OGH 2Ob105/89

OGH2Ob105/8926.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Willi B***, Güterfernverkehr Gesellschaft mbH, 6250 Kundl, Liesfeld 233, vertreten durch Dr.Ivo Greiter, Dr.Franz Pegger, Dr.Stefan Kofler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, diese vertreten durch Dr.Hansjörg Schweinester, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 301.000,-- s.A., infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 10.Mai 1989, GZ 3 R 131/89-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. Februar 1989, GZ 6 Cg 337/88-6, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit S 6.172,20 (darin keine Barauslagen und S 1.028,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen; hingegen ist die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei deren mit S 6.791,40 (darin keine Barauslagen und S 1.131,90 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 3.Mai 1987 um circa 23,00 Uhr lenkte Hans-Jürgen O*** einen Lastzug der klagenden Partei, bestehend aus dem Sattelzugfahrzeug mit dem Kennzeichen T 95.460 und dem Sattelanhänger mit dem Kennzeichen T 165.590, auf der Brenner-Autobahn A 13 in Richtung Brenner. Auf der Luegbrücke bei Kilometer 32,0 geriet das Fahrzeug gegen die Mittelleitschiene und wieder zurück, durchstieß am Außenrand der Brücke die Leitschiene und das Brückengeländer und stürzte in weiterer Folge ab. Die klagende Partei erlitt dadurch einen Schaden von mindestens S 301.000,--.

Sie begehrte von der beklagten Partei Schadenersatz in Höhe von S 301.000,-- s.A. mit der Begründung, die Fahrbahn der Brennerautobahn sei zum Unfallszeitpunkt weder geräumt noch gestreut und mit circa 10 cm Neuschnee bedeckt gewesen. Damit habe die beklagte Partei ihre Räumungs- und Wartungspflichten als Wegehalterin grob verletzt; wäre die Fahrbahn geräumt oder gestreut gewesen, wäre der gegenständliche Unfall vermieden worden. Da es sich bei der Brenner-Autobahn um eine Mautstraße handle, habe der Fahrer des Fahrzeuges der klagenden Partei damit rechnen können, daß die Fahrbahn so präpariert ist, daß er die Autobahn ohne Gefährdung mit einer Geschwindigkeit von circa 30 km/h, die er auch eingehalten habe, befahren könne. Zur Begründung einer Haftung der beklagten Partei genüge leichte Fahrlässigkeit, ihre Organe hätten jedoch grob fahrlässig gehandelt. Die beklagte Partei habe weder alle zur Verfügung stehenden und notwendigen Räum- und Streufahrzeuge eingesetzt, noch auf die plötzlich auftretende Schneefahrbahn hingewiesen.

