OGH 13Os107/89 (13Os108/89)

OGH13Os107/89 (13Os108/89)14.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.September 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lachner, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Edelmann als Schriftführers in der Strafsache gegen Christian F*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 f. StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg als Schöffengerichts vom 6.Juli 1989, GZ. 11 a Vr 787/88-31, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Widerrufsbeschluß gemäß § 494 a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und es werden das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I 1 a und b und demzufolge auch im Strafausspruch einschließlich der Anrechnung der Vorhaft gleichwie auch der gemäß § 494 a StPO ergangene Widerrufsbeschluß aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung und seiner Beschwerde, die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 7.Mai 1963 geborene, zuletzt beschäftigungslose Christian F*** wurde des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 3 StGB (I) und der Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1, 2 und 3 StGB (II) sowie der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Darnach hat er:

fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert gestohlen, indem er in ein Gebäude oder in ein Transportmittel einbrach, in ein Transportmittel mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel eindrang oder sonst eine Sperrvorrichtung aufbrach, und zwar

in der Nacht zum 8.November 1988 in Marchegg in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit einem nicht ausgeforschten Mittäter der Bettina K*** ein Autoradio der Marke Philips im Wert von ca. 2.000 S (I 1 a),

zur gleichen Zeit und am gleichen Ort der Firma Hermann O*** ein Autoradio, indem er mit dem widerrechtlich erlangten Fahrzeugschlüssel in das Kraftfahrzeug eindrang (I 1 b) sowie zwischen dem 15. und 19.September 1988 in Wien dem Eduard S*** ein Autoradio Blaupunkt Bremen und einen Equalizer Blaupunkt BEA 80 in nicht mehr feststellbarem Wert (I 2); Fahrzeuge, die zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet sind, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, indem er sich die Gewalt über die Fahrzeuge teils durch eine im § 129 StGB geschilderte Handlung verschaffte, und zwar

am 15.September 1988 in Wien einen VW Golf, Kennzeichen W 378.319 des Eduard S***, wobei er die rechte Wagentür und die Lenkradsperre aufbrach und durch den Gebrauch des Fahrzeugs einen Schaden an diesem von ca. 25.000 S verursachte (II 1), in der Nacht zum 8.November 1988 in Wien den VW Golf, Kennzeichen W 659.671 des Manfred B***, indem er die Fahrertür des versperrten Autos aufbrach und einen Schaden von ca. 3.000 S verursachte (II 2) sowie

in der Nacht zum 8. November 1988 in Marchegg den Peugeot 205, Kennzeichen N 634.R80 der Maria L***, wobei er an dem Personenkraftwagen durch dessen Benützung einen Schaden von ca. 5.000 S verursachte (II 3);

am 19.September 1988 in Wien seine Lebensgefährtin Evelyne E*** durch die Worte, er werde sie und ihre Kinder abstechen, zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (III).

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z 3, 5, 5 a und 9 lit. a StPO.

Rechtliche Beurteilung

Unter Geltendmachung des erstgenannten Nichtigkeitsgrunds vermißt der Beschwerdeführer Feststellungen im Urteil über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Lebensgemeinschaft zwischen ihm und der Zeugin E*** sowie darüber, ob und wann diese Lebensgemeinschaft aufgehoben wurde. Dem ist zu erwidern, daß mit dem erwähnten Nichtigkeitsgrund Verletzungen von Verfahrensvorschriften, nicht aber Feststellungsmängel gerügt werden können. Die Zeugin E*** hat in der Hauptverhandlung am 6.Juli 1989 (S 175) bekundet, es bestünde zwischen ihr und F*** keine Lebensgemeinschaft mehr; vor der Inhaftierung des Nichtigkeitswerbers hätte eine solche bestanden. Da ehemaligen Lebensgefährten kein Zeugnisentschlagungsrecht zusteht (EvBl. 1976/221), wurde durch die Unterlassung der Belehrung dieser Zeugin hinsichtlich ihres Entschlagungsrechts keine Nichtigkeit i.S. des § 152 Abs. 3, letzter Satz, StPO bewirkt.

