OGH 4Ob66/89

OGH4Ob66/8912.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Inge A***-A***, Kauffrau, Wien 6., Bürgerspitalgasse 26, vertreten durch DDr. Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien

1) Adil B*** OHG, Wien 1., Am Graben 30, 2) Ferdi B***-B***, Kaufmann, ebendort, 3) Fritz L***, Kaufmann, ebendort, alle vertreten durch Dr. Walter Schuppich und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert: 320.000,-- S), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9. Februar 1989, GZ. 5 R 230/88-14, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 22. September 1988, GZ. 37 Cg 349/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird insoweit bestätigt, als es der Berufung der beklagten Parteien gegen Punkt 1) des Ersturteils und den damit verbundenen Ausspruch über die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung gemäß Punkt 3) des Ersturteils nicht Folge gegeben hat;

im Übrigen - also im bestätigenden Teil zu Punkt 2) des Ersturteils sowie im Kostenpunkt - wird es dahin abgeändert, daß es insoweit zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, es im geschäftlichen Verkehr beim Handel mit Teppichen zu unterlassen, Einladungen zu einer 'Teppich-Vernissage' und/oder 'Vernissage' zu versenden oder sonst öffentlich bekanntzumachen, wenn in Wahrheit Verkaufsveranstaltungen und/oder Veranstaltungen zur Durchführung von Verkaufsgeschäften geplant sind und/oder durchgeführt werden, wird abgewiesen.

Die Prozeßkosten werden gegeneinander aufgehoben."

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Sowohl die Klägerin als auch die Erstbeklagte betreiben den Handel mit Teppichen, insbesondere mit Orientteppichen; der Zweit- und der Drittbeklagte sind persönlich haftende Gesellschafter der Erstbeklagten.

Im Mai 1987 versandte die Erstbeklagte durch Postwurf Einladungen zum "Orientteppich-Ereignis 1987" mit folgendem Text:

Abbildung nicht darstellbar!

Tatsächlich fanden sich am 13. Mai 1987 ab 18 Uhr zahlreiche Besucher in den Raiffeisensälen in Innsbruck ein; ob jeder Besucher eine Einladung vorweisen konnte, wurde nicht kontrolliert. Zur Veranstaltung kamen auch zahlreiche Straßenpassanten, die durch die Menschenansammlung im Lokal angelockt worden waren. Um 19 Uhr fand dann die Begrüßung der Besucher durch eine Eröffnungsrede eines Angestellten der Erstbeklagten statt. In der Folge begrüßte auch Generaldirektor Dr. S*** von der R*** I*** die Gäste; er wies insbesondere auch auf die gute Qualität der Teppiche der Erstbeklagten hin, wobei er vor allem deren Eignung als Wertanlage betonte. Zuletzt begrüßte der Zweitbeklagte selbst die Besucher. Danach wurden die Teppiche einzeln vorgeführt, wobei die Interessenten eingehende Informationen über Preis und Qualität erhielten. Jeder Interessent hatte die Möglichkeit, einen Teppich entweder zu bestellen oder zur Ansicht nach Hause mitzunehmen. Weiters erhielt jeder Interessent die gewünschte Auskunft über die Qualität und den Preis eines Teppichs durch Mitarbeiter der Beklagten. Diese Mitarbeiter warben für das "günstigste Preis-Qualitätsverhältnis" der angebotenen Teppiche und waren bemüht, die Besucher zu einem Kauf zu motivieren. Die Erstbeklagte hatte im Parterresaal des Ausstellungsortes einen Schreibtisch aufgestellt, auf dem sich Schreibmaschine, Rechenmaschine, Bankeinzahlungsscheine und sonstige Formulare befanden; sie war darauf eingestellt, Bestellungen entgegenzunehmen, die Adressen von Interessenten aufzunehmen und Termine zu vereinbaren. Die Erstbeklagte schloß am 13. Mai 1987 anläßlich der "Teppich-Vernissage" auch Verkäufe ab. So kaufte ein Ehepaar eine Teppichtasche im Wert von 2.800 S und erteilte zugleich den Auftrag, diese Tasche in zwei kleinere Teppichtaschen umzuarbeiten; als Abholtermin wurde der darauffolgende Tag vereinbart. Ein Herr ließ sich einen Tischteppich reservieren. Die als "Teppich-Vernissage" bezeichnete Veranstaltung dauerte am 13. Mai 1987 zumindest bis 21,50 Uhr.