Die beklagte Partei, deren Passivlegitimation als Straßenerhalter unbestritten blieb, beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, die Unfallstelle sei circa 5 Minuten vor dem Unfall auf der rechten Fahrspur mit dem Schneepflug geräumt und gleichzeitig über die ganze Fahrbahnbreite bestreut worden, sodaß die rechte Fahrspur zur Gänze schneefrei gewesen sei. Bereits seit 21,00 Uhr sei durch ein Signal auf den Schneefall hingewiesen worden. Der Unfall sei darauf zurückzuführen, daß Hans-Jürgen O*** mit einer für die gegebenen Fahrbahn- und Sichtverhältnisse überhöhten Geschwindigkeit von circa 50 km/h auf die Überholspur gewechselt habe. Dadurch sei das Fahrzeug ins Schleudern geraten und an die Mittelleitschiene gestoßen. Den Lenker des Fahrzeuges der klagenden Partei treffe daher das Alleinverschulden an diesem Unfall. Der dadurch an den Einrichtungen der Autobahn entstandene Schaden von S 218.647,73 werde als Gegenforderung kompensando eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Die Brenner-Autobahn (A 13) ist eine Mautstraße; das Mautinkasso für die beklagte Partei wird von der BrennerAutobahn AG durchgeführt. Die klagende Partei hatte die Maut für ihr am Unfall beteiligtes Fahrzeug bezahlt. Am Unfallstag hatte eine Kaltfront den Ostalpenraum erreicht; die nachfließende hochreichende Kaltluft hatte die Tiefdrucktätigkeit südlich des Alpenhauptkamms intensiviert, um 11,00 Uhr dieses Tages regnete es in Bozen bereits, während es in Kufstein und Innsbruck noch bewölkt war. Die Wetterdienststelle Innsbruck hatte mit Wetterbericht vom 3.Mai 1987, 11,00 Uhr, bis zum Abend meist bedecktes Wetter und zeitweise Regen und Schneefall zunächst bis 2000 m vorausgesagt, für den folgenden Tag ein Absinken der Schneefallgrenze bis nahe 700 m. Um 22,00 Uhr war die Lufttemperatur auf minus 1 Grad gesunken, im Bereich der Luegbrücke lag die Lufttemperatur gegen 23,00 Uhr bei minus 2 Grad. Im Bereich Steinach-Brenner fiel im Laufe der Nacht zwischen 25 und 35 cm Neuschnee, dabei schneite es die gesamte Nacht mäßig bis stark ohne Unterbrechungen. Bereits um 20,15 Uhr war vom Bauhof Plon aus am Beginn der Brenner-Autobahn in Innsbruck-Ost das Vario-Signal "Schneefall" eingestellt worden. Hans-Jürgen O*** hatte dieses Signal nicht gesehen. Auf der 7 km langen Strecke von Nößlach bis Brenner war das von Georg P*** gelenkte Räum- und Streufahrzeug mit dem Kennzeichen T 21.095 eingesetzt. Georg P*** begann am Bauhof Plon um 19,00 Uhr seinen Dienst und befuhr in der Folge durchgehend die Strecke Nößlach-Brenner und zurück. Dabei benötigte er für eine Runde circa 15 bis 20 Minuten. Da am Brenner Schneefall einsetzte, forderte er ein zweites Räumfahrzeug an. Um 19,30 Uhr begann Johann Ö*** mit dem Räum- und Streufahrzeug mit dem Kennzeichen T 21.088 seine Fahrt, beim Bauhof Plon, er fuhr in der Folge dieselbe Rundtour wie Georg P***, und zwar in der Weise, daß zwischen den beiden etwa die halbe Strecke der Rundtour lag. Dabei räumten und streuten sie jeweils den rechten Fahrstreifen der Brennerautobahn. Die Strecke wurde somit mindestens alle 10 Minuten geräumt und gestreut. Gestreut wurde insbesonders auf Brücken, so auch auf der Luegbrücke. Bis 7,00 Uhr früh streute Georg P***

11.512 kg Salz, Johann Ö*** 2.300 kg Salz.

Um 22,00 Uhr wurde der Schneefall im Bereich ab der Obernbergbrücke bis zum Brenner stärker, und es begann ein orkanartiger Sturm, weshalb die Fahrer Georg P*** und Johann Ö*** ein drittes Fahrzeug anforderten. Im Bauhof Plon sind insgesamt 4 Räum- und Streufahrzeuge und weitere 6 bis 7 Räumfahrzeuge untergebracht. Das dritte Räum- und Streufahrzeug begann seine Fahrten aber erst nach dem gegenständlichen Unfall. Am Abend des 3.Mai 1987, einem Sonntag, herrschte starker Fernlastverkehr. Außer dem gegenständlichen Unfall ereignete sich jedoch kein weiterer Unfall. Auf der rechten Fahrspur, welche laufend geräumt wurde, befand sich nur eine geringe Schneeauflage, während auf der nicht geräumten Überholspur Schnee in einer Höhe von 10 bis 20 cm lag.

