OGH 12Os99/89

OGH12Os99/8914.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.September 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard D*** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Gerhard D*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.Mai 1989, GZ 6 d Vr 6380/88-74, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, und der Verteidigerin Dr. Scheed-Wiesenwasser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch B I, soweit er den Diebstahl (auch) eines Sparbuchs mit einem Einlagestand von 52.560,10 S umfaßt, sowie in der rechtlichen Unterstellung der Diebstahlstaten auch als schwerer Diebstahl unter die Bestimmung des § 128 Abs. 1 Z 4 StGB und demgemäß auch in dem Gerhard D*** betreffenden Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Gerhard D*** ist ferner schuldig, er hat (im einverständlichen Zusammenwirken mit Susanne D***) am 13. Juni 1988 mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Z*** UND K*** WIEN durch Täuschung über

Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Ausfolgung von 52.560,10 S, zu verleiten versucht, die die Z*** UND K***

WIEN bzw. Erna K*** am Vermögen schädigen sollte, indem er zusammen mit Susanne D*** das Sparbuch Nr. 213096050 der Erna K*** der Bankangestellten Renate E*** zur Auflösung vorlegte und das Losungswort nannte.

Er hat hiedurch und durch die ihm zu A I und II weiterhin zur Last liegenden Straftaten das Vergehen des teils vollendeten und teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB und § 15 StGB auch nach § 147 Abs. 2 StGB begangen und wird hiefür und für die anderen ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des angefochtenen Urteils zur Last liegenden strafbaren Handlungen (Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und § 15 StGB, Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und Vergehen des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 StGB) unter Anwendung des § 28 StGB nach § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 1/2 (zweieinhalb) Jahren verurteilt. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte hierauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen ihm die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 9.Juli 1961 geborene Gerhard D*** wurde (zu A I und II) des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und § 15 StGB, (zu B I und II 1 und 2) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB, (zu C 1 und 2) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und (zu D) des Vergehens des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 StGB schuldig erkannt.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft er - sich nominell auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit. a und 10 StPO berufend, ohne sein Beschwerdevorbringen darnach gegliedert darzustellen - den Schuldspruch A I hinsichtlich eines Teilbetrages von 1.510 S, den Schuldspruch B I hinsichtlich der Wegnahme des Bargeldbetrags von zumindest 3.000 S und eines Sparbuchs mit einem Einlagestand von 52.560,10 S, und schließlich die Schuldsprüche B II 2 und D. Zu A I wurde dem Beschwerdeführer angelastet, durch Eröffnung eines Postsparbuches mit einem Einlagestand von 10 S, Einzahlung von

1.500 S, Verfälschung des Einlagestandes (von 1.510 S) auf 11.510 S sowie Behebung von je 5.000 S am 19. und 20.Juni 1988 sowie von 1.500 S am 21.Juni 1988, Angestellte der P*** zu diese Bank schädigenden Handlungen (nämlich zur Ausfolgung der angeführten Barbeträge) unter Verwendung einer verfälschten Urkunde mit auf unrechtmäßige Bereicherung zielendem Vorsatz verleitet zu haben. Der Beschwerdeführer wendet dagegen - ersichtlich aus § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO - ein, nach den Urteilsfeststellungen sei eine unrechtmäßige Bereicherung nur im Ausmaß von 10.000 S eingetreten.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Vorbringen trifft zu, geht aber ins Leere, weil das Erstgericht (ohnedies) zu diesem Faktum nur einen Schaden von 10.000 S angenommen hat (S 49, 55 II).

Dem Schuldspruch zu B I zufolge hat der Angeklagte am 10. Juni 1988 gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Andreas T*** der Erna K*** (aus deren Geschäftslokal) eine Handtasche samt einer unter anderem darin verwahrt gewesenen Geldbörse mit mindestens 3.000 S Bargeld gestohlen. Den Diebstahl eines Bargeldbetrages in dieser Höhe hat er immer, ebenso wie sein Komplize, bestritten. Der Beschwerdeführer versucht nun, im Sinne seiner leugnenden Verantwortung unter Hinweis auf das Fehlen dieses Betrages in der Schadensaufstellung S 32/I und auf die Anführung eines Betrages von 4.000 S in der Anzeige S 44/I - anscheinend unter Bezugnahme auf § 281 Abs. 1 Z 5 a StPO - seine Täterschaft zu diesem Teil des Schuldspruchs in Frage zu stellen. Dies jedoch ohne Erfolg. Denn die tatrichterlichen Erwägungen in Ansehung der Verläßlichkeit der Angaben der Geschädigten sind schlüssig und unbedenklich (S 53/II) und auch der in der Beschwerde hervorgehobene Umstand, daß in der Anzeige S 44/I noch ein Bargeldbetrag von 4.000 S angeführt ist, verschlägt in Ansehung der Plausibilität eines Mindestbetrages von 3.000 S, wie ihn das Erstgericht, der Ungewißheit der Zeugin über die exakte Schadenshöhe (S 9/II) Rechnung tragend, angenommen hat, nichts; auf das dem gegenüber nicht ins Gewicht fallende Detail der unterbliebenen Protokollierung des Inhalts der - dort allerdings auch schon angeführten - schwarzen Geldbörse bei der niederschriftlichen Vernehmung der Geschädigten vor der Polizeibehörde (S 31 f/I) drei Tage nach der Anzeigeerstattung brauchte das Erstgericht unter diesen Umständen kraft der eine bloß gedrängte Darstellung der Urteilsgründe fordernden Vorschrift des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO nicht einzugehen.