Die Klägerin begehrt mit der am 12. November 1987 eingebrachten Klage, die Beklagten schuldig zu erkennen,

1) es im geschäftlichen Verkehr beim Einzelverkauf von Waren des täglichen Bedarfes an Letztverbraucher, insbesondere von Teppichen, zu unterlassen,

a) ihre Verkaufsstellen an Werktagen zu Zeiten, während deren Verkaufsstellen nach den örtlich geltenden Ladenschlußvorschriften geschlossen zu halten sind, offenzuhalten;

b) Verkaufsveranstaltungen und/oder Veranstaltungen zur Anbahnung von Verkaufsgeschäften an Werktagen zu Zeiten, während deren Verkaufsstellen nach den örtlich geltenden Ladenschlußvorschriften geschlossen zu halten sind, durchzuführen;

2) es im geschäftlichen Verkehr beim Handel mit Teppichen zu unterlassen, Einladungen zu einer "Teppich-Vernissage" und/oder "Vernissage" zu versenden oder sonst öffentlich bekanntzumachen, wenn in Wahrheit Verkaufsveranstaltungen und/oder Veranstaltungen zur Durchführung von Verkaufsgesprächen geplant sind und/oder durchgeführt werden.

Damit verbindet die Klägerin das Begehren, ihr die Ermächtigung zu erteilen, den stattgebenden Teil des Urteilsspruches in je einer Samstagausgabe der Zeitungen "Neue Kronen-Zeitung", "Kurier" und "Die Presse" veröffentlichen zu lassen.

Das Unterlassungsbegehren zu 1) begründet die Klägerin damit, daß die Erstbeklagte die Raiffeisensäle, die während der "Teppich-Vernissage" und für die Dauer der Ausstellung eine weitere Betriebsstätte gewesen seien, am 13. Mai 1987 entgegen dem Ladenschlußgesetz (LSchlG) und der Tiroler Ladenschlußverordnung 1965 (Tir LSchlV 1965) auch noch nach 19 Uhr offengehalten habe, um dort im Rahmen einer Teppich-Ausstellung Verkaufsgeschäfte anzubahnen und durchzuführen; sie habe damit selbst dann gegen § 1 UWG verstoßen, wenn das Offenhalten nur der Besichtigung und Auskunftserteilung gedient hätte.

Zum zweiten Unterlassungsbegehren verweist die Klägerin darauf, daß unter einer "Vernissage" eine Ausstellungseröffnung in einer Kunstgalerie bzw. die Vorbesichtigung einer Kunstausstellung verstanden werde; zu einer solchen werde nur ein geschlossener Kreis geladener Personen zugelassen, so daß eine "Vernissage" üblicherweise zu einem gesellschaftlichen Ereignis werde. Mit der Bezeichnung "Teppich-Vernissage" habe daher die Erstbeklagte Besucher, welche das mit einer "Vernissage" üblicherweise verbundene gesellschaftliche Ereignis erwarteten, zu einer in Wahrheit von ihr geplanten und auch durchgeführten Verkaufsveranstaltung angelockt. Diese Art und Weise, Besucher und Interessenten zu einem gesellschaftlichen Ereignis einzuladen, sie aber dann nur mit der Durchführung und/oder Anbahnung von Verkaufsgeschäften zu konfrontieren, sei sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Die Klägerin stützt ihr Unterlassungsbegehren zu 2) aber nicht nur darauf, sondern auch "auf die anderen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere § 2 UWG" (ON 5 S 22).

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klagebegehren. Die einschlägigen Bestimmungen der Tir LSchlV 1965 gestatteten ein Offenhalten der Verkaufsstellen bis 19 Uhr. Die Einladungen zur "Teppich-Vernissage" seien nur an die in der Kundenkartei der Erstbeklagten aufscheinenden Personen gerichtet worden; eine öffentliche Bekanntmachung der Veranstaltung sei nicht erfolgt. Die Einladungen seien kontrolliert worden; nach 19 Uhr seien keine weiteren Gäste mehr eingelassen worden. Gemäß § 8 Abs 1 LSchlG dürften Kunden, die zu Beginn der Ladenschlußzeit im Laden oder bei der sonstigen Verkaufsstelle anwesend seien, noch bedient werden. Das Verhalten der Erstbeklagten sei daher durch den Gesetzeswortlaut gedeckt; zumindest habe sie es aber mit gutem Grund als vertretbar ansehen können.