Hans-Jürgen O***, der mit dem Fahrzeug der klagenden Partei mit einer Geschwindigkeit von circa 40 bis 50 km/h fuhr, wollte im Bereich der Luegbrücke überholen und fuhr zu diesem Zweck auf die nicht geräumte Überholspur. In der Folge geriet das Fahrzeug der klagenden Partei an die Mittelleitschiene, wurde von dort abgestoßen, geriet über die gesamte Fahrbahn der Autobahn nach rechts, stieß dort durch die Leitschiene und das Brückengeländer und stürzte in der Folge ab.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, zwischen den Parteien sei ein entgeltlicher Vertrag über die Benützung der Brennerautobahn geschlossen worden, wobei die beklagte Partei die Verantwortung für den Zustand der Straße im Rahmen der Zumutbarkeit übernommen habe. Dabei habe sie auch für leichte Fahrlässigkeit einzustehen. Angesichts der außergewÄhnlichen Witterungsverhältnisse sei ihr nur die Räumung der rechten Fahrspur zumutbar gewesen, dieser Verpflichtung sei sie in ausreichendem Maß nachgekommen. Der Unfall sei ausschließlich auf die leichtsinnige Fahrweise des Lenkers des Fahrzeugs der klagenden Partei zurückzuführen, der einerseits eine für die gegebenen Verhältnisse überhöhte Geschwindigkeit eingehalten und andererseits ein Überholmanöver einzuleiten versucht habe, obwohl er die Gefährlichkeit dieses Unternehmens auf Grund der bestehenden Verhältnisse leicht hätte erkennen können. Die klagende Partei habe daher ihren Schaden selbst zu tragen.

Infolge Berufung der klagenden Partei änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichts dahin ab, daß unter Einbeziehung des bestätigten Teils die Klagsforderung mit S 150.500,-- als zu Recht, die eingewendete Gegenforderung mit S 109.323,86 als zu Recht bestehend erkannt wurde und dem Kläger daher S 41.176,14 s.A. zugesprochen wurden; das Mehrbegehren von S 259.823,86 s.A. wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich, gelangte jedoch zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.

