OGH 13Os92/89

OGH13Os92/8928.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.September 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Toth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ursula H*** wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z. 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 1.Dezember 1988, GZ. 2 a Vr 6371/86-73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung hat gemäß § 285 i StPO das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde - auf Grund einer wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB erhobenen Anklage - die am 30.März 1956 geborene nunmehrige Bedienstete der Wr.Stadtwerke Ursula H*** des Vergehens (richtig: der Vergehen) der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z. 1 und Z. 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach liegt ihr zur Last, in den Jahren 1981 und 1982 in Mayerling und Schranawand als Schuldnerin mehrerer Gläubiger bei der Führung eines sogenannten Geflügelhofs und bei dem Handel mit Geflügel und Eiern fahrlässig durch leichtsinnige und unverhältnismäßige Kreditbenützung zunächst (vom 10.September 1981 bis Anfang 1982) ihre Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt und sodann in Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung ihrer Gläubiger durch Eingehen neuer Schulden und Zahlung von Schulden zumindest geschmälert zu haben.

Dieses Urteil ficht die Angeklagte mit einer auf Z. 4, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an. Die Verfahrensrüge (Z. 4) schlägt in bezug auf die angebliche Ablehnung der Anträge auf Beischaffung der Akten 2 Cg 9/83 des Kreisgerichts Wr.Neustadt und U 223/82 des Bezirksgerichts Ebreichsdorf sowie 2 e (a) Vr 6590/85 des Landesgerichts für Strafsachen Wien (ON. 72 S. 99 iVm ON. 67 S. 84 f. und ON. 48) fehl:

Diese Akten sind ungeachtet der allgemein gehaltenen Fassung des ablehnenden Zwischenerkenntnisses (ON. 72 S. 98 f.) tatsächlich beigeschafft (ON. 1 S. 1 a, ON. 65, 69) und als Beiakten (ON. 70, 70 a bzw. 4) in der dem Urteil unmittelbar vorangegangenen Hauptverhandlung gemäß § 252 Abs 2 StPO verlesen worden (ON. 72 S. 99).

Aus den Ehescheidungsakten (2 Cg 9/83) ergibt sich lediglich, daß, der Parteiaussage der Beschwerdeführerin zufolge, sie von ihrem Mann einige Wochen vor dem 30.September 1982 mißhandelt worden sei (S. 10 f. iVm S. 2 in 2 Cg 9/83). Anhaltspunkte für die Beweisbehauptungen, wonach der Angeklagten erst im Zeitpunkt der endgültigen Schließung der Geflügelfarm auch in Schranawand (16.Juni 1982, ON. 15 S. 111 in ON. 2) Umstände bekannt geworden wären, auf Grund welcher sie die Nichterfüllung der unter ihrem Namen eingegangenen Verbindlichkeiten hätte für möglich halten können, wonach sie bis dahin von ihrem Mann informiert worden wäre, daß die Verbindlichkeiten bezahlt werden könnten, wonach er zwecks Vermeidung von Fragen über die Bezahlung von Rechnungen bzw. die Abdeckung von Schulden auf sie Druck ausgeübt hätte und wonach er wirklich gegen sie tätlich geworden wäre (ON. 48 Punkt 1 a bis c), sind den Scheidungsakten ebensowenig zu entnehmen wie den Akten U 223/82 des Bezirksgerichts Ebreichsdorf.

In dem im letzteren Verfahren gefällten Urteil vom 18.Mai 1983, mit dem das Bezirksgericht den Gatten der Beschwerdeführerin wegen deren vorsätzlicher körperlicher Beschädigung am 27.Mai und am 28. September 1982 rechtskräftig nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannte, ist festgestellt, daß gegen die Angeklagte und ihren Mann im Mai 1982 Exekutionen anhängig waren. Den Gendarmerieerhebungen vom 5.Mai 1982 zufolge betrafen diese Exekutionen mit einem Gesamtbetrag von rund 1 Million Schilling größtenteils die Angeklagte. Dieses Erhebungsresultat steht mit den Beweisergebnissen im gegenständlichen Strafverfahren und den darauf gegründeten Urteilsfeststellungen über die Anfang des Jahrs 1982 eingetretene und von der Angeklagten erkannte Zahlungsunfähigkeit im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Die - von der Beschwerde gar nicht

