fuhr der Angeklagte in Begleitung der Elfriede M*** nach einem gemeinsamen Lokalbesuch unter dem Vorwand, sie mit seinem Personenkraftwagen nach Hause zu bringen, in eine abgelegene Seitenstraße, betastete sie gegen ihren Widerstand an den Brüsten und am Geschlechtsteil und versetzte ihr, um sie gefügig zu machen, eine kräftige, zu Blutungen in der Mundregion führende Ohrfeige. Nachdem wiederholte Fluchtversuche der Frau, die sie durch die scheinbare Aufgabe ihres Widerstands eingeleitet hatte, jeweils daran scheiterten, daß ihr der Angeklagte mit der (neuerlichen) Verriegelung des Fahrzeugs zuvorkam, legte sich Mario M*** auf sie und vollzog den Geschlechtsverkehr. Da es bei ihm - so das Erstgericht - "auch nach längerer Zeit" zu keinem Samenerguß kam, forderte er die Frau zu einem Mundverkehr auf. Diese fügte sich daraufhin "durch das Verhalten des Angeklagten geschockt und in Erwartung weiterer Gewalttätigkeiten" (S 118) erneut dessen Willen.
Der Angeklagte bekämpfte dieses Urteil ausschließlich im Strafausspruch mit Berufung, welcher das Oberlandesgericht Innsbruck jedoch mit Entscheidung vom 13.Juli 1989, AZ 8 Bs 260/89, nicht Folge gab. Zu der im Berufungsverfahren vorgebrachten Anregung der amtswegigen Wahrnehmung einer dem erstinstanzlichen Urteil in Ansehung des Schuldspruchs wegen § 204 Abs. 1 StGB vorgeworfenen materiellrechtlichen Nichtigkeit hielt das Berufungsgericht fest, daß es - abgesehen von der im § 295 Abs. 1 StPO normierten Beschränkung der Berufungsentscheidung auf die der Berufung unterzogenen Punkte bei gleichzeitiger Bindung an den erstinstanzlichen Ausspruch über die Schuld und über das anzuwendende Strafgesetz - die der erstgerichtlichen Bejahung eines realkonkurrierenden Zusammentreffens zugrundeliegende Rechtsauffassung teile, "weil nach den Urteilsannahmen die Nötigung zum Beischlaf bereits abgeschlossen war, als ihr der Angeklagte die weiteren Unzuchtsakte (insbesondere Mundverkehr) folgen ließ, die er zwecks endgültiger sexueller Befriedigung nach Fassung eines gesonderten Willensentschlusses durch Fortsetzung der Nötigung des Mädchens erzwang" (S 138).
Mit ihrer zur Wahrung des Gesetzes gegen das bezeichnete Urteil des Landesgerichtes Innsbruck erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde macht die Generalprokuratur eine im Schuldspruch des Mario M*** (auch) wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB (aF) gelegene Gesetzesverletzung im wesentlichen mit der Begründung geltend, daß nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Urteilsfällung (vor Inkrafttreten der Strafgesetznovelle 1989) Realkonkurrenz zwischen den Tatbeständen der Nötigung zum Beischlaf (§ 202 Abs. 1 StGB aF) und der Nötigung zur Unzucht (§ 204 Abs. 1 StGB) grundsätzlich nur unter der Voraussetzung in Betracht gekommen wäre, daß die in einer Vor-, Zwischen- oder Nachphase eines erzwungenen Beischlafs gesetzten Unzuchtsakte auf gesonderten Willensentschlüssen beruhten, wobei allerdings solche (wenn auch einem neuen Willensentschluß entsprungenen) Unzuchtshandlungen nicht gesondert dem § 204 Abs. 1 StGB zu unterstellen gewesen wären, die ohne weitere Gewalt oder Drohung unter Ausnützung der durch eine vorangegangene Nötigung zum Beischlaf geschaffenen und weiterhin aufrechten Zwangslage des Opfers gesetzt wurden, weil es insoweit an einer diese Akte betreffenden tatbestandsgemäßen Nötigung durch den Täter fehle.
Rechtliche Beurteilung
Diese (durch Judikatur- und Literaturzitate belegten) an sich zutreffenden materiellrechtlichen Aspekte lassen sich jedoch, der Auffassung der Generalprokuratur zuwider, schon deshalb nicht auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen, weil der hier dem Beischlafsvollzug nachfolgende, dem Angeklagten als (zu § 202 Abs. 1 StGB aF realkonkurrierend hinzutretende) Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB angelastete Oralverkehr nicht bloß unter Ausnützung der durch die Vortat geschaffenen und (ohne neue Gewalt oder Drohung) weiter bestehenden Nötigungslage des Opfers, sondern mit Rücksicht auf die prolongierte Arretierung der Frau im verriegelten Kraftwagen unter Umständen geschah, die nicht anders als ein fortgesetztes Festhalten des Tatopfers im Sinn erneuter körperlicher Gewaltanwendung zu beurteilen sind. Läßt sich sohin die unfreiwillige Fügung des Tatopfers in den inkriminierten Mundverkehr, so gesehen, nicht auf die der Beschwerdeargumentation sinngemäß zugrundegelegte bloße Nachwirkung vorangegangener beischlafsbezogener Gewaltakte oder Drohungen allein reduzieren (siehe 12 Os 128/80), so kommt auch für die hier aktuelle Konkurrenzproblematik nach der zur Rechtslage vor der Strafgesetznovelle 1989 gefestigten Judikatur der Typizität der Unzuchtshandlung als (tätergewollter) Begleiterscheinung des Beischlafs entscheidende Bedeutung zu. Darnach scheidet aber im konkreten Zusammenhang eine Beurteilung des Mundverkehrs als beischlafstypische Begleittat schon deshalb aus, weil der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen die entsprechende Aufforderung erst infolge Ausbleibencec s Samenergusses beim Beischlaf, damit denknotwendig aber auf Grund eines gesonderten Willensentschlusses an die (wie dargelegt fortgesetzt in seinem Personenkraftwagen eingeschlossen gehaltene) Frau gerichtet hat (Mayerhofer-Rieder, StGB4, EGr Nr. 30 und 31 zu § 201 iVm Nr. 5 zu § 204) und die eigenständige rechtliche Relevanz dieses Unzuchtsaktes auch objektiv in der Intensität der bezüglichen geschlechtlichen Triebbefriedigung deutlich wird (13 Os 72/80, 13 Os 12/86).
Nach den dargelegten Erwägungen haftet der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund (Z 10) dem in Rede stehenden Schuldspruch nicht an, weshalb die zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen war.
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