Der klagenden Partei sei darin beizupflichten, daß die beklagte Partei ihrer dem mit der klagenden Partei abgeschlossenen entgeltlichen Benützungsvertrag entspringenden Verpflichtung, die Fahrbahn im Rahmen des Zumutbaren von Schnee zu räumen, nicht ausreichend nachgekommen sei. Eine nur gegen Entgelt zu befahrende Autobahn werde in der Regel deswegen benützt, um rasch und sicher fahren zu können; der Vorteil einer Autobahn liege insbesonders in der Möglichkeit, eine Überholspur ohne Beeinträchtigung durch Gegenverkehr benützen zu können. Der Benützer einer Mautautobahn könne daher erwarten, die Überholspur ebenso von Schnee geräumt vorzufinden wie den rechten Fahrstreifen. Der Halter einer Autobahn sei verpflichtet, bei Schneefall auch die Überholspur zu räumen, jedenfalls solange, als nicht alle Räumfahrzeuge, über die er zumutbarerweise verfügen muß, ausgelastet seien. Die beklagte Partei habe ihre Übung, bei Schneefall nur den rechten Fahrstreifen zu räumen, nicht näher begründet, insbesondere habe sie nicht dargelegt, aus welchem Grund es ihr nicht zumutbar oder nicht möglich gewesen wäre, auch die Überholspur zu räumen. Nach den unbedenklichen Feststellungen im Ersturteil seien im Bauhof Plon wesentlich mehr Räum- und Streufahrzeuge zur Verfügung gestanden als von der beklagten Partei zum Unfallszeitpunkt eingesetzt wurden. Da der Lastzug der klagenden Partei nach den Feststellungen im Ersturteil zu jenem Zeitpunkt auszubrechen begann, als er von dem zumindest weitgehend von Schnee geräumten rechten Fahrstreifen auf den mit einer Schneeauflage von 10 bis 20 cm Höhe bedeckten linken Fahrstreifen fuhr, bestehe kein Zweifel, daß der Umstand, daß die beiden Fahrstreifen der Autobahn mit verschieden hohen Schneeauflagen versehen waren, zum Ausbrechen des von Hans-Jürgen O*** gelenkten Lastzuges beigetragen hat. Bei der durch den Schneefall bewirkten schlechten Sicht und der Unmöglichkeit, Bodenmarkierungen zu erkennen, habe die beklagte Partei damit rechnen müssen, daß ein Fahrzeug nicht bloß im Zuge von Überholmanövern auf die Überholspur gerate; die Benützbarkeit der Überholspur auch bei schwierigen Witterungsverhältnissen sei ja ein Hauptmotiv für die Benützung einer Autobahn gegen Entgelt. Den rechten Fahrstreifen habe die beklagte Partei hingegen entgegen der Ansicht der klagenden Partei ausreichend geräumt. Bei starkem Schneefall sei eine ununterbrochene Schneeräumung nahezu unmöglich und vor allem schon wegen der den Verkehrsfluß störenden dazu notwendigen Zahl von Räumfahrzeugen unzumutbar, sodaß sich jeder Fahrzeuglenker auch auf einer Mautautobahn bei starkem Schneefall auf eine gewisse Schneeauflage einstellen müsse; eine Schneehöhe von 5 cm stelle für mit Winterreifen ausgerüstete Fahrzeuge auf einer Autobahn kein gefährliches Hindernis dar. Inwieweit es der beklagten Partei als Verschulden angerechnet werden könne, daß die Batterie eines Räumfahrzeugs ausfiel, könne dahingestellt bleiben, sodaß die von der klagenden Partei begehrten zusätzlichen Feststellungen zu diesem Beweisthema entbehrlich gewesen seien. Den Lenker des Fahrzeugs der klagenden Partei treffe allerdings ein Mitverschulden an dem Unfall. Er sei verpflichtet gewesen, die Fahrbahnverhältnisse zu beobachten und hätte davon Abstand nehmen müssen, auf die Überholspur zu fahren, da es jedem Fahrzeuglenker bekannt sei, daß gerade der Wechsel von einer niedrigen zu einer höheren Schneeauflage die Gefahr der Instabilität des Fahrzeugs mit sich bringe; dies insbesondere bei der eingehaltenen Geschwindigkeit von ca 40 bis 50 km/h. Aus diesem Grund sei es auch widersinnig, wenn die klagende Partei behaupte, Hans-Jürgen O*** sei "aus Sicherheitsgründen" eher in der Fahrbahnmitte gefahren; Anhaltspunkte dafür, daß ein Verbleiben auf dem rechten Fahrstreifen für O*** unmöglich gewesen sei, lägen nicht vor. Das von der klagenden Partei zu vertretende (§ 7 Abs 2 EKHG) Mitverschulden des Lenkers ihres Fahrzeugs sei gleich hoch zu bewerten wie jenes der Organe und Gehilfen der beklagten Partei (§ 1304 ABGB), sodaß ein Schadensausgleich im Verhältnis 1 : 1 zu erfolgen habe, wobei sich die Haftung der klagenden Partei für den Schaden der Beklagten aus §§ 1, 5 und 16 EKHG ergebe. Die im Berufungsverfahren nicht mehr strittigen Schadenersatzansprüche der Parteien bestünden daher jeweils zur Hälfte zu Recht.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wenden sich die Revisionen beider Streitteile; die klagende Partei beantragt aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung unter Zugrundelegung einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der beklagten Partei Abänderung im Sinne des Zuspruchs von weiteren S 129.911,93 s.A.; die beklagte Partei strebt unter Geltendmachung der Revisionsgründe nach § 503 Z 2 und 4 ZPO Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Urteils der ersten Instanz an; hilfsweise stellen beide Streitteile Aufhebungsanträge. In ihren Revisionsbeantwortungen beantragten beide Streitteile, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Keine der Revisionen ist berechtigt.