bestrittenen - Exekutionsführungen im Mai 1982 setzen logisch und chronologisch die bereits geraume Zeit zuvor erlangte Kenntnis der Angeklagten vom Bestehen der Verbindlichkeiten voraus. Damit sind die Behauptungen in den angeführten Beweisthemen nicht vereinbar. Unter diesen Umständen wäre für die Beachtlichkeit des zu den selben Beweisthemen ferner gestellten Antrags auf Vernehmung des Zeugen Karl-Heinz K*** (ON. 48, ON. 67 S. 84 f., ON. 72 S. 99) die Darlegung von Gründen erforderlich gewesen, aus denen hätte erwartet werden können, daß die Beweisführung das von der Antragstellerin behauptete Ergebnis zeitigen würde (Mayerhofer-Rieder2 ENr. 19 zu § 281 Z. 4 StPO). Zusammenfassend folgt aus dem Gesagten, daß die Beweisanträge, soweit bis hierher behandelt, teils sachlich, teils förmlich verfehlt sind.

Mit dem Vorbringen, mittels der Vernehmung des Zeugen K*** hätte darüber hinaus unter Beweis gestellt werden können, daß die Beschwerdeführerin "sofort die erforderlichen Schritte zur Vermeidung des Entstehens von neuen Schulden sowie zur bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger gesetzt habe, als sie nach den ihr zugekommenen Informationen die Erkenntnis gewonnen hätte, daß sie unter ihrem Namen eingegangene Verbindlichkeiten ... nicht werde abdecken können, und daß diese Schritte darin bestanden hätten, daß sie die Hühnerfarm geschlossen habe", weicht die Beschwerde unzulässigerweise vom Inhalt des in erster Instanz gestellten Beweisantrags ab.

Ebenso verhält es sich mit der Beschwerdebehauptung, aus den Akten 2 a Vr 6590/85 des Landesgerichts für Strafsachen Wien wäre ersichtlich, daß "Kopf" des Unternehmens der Mann der Beschwerdeführerin gewesen sei. Der Beweisantrag betraf indes (ON. 48, ON. 67 S. 85, ON. 72 S. 99) nur die der Beschwerdeführerin angeblich nicht bekannte Begehung von Betrügereien durch Norbert H***, welcher Umstand aber unentscheidend ist.

Zu Recht abgelehnt wurden auch die Anträge auf Einholung eines zweiten Buchsachverständigengutachtens und auf Vernehmung des Zeugen Leopold F*** (ON. 67 S 85, ON. 72 S. 99). Zum einen förderten bereits die Befundung und die Begutachtung im Vorverfahren (ON. 15 S. 111 f. in ON. 2) und sodann in der zweiten Hauptverhandlung (ON. 14 S. 37) zutage (vgl. auch II. Band S. 107), daß die buchhalterischen Unterlagen weitgehend unvollständig sind und von der Angeklagten nicht ergänzt werden können. Einem Buchsachverständigen würden daher weiterhin jene Grundlagen fehlen, die für die Beurteilung der Beweisbehauptung (ON. 67 S. 85) erforderlich wären, daß für die Angeklagte die Nichterfüllbarkeit der Verbindlichkeiten aus den Erträgnissen der Hühnerfarm bzw. des Handels mit Geflügel und Eiern im Zusammenhalt mit dem Einkommen ihres damaligen Ehemanns nicht erkennbar gewesen wäre. Ob - worauf der Antrag auf Vernehmung des Zeugen F*** gerichtet war - der Gatte der Beschwerdeführerin die entsprechenden Unterlagen an sich gebracht hat, ist für die Erfüllung der Kridatatbestände des § 159 Abs 1 Z. 1 und Z. 2 StGB unerheblich, weil eine Verfälschung, Beiseiteschaffung oder Vernichtung von Geschäftsunterlagen (§ 159 Abs 3, letzter Satz, StGB) nicht vorgeworfen wird.

Versagt demnach die Verfahrensrüge, so kann die Beschwerdeführerin mit ihren Ausführungen zur Tatsachenrüge (Z. 5 a) nach der Aktenlage keine Bedenken gegen die Lösung der Tatfrage und die zugrundeliegende Beweiswürdigung aufzeigen. Mit einer bloß einseitigen Wertung von aus dem Zusammenhang gerissenen einzelnen Verfahrensergebnissen wird dieser Nichtigkeitsgrund nicht dem Gesetz entsprechend zur Darstellung gebracht.

Gleiches gilt für den behaupteten Feststellungsmangel (Z. 9 lit a). Den - insoweit aktenwidrigen - Beschwerdebehauptungen zuwider wurde im Urteil ohnedies als erwiesen angenommen, daß die Angeklagte in den ersten Monaten ihrer Geschäftstätigkeit Verbindlichkeiten erfüllte (II. Band S. 107).