Berechtigung kommt der Mängelrüge (Z 5) zu, sofern das Fehlen einer Begründung für die Täterschaft des Rechtsmittelwerbers in bezug auf die Diebstähle in den Punkten I 1 a und b des Urteilssatzes behauptet wird. Das (später widerrufene) Geständnis des Angeklagten vor der Polizei am 16.November 1988 beinhaltet die ausdrückliche Behauptung, anläßlich des zugegebenen Einbruchs bei der Firma O*** keine Gegenstände gestohlen zu haben. Daß die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers in den übrigen Fakten durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens widerlegt wurde und daß er, betrachtet man sein Vorleben, offenbar eine Neigung zum unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen aufweist, sind keine Gründe, ihn der Täterschaft in den Fakten I a und b als überwiesen anzusehen. Hingegen erweist sich der Schuldspruch im Punkt I 2 als mängelfrei begründet, wurde doch die Überführung F*** in diesem Punkt auf die den Tatrichtern glaubwürdig erscheinenden Aussagen der Zeugin E*** gestützt, nach welchen er den unbefugten Gebrauch des Personenkraftwagens W 378.319 (II 1) und den Diebstahl des darin befindlichen Autoradios (I 2) dieser Zeugin gegenüber eingestanden hat (S. 203, 205 oben).

Aktenwidrig ist in dem Zusammenhang die Behauptung in der Nichtigkeitsbeschwerde, die Zeugin E*** habe dieses Auto niemals gesehen (siehe S. 177). Daß aber die Zeugin das aus diesem Auto gestohlene Radio nicht selbst gesehen hat, ist für die erstgerichtliche Argumentation bedeutungslos.

Mängelfrei begründet ist auch der Schuldspruch im Faktum II 2. Das Schöffengericht durfte nämlich auf Grund der Aussage des Zeugen J*** durchaus eine Täterschaft des Nichtigkeitswerbers in diesem Faktum erschließen, selbst wenn man außer Betracht läßt, daß zu der im Urteil angeführten Begründung noch hinzukommt, daß J*** die Identität des von ihm wahrgenommenen Autos mit jenem des Zeugen B*** auch auf das höhere Alter beider Fahrzeuge (S. 57) sowie auf die markante Anordnung der Heckleuchten (S. 57) gegründet und beim Vorzeigen eines Photos die Übereinstimmung des von ihm beobachteten Kraftfahrzeugs mit dem des Zeugen B*** festgestellt hat (S. 143). Daß aus diesem Kraftwagen ein Kassettenrecorder gefehlt hat und dem Rechtsmittelwerber die Wegnahme dieses Geräts nicht angelastet wird, sagt für seine Täterschaft oder Nichttäterschaft in bezug auf § 136 StGB nichts aus.

Das Erstgericht hat zum Vorteil des Angeklagten angenommen, daß dieser das Auto Peugeot 205 nur kurzfristig zu benützen beabsichtigte. Wenn er nun behauptet, dies sei aktenwidrig, weil er das Kraftfahrzeug länger benützt hat, bringt er die Beschwerde nicht zu seinem Vorteil zur Darstellung, denn das Schöffengericht hat unter anderem wegen der relativ kurzen Benützungsdauer diese Tat lediglich als unbefugten Gebrauch und nicht als Diebstahl beurteilt. In bezug auf die dem Beschwerdeführer angelastete gefährliche Drohung (III) vermißt dieser ausreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Hier ist er auf die Konstatierung zu verweisen daß er die Absicht hatte, Evelyne E*** in Furcht und Unruhe zu versetzen, weil er über das Vorgehen der Zeugin, die nicht wollte, daß er ihre Wohnung betritt, überaus erbost war. Daß im Urteil die in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 29.September 1975, 13 Os 106/75 = EvBl. 1976/120, wiedergegebene Definition von Furcht und Unruhe als nachhaltiger, das ganze Gemüt ergreifender, peinvoller Seelenzustand nicht enthalten ist, verschlägt dem Ergebnis nichts, weil das Gericht ausdrücklich festgestellt hat, daß F*** die Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) hatte, E*** in Furcht und Unruhe zu versetzen, was einer Definition nicht bedarf. Daß der Nichtigkeitswerber zur Zeit der Begehung der gefährlichen Drohung aufgeregt und aufgebracht war, hat das Gericht aus der Aussage der Zeugin E***, er werde rabiat, wenn er etwas getrunken hat, er sei ziemlich alkoholisiert gewesen, mängelfrei erschlossen. Von einer Aktenwidrigkeit kann diesbezüglich keine Rede sein.

