Spruch:
Die Anträge, festzustellen,
"a) die Mitglieder der Antragsgegner auf dem Gebiete des Bundeslandes Vorarlberg sind nicht berechtigt, ihre Verkaufsstellen, außer im Rahmen der wahlweisen Möglichkeit des Art. II des Bundesgesetzes vom 6.Juli 1988, offenzuhalten und hiezu Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung heranzuziehen, unabhängig davon, ob es sich um Normalarbeitszeit oder Überstundenarbeit handelt;
b) die in Verkaufsstellen der Mitglieder der Antragsgegner im Bundesland Vorarlberg beschäftigten Arbeitnehmer sind berechtigt, die Heranziehung zur Arbeitsleistung ab 13.00 Uhr an einem anderen, als nach Art. II des Bundesgesetzes vom 6.Juli 1988 zulässigen Samstag, abzulehnen.
In eventu:
c) die Heranziehung von Arbeitnehmern für Arbeitsleistungen bei Verkaufsstellen der Mitglieder der Antragsgegner im Bundesland Vorarlberg an einem anderen Samstag ab 13.00 Uhr, als dies nach Art. II des BG vom 6.Juli 1988 und nicht soweit es nach rechtsgültigen Ausnahmeregelungen möglich ist, ist unzulässig und die Befolgung gehört nicht zu den allgemeinen Pflichten der Arbeitnehmer nach den Kollektivverträgen für Handelsangestellte und Handelsarbeiter Österreichs."
werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Antragstellerin begehrt unter Berufung auf § 54 Abs. 2 ASGG die aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungen. Zur Begründung ihres Antrages führte sie aus, daß gemäß § 3 Abs. 2 ArbeitsruheG, BGBl. 144/1983, die Wochenendruhe für alle Arbeitnehmer spätestens am Samstag um 13.00 Uhr zu beginnen habe. In § 12 leg cit werde der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, in bestimmten Fällen durch Verordnung Ausnahmeregelungen zu erlassen. Mit Verordnung vom 18.Jänner 1984, BGBl. 149/1984, habe der Bundesminister für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht, aber in Abschnitt XVII des Ausnahmekataloges im Bereich des Handels auf die Ladenschlußvorschriften verwiesen. Für die Arbeitnehmer des Handels im Bundesland Vorarlberg sei daher die arbeitsrechtlich relevante Regelung der Arbeitszeit an Samstagen im Ladenschlußgesetz und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen des Landeshauptmannes von Vorarlberg enthalten.
Nach Aufhebung der Absätze 1 und 3 des § 3 Ladenschlußgesetz, BGBl. 156/1958, mit Erkenntnis des VfGH vom 1.Dezember 1987 sei das Ladenschlußrecht mit Gesetz vom 6.Juli 1988, BGBl. 421/1988, neu gestaltet worden. Danach sei dem Landeshauptmann neben den spezifischen Ausnahmeregelungen für bestimmte Tage und termin- und fremdenverkehrsbezogenen Ausnahmeregelungen keine Verordnungskompetenz für das gesamte Gebiet des Bundeslandes verblieben; insbesondere habe der Landeshauptmann ab 1.Dezember 1988 weder einen allgemeinen Sperrhalbtag bestimmen noch anordnen können, daß am jeweils ersten Samstag im Monat die Verkaufsgeschäfte erst ab 18.00 Uhr (richtig wohl: ab 17.00 Uhr) geschlossen zu halten seien. Die Öffnungszeiten an Samstagen regle - abgesehen von spezifischen Ausnahmeregelungen des § 4 Abs. 5 bis 7 LadenschlußG - Art. II der Ladenschlußgesetznovelle, BGBl. 421/1988 im Sinne eines wahlweisen Offenhaltens am Abend oder an einem Samstag im Monat. Nach Kundmachung des Bundesgesetzes vom 6.Juli 1988, BGBl. 421/1988, habe der Landeshauptmann von Vorarlberg am 30. November 1988 mit Wirkung vom 1.Dezember 1988 die Verordnung LGBl. 57/1988 erlassen. Darin werde vorgesehen, daß alle Verkaufsstellen am ersten Samstag eines jeden Monates, sofern dieser auf einen Feiertag falle, am folgenden Samstag, ab 17.00 Uhr geschlossen zu halten seien (§ 3 Abs. 2 lit. b); ferner, daß alle Verkaufsstellen an Samstagen, sofern der darauffolgende Montag ein Feiertag sei, ab 17.00 Uhr geschlossen zu halten seien (§ 3 Abs. 2 lit. c). Durch diese ohne gesetzliche Ermächtigung erlassene und daher gesetzwidrige Verordnung werde - neben der in Art. II Ladenschlußgesetznovelle 1988 eingeräumten Befugnis, einen Samstagnachmittag im Monat offen zu halten - die Möglichkeit geboten, an einem weiteren Samstag im Monat nach 13.00 Uhr die Verkaufsstelle offenzuhalten und die Arbeitnehmer zu Arbeitsleistungen heranzuziehen. Von dieser Möglichkeit hätten in Vorarlberg Verkaufsstellen am 3. (richtig wohl 4.) und am 11.Februar 1989 Gebrauch gemacht und das Offenhalten am 4.und 11.März 1989 angekündigt.