1.) Zur Revision der beklagten Partei:

Der Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Rechtsrüge führt die beklagte Partei aus, sie habe im konkreten Fall die rechte Fahrspur ausreichend geräumt, die linke Fahrspur aber ausreichend mit Salz bestreut. Obwohl für diesen Straßenabschnitt von 7 km normalerweise nur ein Räumungsfahrzeug eingesetzt werde, seien am Unfallstag zwei Fahrzeuge laufend im Räum- und Streueinsatz gewesen. Dabei sei darauf hinzuweisen, daß die im Bauhof Plon untergebrachten 4 Räum- und Streufahrzeuge und 6 bis 7 Räumfahrzeuge die gesamte Strecke der Brenner-Autobahn und nicht nur die 7 km dieses Straßenabschnittes versorgen mußten. Daß somit nicht verwendete Reservefahrzeuge im Bauhof Plon vorhanden gewesen waren, die nicht für den 7 km langen Straßenabschnitt verwendet wurden, dürfe der beklagten Partei nicht als Fahrlässigkeit angelastet werden, seien doch konkret doppelt so viele Fahrzeuge als üblich dort zum Einsatz gebracht worden. Überdies sei bereits seit 20,15 Uhr vom Bauhof Plon aus am Beginn der Brenner-Autobahn in Innsbruck-Ost das Vario-Signal "Schneefall" eingestellt gewesen, die Gefahrenstelle somit ausreichend gekennzeichnet worden. Die Verkehrssicherungspflicht dürfe auch nicht überspannt werden.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts hat der Lenker des LKW's der klagenden Partei für die Benützung der Brenner-Autobahn, für welche die Brenner-Autobahn AG das Mautinkasso für die beklagte Partei durchführt, die Mautgebühr bezahlt. Die beklagte Partei hat trotz mäßigen bis starken ununterbrochenen Schneefalls nur die rechte Fahrspur der Autobahn geräumt, nicht aber die Überholspur; sie hat von den auf dem Bauhof Plon vorhandenen vier Räum- und Streufahrzeugen und weiteren 6 bis 7 Räumfahrzeugen nur zwei Räum- und Streufahrzeuge und erst nach dem gegenständlichen Unfall ein drittes Räum- und Streufahrzeug eingesetzt, obgleich im Laufe der Nacht im Bereich Stainach-Brenner zwischen 25 und 35 cm Neuschnee gefallen waren und die Überholspur mit einer Schneeauflage von 10 - 20 cm bedeckt war.

Es entspricht Lehre und ständiger Rechtsprechung, daß § 1319 a ABGB nur auf die Verletzung von Sorgfaltspflichten anwendbar ist, die nicht vertraglich übernommen wurden; bei Verletzung vertraglicher Sorgfaltspflichten wird auch für leichte Fahrlässigkeit gehaftet (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht II 51 ff. und 58 f; EvBl. 1979/61; JBl 1979, 433; EvBl. 1980/83 ua.). Es ist im vorliegenden Fall unbestritten, daß der Lenker des Lastzuges der Klägerin auf Grund eines mit der beklagten Partei geschlossenen entgeltlichen Benützungsvertrages (Lösen einer Mautkarte) das in Frage stehende Teilstück der Brenner-Autobahn, auf dem sich der Unfall ereignete, befuhr. Aus diesem Benützungsvertrag erwuchs der beklagten Partei der klagenden Partei gegenüber die privatrechtliche Pflicht zur Vertragserfüllung. Die von der beklagten Partei geschuldete vertragliche Leistung besteht gegenüber dem Benützer der Straße, mit dem ein Benützungsvertrag geschlossen wurde, darin, die Straße dem Kraftfahrer zur Benützung zur Verfügung zu stellen, wozu auch die aus dem privatrechtlichen Vertrag entspringende Verpflichtung gehört, die zur entgeltlichen Benützung überlassene Straße in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten. Mit dem Abschluß eines Benützungsvertrags übernimmt die beklagte Partei die Verantwortung für die Verkehrssicherheit der Straße im entsprechenden Zeitpunkt und im Rahmen der Zumutbarkeit (JBl 1974, 262; EvBl. 1979/61 ua.). Die beklagte Partei haftet somit der klagenden Partei gegenüber für die Verletzung vertraglich übernommener Sorgfaltspflichten auch bei nur leichter Fahrlässigkeit und bei Beweislastumkehr im Sinn des § 1298 ABGB; im Sinn des § 1313 a ABGB hat sie gegenüber der klagenden Partei auch für ein Verschulden der Personen, deren sie sich zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen bediente, wie für ihr eigenes einzustehen (ZVR 1983/58 ua.).