Mit Recht rügt der Beschwerdeführer jedoch, daß das Erstgericht - insofern von der Anklage ON 43

abweichend - hinsichtlich des mit der selben Handtasche der Erna K*** entfremdeten Sparbuchs mit einem Einlagestand von rund 52.000 S, dessen Auflösung anschließend versucht worden ist, ebenfalls Diebstahl angenommen hat, was zu dessen Gesamtqualifikation (§ 29 StGB) nach § 128 Abs. 1 Z 4 StGB führte. Denn nach ständiger Rechtsprechung sind Urkunden nur dann Gegenstand des Diebstahls, wenn sie als selbständige Wertträger (Inhaberpapiere) unmittelbar Vermögenswert haben, nicht aber, wenn sie als bloße Legitimationspapiere zwar unter Umständen geeignet sind, über die Berechtigung des Inhabers zur Abhebung des darin ausgewiesenen Geldbetrages zu täuschen, aber kein Recht darauf vermitteln. Dies gilt für vinkulierte Sparbücher unter allen Umständen, also auch dann, wenn, durch welche Zufälle auch immer, der unberechtigte Inhaber das Losungswort kennt, wie es vorliegend der Fall war (vgl. SSt. 35/21; 41/35 ua bei Mayerhofer-Rieder, StGB3 Nr. 12 zu § 127). Durch die Änderung der Rechtslage seit den in den Belegstellen zitierten Entscheidungen, der auch nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs zahlreiche weitere im gleichen Sinne gefolgt sind (siehe erst jüngst 15 Os 84/88 = RZ 1989/20), hat sich - entgegen der Meinung des Erstgerichts - insoweit nichts geändert.

Durch den Schuldspruch wegen Diebstahls des Sparbuchs ist daher der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO verwirklicht; rechtsrichtig wäre der der Wegnahme des Sparbuchs nachfolgende Versuch einer Realisierung der darin beurkundeten Einlage, wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt, als versuchter Betrug zu beurteilen gewesen. Ausgehend von der erstgerichtlichen Feststellung, daß der Beschwerdeführer und seine Ehegattin die Auflösung des Sparbuchs und damit die Auszahlung des gesamten darauf erliegenden Betrages anstrebten (S 52 f/II), ist aber - insoweit entgegen der Beschwerdemeinung - nicht von einem (beabsichtigten) Schaden von bloß 4.000 bis 5.000 S auszugehen, sondern von 52.560,10 S. Der - wohl auf Z 5 a gestützte - Versuch des Beschwerdeführers, in Ansehung dieser Feststellung Bedenken zu erwecken, scheitert daran, daß sich das Schöffengericht bei der fraglichen Konstatierung keineswegs allein auf die im Rechtsmittel kritisierten Erwägungen, sondern namentlich auf die sicherheitsbehördlichen Bekundungen der Bankangestellten Renate E*** (S 25/I) zu stützen vermochte.

Aus dem Gesagten folgt allerdings auch, daß der Schuldspruch E 1 der Mitangeklagten Susanne D*** wegen Verhehlung dieses Sparbuchs gleichfalls rechtsirrtümlich ergangen ist. Da § 164 Abs. 2 StGB mit bis zu zwei Jahren, § 147 Abs. 2 StGB jedoch mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, würde der Genannten eine rechtsrichtige Subsumtion des festgestellten Verhaltens in letzterem Sinne aber zum Nachteil gereichen, was insoweit ein amtswegiges Vorgehen nach § 290 Abs. 1 StPO ausschließt.

Weder einen formalen Begründungsmangel in Gestalt unzureichender Begründung (Z 5) darzutun noch erhebliche Bedenken an den rechtlich relevanten Konstatierungen zu erwecken (Z 5 a) vermag auch das Beschwerdevorbringen zum Schuldspruch B/II/2 (versuchter Einbruch in eine Trafik durch Einschlagen eines Fensters). Denn die vom Schöffengericht für glaubhaft befundenen Angaben der Tatzeugin Eva S*** (S 6, 51/II) lassen einen zuverlässigen Schluß auf die Täterschaft des Angeklagten auch dann zu, wenn man berücksichtigt, daß die Zeugin nicht das Einschlagen des Fensters selbst, sondern nur den Angeklagten unmittelbar nach dem dadurch verursachten Geräusch weglaufen gesehen hat.

Kein Nichtigkeitsgrund wird schließlich mit der schlichten Behauptung geltend gemacht, die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers zum Schuldspruch D sei mangels der Einvernahme des tätlich angegriffenen Sicherheitswachebeamten Franz Ü*** unwiderlegt geblieben. Durch die gemäß § 252 Abs. 2 StPO vorgenommenen Verlesungen (S 32/II), darunter auch der Aussage des Zeugen Franz Ü*** in S 36 in ON 32 (1 U 843/88 des Strafbezirksgerichtes Wien) ist vielmehr ein taugliches Beweismittel für die Annahme der Täterschaft des Angeklagten gegeben; weitere Beweisanträge wurden seitens des Beschwerdeführers nicht gestellt. Es war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, die im übrigen zu verwerfen war, der Schuldspruch spruchgemäß zu modifizieren.

Das führt nach der erforderlichen Kassierung auch des Gerhard D*** betreffenden Strafausspruchs zu einer Neubemessung der Strafe, dies abermals nach den Normen der §§ 28 und 129 StGB. Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art und die auf gleichen schädlichen Neigungen beruhenden Vorstrafen, mildernd hingegen das Teilgeständnis, die teilweise Schadensgutmachung (siehe Bd. I S 160, 181) und der Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Hievon ausgehend erschien dem Senat bei dem hier anzuwendenden, von sechs Monaten bis zu fünf Jahren reichenden Strafsatz des § 129 StGB eine sohin im mittleren Bereich geschöpfte Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren angesichts der Deliktskonkurrenz und des einschlägig schon erheblich getrübten Vorlebens des erst 28-jährigen Angeklagten angemessen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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