Sofern der Rechtsmittelwerber vermeint, die Begründung, die Zeugen H*** und H*** hätten seine gefährliche Drohung wegen eines größeren Tumults nicht gehört, sei aktenwidrig, ist auf die Aussage der Zeugin H*** zu verweisen, wonach er (der Angeklagte) "es" vielleicht gesagt habe, sie wisse es nicht, sie habe es nicht gehört, es sei eine Schreierei und ein Wirbel gewesen (S. 183). Die erwähnte Urteilsannahme findet daher in der Aussage dieser Zeugin ihre Deckung, von einer Aktenwidrigkeit kann sonach auch hier nicht gesprochen werden.

Bezüglich der Fakten II 1, 2 und 3 ergeben sich nach eingehender Prüfung des Beschwerdevorbringens aus den Akten gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld des Beschwerdeführers zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen keine erheblichen Bedenken (Z. 5 a).

In der Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) behauptet F***, die Tatbestandsmerkmale des § 107 Abs. 1 StGB seien nicht zur Gänze erfüllt: Die Drohung müsse nämlich objektiv geeignet sein, jemanden iS des § 74 Z. 5 StGB in Furcht und Unruhe zu versetzen; es fehle an Feststellungen, daß der Nichtigkeitswerber ein Messer besessen habe und daß die "beiden vernommenen Zeugen" (gemeint offenbar H*** und H***), die die Drohung nicht gehört haben, ihm diese gar nicht zutrauen, geschweige denn deren Verwirklichung. Gleichfalls sei nicht festgestellt, daß jemand den Eindruck gewinnen konnte, der Rechtsmittelwerber sei in der Lage und willens, die angedrohten Folgen tatsächlich herbeizuführen; dazu komme, daß der Angeklagte wegen eines Gewaltdelikts bisher nicht vorbestraft sei. All diese Ausführungen gehen ins Leere. Tatfrage ist, ob der Täter die Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) hatte, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen; Rechtsfrage ist, ob die Drohung iS des § 74 Z. 5 StGB geeignet war, dem Bedrohten ... begründete Besorgnisse einzuflößen (13 Os 124/81 = LSK. 1982/3). Sofern F*** in Zweifel zieht, die inkriminierte Drohung sei objektiv geeignet, jemanden in Furcht und Unruhe zu versetzen, vergleicht er den Urteilssachverhalt nicht mit dem darauf angewendeten Strafgesetz, denn die Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB muß die Eignung aufweisen, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen, nicht aber, ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen; letzteres ist eine Frage des Vorsatzes des Täters.

Der Besitz eines Messers, der übrigens vom Tatbestand des § 107 StGB gar nicht gefordert wird, ist dem Nichtigkeitswerber nicht angelastet worden, sodaß diesbezüglich Feststellungen entbehrlich waren. Gleiches gilt dafür, ob Zeugen dem Täter die Drohung zutrauen oder nicht. Aktenwidrig ist in dem Zusammenhang das Vorbringen in der Rechtsrüge, der Beschwerdeführer sei wegen eines Gewalttätigkeitsdelikts nicht vorbestraft (siehe Punkt 7 der Strafregisterauskunft).

Da rücksichtlich der Fakten I a und b die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war der diese Fakten betreffenden und zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde schon in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben (§ 285 e StPO). Die übrige Nichtigkeitsbeschwerde war gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO i.V.m. § 285 a Z. 2 StPO sowie gemäß § 285 d Z. 2 StPO - gleichfalls schon bei der nichtöffentlichen Beratung - zurückzuweisen.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen, ebenso der Angeklagt mit seiner Beschwerde, weil die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs die Kassierung des Strafausspruchs zur Folge hat und sonach dem Widerrufsbeschluß der Boden entzogen ist (vgl. 13 Os 110,111/88).

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