Auch der - sachlich nur den Schuldspruch nach § 159 Abs 1 Z. 1 StGB betreffende - Einwand, daß die Beschwerdeführerin der Sorgfaltspflicht eines verantwortungsbewußten Kaufmanns mit entsprechendem Erfahrungs- und Wissensstand durch die Beiziehung eines Steuerberaters nachgekommen wäre, wobei sie hätte darauf vertrauen können, daß dieser ihr Bedenken gegen die wirtschaftliche Führung des Betriebs mitteilen würde, stellt nicht auf den Urteilssachverhalt ab. Das Erstgericht wirft doch der Angeklagten vor, daß sie schon bei der Betriebsgründung leichtsinnig und unverhältnismäßig Kredit benützte (S. 116/II); um den Betrieb überhaupt eröffnen zu können, habe sie bereits Darlehen in einer Höhe benötigt - sie hat von Daniel K*** Legebatterien und Legehennen im Wert von etwa 1 Million Schilling erworben und die Bezahlung des Kaufpreises in wöchentlichen Raten von 23.000 S bzw. Lieferung der entsprechenden Zahl an Eiern vereinbart (S. 106 f./II) -, die ihre verfügbaren Mittel weit überstieg (S. 116/II). Das Gericht warf der Beschwerdeführerin eine falsche Einschätzung der wirtschaftlichen Situation anläßlich der Eröffnung des Betriebs vor, weil sie es unterließ, Informationen über die wirtschaftlichen Aussichten eines solchen Unternehmens einzuholen und die ihr bekannt gewordenen wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechend abzuwägen (S. 106/II). Weder aus den Urteilsfeststellungen noch aus den Verfahrensergebnissen ergibt sich irgendein Anhalt dafür, daß sich das dem Steuerberater Dr.Z*** erteilte Mandat über abgabenrechtliche Belange hinaus und gleichsam die Erfüllung der unternehmerischen Pflichten der Beschwerdeführerin substituierend auch auf das wirtschaftliche Konzept der Unternehmensführung einschließlich der Beurteilung der Grenzen legitimer Risken und der Erfüllbarkeit laufender Verbindlichkeiten bezogen hat oder sich nach der irrigen Auffassung der Beschwerdeführerin vermeintlich bezogen hätte (siehe auch ON. 48).

Selbst wenn es sich bei der Beschwerdeführerin um einen "kaufmännischen Laien" gehandelt hätte, vermöchte sie dies unter keinem Gesichtspunkt der Fahrlässigkeitsprüfung zu entlasten, hat sie doch als Wirtschaftstreibende insoweit den Erfahrungs- und Wissensstand eines verantwortungsbewußten Kaufmanns zu vertreten (Kienapfel, BT2 § 159 StGB RN 28 und 29). Schließlich steht auch die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der im Betrieb mittätige Ehemann hätte sich "unwirsch gezeigt, ihr die benötigte Information zu geben", punkto Zumutbarkeit einer "Beurteilung der wirtschaftlichen Situation" im Widerspruch zum Urteilsinhalt. Das Erstgericht hat nämlich im Gegenteil u.a. als Sorgfaltsverletzung festgestellt, daß die Beschwerdeführerin - unbeschadet einer offenbar nur allgemeinen Besprechung mit dem Verpächter und ihrem Mann über die wirtschaftlichen Gegebenheiten und die wirtschaftlichen Aussichten des Unternehmens - trotz Kenntnis der schlechten finanziellen Situation es insbesonders unterlassen hat, sich über das genaue Einkommen ihres Ehegatten aus den von ihm unregelmäßig ausgeübten Tätigkeiten, über die Höhe der zumindest aus der Pacht des Geflügelhofs und dem Kauf der Betriebseinrichtungen sowie der Betriebsmittel entstehenden Verpflichtungen sowie der zu erzielenden Umsätze und Gewinne zu vergewissern (II. Bd. S. 104, 106, 113 f.). Aber selbst wenn, so hat das Gericht schlußendlich eingeräumt, Norbert H*** sich wirklich unwirsch gezeigt, allenfalls Tätlichkeiten gesetzt hat, so wäre dies für die Angeklagte ein weiteres Indiz gewesen, daß "eben mit der Geschäftsgebarung etwas nicht in Ordnung ist" (II. Bd. S. 115). Das übergeht die Rechtsrüge völlig.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO im Zusammenhalt mit § 285 a Z. 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

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