Dem Arbeitgeber komme im Rahmen der gesetzlich zulässigen Arbeitszeitgestaltung das Recht zu, Arbeitnehmer zur Erbringung von Arbeitsleistungen heranzuziehen. Der Inanspruchnahme der Freizeit eines Arbeitnehmers gerade am Wochenende seien nach den Intentionen des Gesetzgebers des Arbeitsruhegesetzes enge Grenzen gesetzt. Lehne der Arbeitnehmer die im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten angeordnete Arbeitsleistung ab, sei dies einer Arbeitsverweigerung gleichzusetzen und berechtige den Arbeitgeber zur Entlassung. Es sei daher zu klären, inwieweit die Befolgung einer Weisung an die Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung an zwei Samstagen eines Monats jeweils über 13.00 Uhr hinaus zu den allgemeinen Pflichten der Arbeitnehmer im Sinne des Abschnittes IV des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs bzw. des Abschnittes III des Kollektivvertrages für die Handelsarbeiter Österreichs gehöre. Die Antragsgegner beantragten, den Feststellungsantrag abzuweisen
Die im Punkt a) des Antrages relevierte Frage, ob Inhaber von Verkaufsstellen für den Kleinverkauf von Waren im Sinne des § 1 LadenschlußG berechtigt seien, diese zu bestimmten Zeiten offenzuhalten, sei keine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 ASGG und daher auch kein tauglicher Gegenstand eines Antrages nach § 54 Abs. 2 ASGG.
Im übrigen sei der Antrag nicht berechtigt.
Die Bestimmung des § 3 Abs. 1 bis 3 LadenschlußG idF vor (Inkrafttreten) der Kundmachung, BGBl. 18/1988, sowie der Ladenschlußgesetznovelle, BGBl. 421/1988, habe vorgesehen, daß die Verkaufsstellen am Donnerstag ab 13.00 Uhr geschlossen zu halten seien, der Landeshauptmann jedoch mit Verordnung den Sperrhalbtag auch am Mittwoch oder Samstag festlegen könne. Von dieser Verordnungsermächtigung habe der Landeshauptmann auch in der im Land Vorarlberg schließlich gewählten Form Gebrauch machen können. Die inkriminierte Bestimmung des § 3 Abs. 2 lit. b und c der Vorarlberger Ladenschlußverordnung sei in dieser Form auch schon in den Ladenschlußverordnungen, LGBl. 47/1978 idF LGBl. 9/1979 und 58/1985 sowie 73/1987, enthalten gewesen. Das Ladenschlußgesetz weise jedoch weitere Verordnungsermächtigungen hinsichtlich der Festlegung der Ladensperre an Samstagen zu einem späteren Zeitpunkt als 13.00 Uhr auf. So könne der Landeshauptmann gemäß § 3 Abs. 5 LadenschlußG mit Verordnung für bestimmte in unmittelbarer Nähe der Grenze des Bundesgebietes gelegene Gebiete Ausnahmen von der sonst geltenden Sperrhalbtagsregelung anordnen, um zu verhindern, daß die Einkaufsbedürfnisse in größerem Umfang im Ausland gedeckt werden. Weiters könne der Landeshauptmann gemäß § 6 Abs. 2 LadenschlußG für Fremdenverkehrsorte den Ladenschluß am Samstag für spätestens 18.00 Uhr anordnen. Aus der Promulgationsklausel der Vorarlberger Ladenschlußverordnung, LGBl. 57/1988, gehe hervor, daß der Landeshauptmann von Vorarlberg diese Verordnung auf die §§ 2 bis 4, 6 und 7 LadenschlußG stütze. Seit jeher sei in Vorarlberg die Bestimmung des § 3 Abs. 5 LadenschlußG als Verordnungsgrundlage angesehen worden, weil angesichts der Lage dieses Bundeslandes zwischen der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und Liechtenstein verhindert werden sollte, daß die Verkaufsbedürfnisse der Vorarlberger Bevölkerung in den grenznahen Zentren des Auslandes gedeckt werden. Diese Einkaufszentren seien nicht zuletzt wegen der in Österreich bestehenden restriktiveren Ladenschlußregelung errichtet worden; sie zögen auch tatsächlich einen großen Teil der Kaufkraft der Vorarlberger Bevölkerung ab. Das Kriterium der Grenznähe sei angesichts der faktisch bestehenden Vollmotorisierung für jeden Einwohner des Bundeslandes Vorarlberg gegeben. Im übrigen sei die Aufhebung der Absätze 1 und 3 des § 3 LadenschlußG mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1987 erst mit Ablauf des 30.November 1988 in Kraft getreten. Noch am 30.November 1988, also noch während der Geltungsdauer des von der Antragstellerin vermeintlich als Verordnungsgrundlage bezeichneten § 3 Abs. 3 LadenschlußG, sei die Vorarlberger Ladenschlußverordnung, LGBl. 57/1988, kundgemacht und versendet worden. Da die Regelungen des § 3 Abs. 2 lit. b und c der Vorarlberger Ladenschlußverordnung, LGBl. 57/1988, daher auf Grund einer aufrechten Verordnungsermächtigung erlassen worden seien, könnten Ladeninhaber in Vorarlberg darauf vertrauen, daß das Offenhalten der Verkaufsstellen an den dort bezeichneten Samstagen zu Recht erfolge. Sie dürften daher eine entsprechende gesetzmäßige Diensteinteilung treffen, die ihre Arbeitnehmer zu befolgen hätten, wenn sie nicht eine Entlassung nach § 27 Z 4 AngG oder wegen einer Pflichtverletzung im Sinne des Abschnittes IV des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs bzw. des Abschnittes III des Kollektivvertrages für die Handelsarbeiter Österreichs riskieren wollten.