Werden diese Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt angewendet, ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß der Halter einer Mautautobahn verpflichtet ist, im Rahmen der Zumutbarkeit auch die Überholspur von Schnee zu räumen. Diese Voraussetzungen lagen nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall jedenfalls vor. Wie das Berufungsgericht nämlich ohne Rechtsirrtum erkannte, kann der Benützer einer Mautautobahn grundsätzlich darauf vertrauen, daß auch die Überholspur ebenso von Schnee geräumt wird, wie die rechte Fahrspur. Der Halter einer Autobahn ist daher in Erfüllung seiner vertraglich übernommenen Sorgfaltspflichten verbunden, im Rahmen der ihm zumutbaren Maßnahmen auch die Überholspur von Schnee zu räumen. Die beklagte Partei trifft daher entgegen der Auffassung der Revision ein Verschulden an der Unterlassung der ihr nach den festgestellten Umständen durchaus zumutbaren Räumung der Überholspur der Autobahn. Unter Berücksichtigung des den Lenker der klagenden Partei treffenden Mitverschuldens ist in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 keine unrichtige rechtliche Beurteilung zu erblicken. Der von der beklagten Partei vermißten Feststellung, daß die Überholspur zwar nicht geräumt, aber mit Salz bestreut war, kommt im Lichte der vorstehenden Ausführungen keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Der Revision der beklagten Partei war daher ein Erfolg zu versagen.

2.) Zur Revision der klagenden Partei:

Die klagende Partei vertritt die Auffassung, die beklagte Partei sei verpflichtet gewesen, die gesamte Mautstraße in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten und bei Schneetreiben die gesamte Fahrbahn zu räumen; das Verschulden der beklagten Partei liege darin, daß sie die rechte Fahrspur nur unzureichend und die Überholspur überhaupt nicht geräumt habe und trotz des starken Schneetreibens nur zwei Räumfahrzeuge eingesetzt habe; gegenüber dem Verschulden der beklagten Partei sei das Verschulden des Klägers zu vernachlässigen oder höchstens mit einem Viertel zu veranschlagen. Mit ihren Ausführungen zum Verschulden der beklagten Partei ist die Revisionswerberin auf die vom Revisionsgericht bei Erledigung der Revision der klagenden Partei dargelegten Erwägungen zu verweisen; im übrigen kann aber dem Vorbringen hinsichtlich des Mitverschuldens des Lenkers des LKW's der klagenden Partei keine Berechtigung zuerkannt werden. Wie das Berufungsgericht zutreffend darlegte, hätte der Lenker angesichts der Fahrbahnverhältnisse jedenfalls ein Befahren der nicht geräumten Überholspur unterlassen müssen, da er insbesondere mit Rücksicht auf die von ihm eingehaltene Fahrgeschwindigkeit von 40 bis 50 km/h damit rechnen mußte, daß der Wechsel von einer niedrigen zu einer beträchtlich höheren Schneeauflage die Gefahr einer Instabilität des Fahrzeugs herbeizuführen geeignet war. In der Bewertung des Mitverschuldens des LKW-Lenkers, für welches die klagende Partei einzustehen hat, mit 50 % ist daher keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes zu erblicken.

Es war somit auch der Revision der klagenden Partei ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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