Nach Art. II des sogenannten Ladenschlußversuchsgesetzes, BGBl. 421/1988, gelte in der Zeit vom 1.September 1988 bis 30. November 1989 die dortige Alternativregelung ergänzend zu den durch Verordnung festgelegten Ladenschlußzeiten. Im Bundesland Vorarlberg seien daher die Inhaber von Verkaufsstellen berechtigt, sowohl von der Regelung des Art. II Z 1 des Gesetzes, BGBl. 421/1988, als auch von der Möglichkeit des § 3 Abs. 2 lit. b und c der Vorarlberger Ladenschlußverordnung, LGBL. 57/1988, Gebrauch zu machen und an zwei Samstagen im Monat offenzuhalten.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat dazu folgendes erwogen:
Gemäß § 54 Abs. 2 ASGG sind nur kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Sinne der §§ 4 bis 7 ArbVG zur Einbringung eines besonderen Feststellungsantrages an den Obersten Gerichtshof legitimiert. Diese Antragslegitimation ist ebenso wie das Feststellungsinteresse auf Grundlage des vom Antragsteller behaupteten Sachverhaltes von Amts wegen zu prüfen. Hiebei ist insbesondere auch ein allfälliger Vorrang der freiwilligen Berufsvereinigungen nach § 6 ArbVG zu beachten (vgl. Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz § 54 Anm. 8; Gamerith, Die besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 ASGG, DRdA 1988, 311).
Wie nun die Antragstellerin selbst vorbringt, sind die den Gegenstand des Feststellungsantrages bildenden Rechte und Pflichten nur für Arbeitnehmer von Bedeutung, auf die entweder der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs oder der für die Handelsarbeiter Österreichs anzuwenden ist. Der erstgenannte Kollektivvertrag wurde am 18.November 1988 zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Sektion Handel, und der Gewerkschaft der Privatangestellten, Sektion Handel, Verkehr, Vereine und Fremdenverkehr, der zweitgenannte Kollektivvertrag am 25.November 1988 zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Sektion Handel, und der Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr, Sektion Handel, abgeschlossen. Beide Kollektivverträge sind noch in Geltung. Gemäß § 6 ArbVG verliert die in Betracht kommende gesetzliche Interessenvertretung hinsichtlich der Mitglieder einer kollektivvertragsfähigen freiwilligen Berufsvereinigung die Kollektivvertragsfähigkeit für die Dauer der Geltung und für den Geltungsbereich des von der Berufsvereinigung abgeschlossenen Kollektivvertrages. Geht man vom Zweck der Regelung aus, im Geltungsbereich der von einer kollektivvertragsfähigen freiwilligen Berufsvereinigung geschlossenen Kollektivverträge zur Vermeidung eines unerwünschten Konkurrenzverhältnisses die Kollektivvertragsfähigkeit der gesetzlichen Interessenvertretung entsprechend einzuschränken (vgl. Strasser in Floretta-Strasser Komm. ArbVG § 6 Rz 2.3.), dann ist bezüglich des Geltungsbereiches des Kollektivvertrages auch auf die Außenseiterwirkung gemäß § 12 ArbVG Bedacht zu nehmen, sodaß die Kollektivvertragsfähigkeit der gesetzlichen Interessenvertretung nicht nur bezüglich der Mitglieder der freiwilligen Berufsvereinigung, sondern auch bezüglich der gemäß § 12 ArbVG in den Geltungsbereich des Kollektivvertrages einbezogenen Außenseiter verlorengeht (vgl. Gamerith aaO). Da sohin der Antragstellerin bezüglich sämtlicher vom Feststellungsantrag erfaßter Arbeitnehmer die Kollektivvertragsfähigkeit und daher auch die nach der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 54 Abs. 2 ASGG erforderliche Antragslegitimation fehlt, war der besondere Feststellungsantrag zurückzuweisen.
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