In der Verhandlungstagsatzung vom 23. Juni 1988 brachten die Beklagten vor, daß sie in dem zu 10 Cg 281/87 des Landesgerichtes Innsbruck gegen sie geführten Verfahren, welches denselben Sachverhalt, dieselben Beweismittel und ein nahezu identisches Klagebegehren betreffe, am 4. Mai 1988 den Abschluß eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches samt Veröffentlichung in einer Tageszeitung angeboten hätten. Wenngleich die dort klagende Partei Dr. A***-A*** Gesellschaft mbH dieses Vergleichsangebot nicht angenommen habe, sei damit doch die Wiederholungsgefahr auch für das vorliegende Verfahren weggefallen. Im Verfahren 10 Cg 281/87 des Landesgerichtes Innsbruck sei mit noch nicht rechtskräftigem Urteil erster Instanz die Klage wegen Wegfalls der Wiederholungsgefahr abgewiesen worden. Seit dem 4. Mai 1988 hätten die Beklagten keine weiteren "Wettbewerbshandlungen" begangen. Die Klägerin hielt dem entgegen, daß im Verfahren vor dem Landesgericht Innsbruck eine Gesellschaft als Klägerin auftrete, an der sie nicht beteiligt sei. Das hier zu Punkt 1) gestellte Begehren decke sich mit dem dortigen Urteilsantrag nur zum Teil, jenes zu Punkt 2) überhaupt nicht. Im übrigen hätten sich die Beklagten nicht einmal an ein gerichtliches Unterlassungsgebot gehalten, sondern gegen die zu 19 Cg 16/87 des Erstgerichtes erlassene rechtskräftige einstweilige Verfügung verstoßen; aus einem bloßen Vergleichsangebot sei daher noch keine ernsthafte Willensänderung abzuleiten. Die Beklagten hätten auch in zwei weiteren Fällen gleichartige Wettbewerbsverstöße begangen, nämlich bei einer Verkaufsausstellung im Schloß Grafenegg am 22. April 1988 und anläßlich der Eröffnung der Salzburger Antiquitätenmesse am 18. März 1988.

Die Klägerin richtete an die Beklagten die ausdrückliche Frage, ob sie auch im vorliegenden Rechtsstreit das Klagevorbringen außer Streit stellten, bzw. ob auch hier ein entsprechender gerichtlicher Vergleich angeboten werde.

Die Beklagten erklärten daraufhin, im vorliegenden Verfahren keinen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich anzubieten; sie begründeten dies damit, daß sie bereits einmal, und zwar im Verfahren vor dem Landesgericht Innsbruck, ihren ernsthaften Willen gezeigt hätten. Sie stellten aber das Sachvorbringen der Klägerin zur "Messe in Innsbruck" außer Streit.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in der Hauptsache Folge und erteilte der Klägerin die Ermächtigung, den stattgebenden Teil des Urteilsspruches innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft auf Kosten der Beklagten in einer Samstagausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" veröffentlichen zu lassen; die Abweisung des Veröffentlichungsmehrbegehrens der Klägerin ist in Rechtskraft erwachsen. Das Erstgericht traf über den eingangs

geschilderten - unstrittigen - Sachverhalt hinaus noch folgende Tatsachenfeststellungen:

Die Dr. A***-A*** Gesellschaft mbH brachte gegen die drei Beklagten dieses Verfahrens am 10. Juli 1987 zu 10 Cg 281/87 des Landesgerichtes Innsbruck eine Klage ein, mit der sie die von der Erstbeklagten am 13. Mai 1987 in den Raiffeisensälen in Innsbruck veranstaltete "Vernissage" den Beklagten als Wettbewerbsverstoß anlastete, weil die Ausstellungsräume bis 23 Uhr geöffnet gehalten, Verkaufsgespräche geführt, Verkäufe angebahnt und auch abgeschlossen worden seien; die Einladungen seien beim Eingang nicht kontrolliert worden, so daß die Veranstaltung einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich gewesen sei. Die Dr. A***-A*** Gesellschaft mbH beantragte, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, im Geschäftsverkehr beim Einzelverkauf von Teppichen ohne entsprechende Genehmigung der zuständigen Behörde das Ankündigen und/oder Abhalten von Verkaufsausstellungen an Sonn- und Feiertagen und/oder an Werktagen zu Zeiten, während deren Verkaufsstellen nach den jeweils örtlich geltenden Ladenschlußvorschriften geschlossen zu halten sind, und zwar auch wenn außerhalb der gesetzlich zulässigen Verkaufszeiten ein Verkauf nicht stattfindet, zu unterlassen; weiters begehrte sie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im Textteil einer Samstagausgabe der "Tiroler Tageszeitung" und des "Kuriers" (Gesamtausgabe für Österreich). Zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruches begehrte die Klägerin überdies die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung (Beilage J). Im Provisorialverfahren wurde die Abweisung des Sicherungsantrages durch das Erstgericht nur noch bezüglich des Ankündigens und Abhaltens von Verkaufsausstellungen an Werktagen während der Ladenschlußzeiten bekämpft. In diesem Umfang erließ das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht die beantragte einstweilige Verfügung. Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen von den Beklagten erhobenen Revisionsrekurs mit Beschluß vom 9. Februar 1988, 4 Ob 5/88 (veröffentlicht in ÖBl. 1989, 12), nicht Folge.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 4. Mai 1988 boten die Beklagten nach Protokollierung des Sachvorbringens der Parteien und Fassung des Beweisbeschlusses der Klägerin den Abschluß des folgenden "Teilvergleiches" an:

"I.

Die beklagten Parteien verpflichten sich, im Geschäftsverkehr beim Einzelverkauf von Teppichen das Ankündigen und/oder Abhalten von Verkaufsausstellungen an Werktagen zu Zeiten, während welcher die Verkaufsstellen nach den jeweils örtlich geltenden Ladenschlußvorschriften geschlossen zu halten sind, und zwar auch wenn außerhalb der gesetzlich zulässigen Verkaufszeiten ein Verkauf nicht stattfindet, zu unterlassen.

II.

Die beklagten Parteien verpflichten sich ferner zur ungeteilten Hand, die Unterlassungsverpflichtung gemäß Punkt I. binnen drei Monaten

a) im Textteil einer Samstagausgabe der periodischen Druckschrift "Tiroler Tageszeitung" und

b) im Textteil einer Samstagausgabe der periodischen Druckschrift "Kurier" (Gesamtausgabe für Österreich) einschließlich der Einleitung:

'In der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A***-A*** Gesellschaft mbH, Riemergasse 1, 1010 Wien, wider die beklagten Parteien 1) Firma Adil B*** OHG; 2) Ferdi B***-B***, Kaufmann,

3) Fritz L***, Kaufmann, alle Am Graben 30, 1010 Wien, haben die Parteien vor dem Landesgericht Innsbruck folgenden

T e i l v e r g l e i c h

geschlossen:

Die beklagten Parteien verpflichten sich, im Geschäftsverkehr beim Einzelverkauf von Teppichen das Ankündigen und/oder Abhalten von Verkaufsausstellungen an Werktagen zu Zeiten, während welcher die Verkaufsstellen nach den jeweils örtlich geltenden Ladenschlußvorschriften geschlossen zu halten sind, und zwar auch wenn außerhalb der gesetzlich zulässigen Verkaufszeiten ein Verkauf nicht stattfindet, zu unterlassen.'

in Normallettern mit Fettdruck des Wortes 'Teilvergleich' und Fettdruckumrandung sowie gesperrt geschriebenen beklagten Parteien veröffentlichen zu lassen."

Die Klagevertreterin erklärte, daß sie den Abschluß eines derartigen Vergleiches ablehne, worauf die Beklagten nunmehr das Klagevorbringen außer Streit stellten und vorbrachten, daß durch das Anbot zum Abschluß des Teilvergleiches die Wiederholungsgefahr weggefallen sei. Der Beklagtenvertreter legte daraufhin Kostennote und entfernte sich von der Verhandlung. Der Erstrichter sah nunmehr im Hinblick auf die Außerstreitstellungen der Beklagten von einer Beweisaufnahme ab, schloß die Verhandlung und behielt die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vor. Mit dem noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 17. Mai 1988, 10 Cg 281/87-22, wurde das Klagebegehren wegen Wegfalls der Wiederholungsgefahr abgewiesen.

Das Erstgericht folgerte daraus rechtlich, daß gemäß § 2 Abs 1 lit c Tir LSchlV 1965 "alle übrigen Verkaufsstellen" von 9 Uhr (richtig: 19 Uhr) bis 7 Uhr geschlossen zu halten seien. Kunden, die zu Beginn der Ladenschlußzeiten im Laden oder bei der sonstigen Verkaufsstelle anwesend seien, dürften gemäß § 8 Abs 1 LSchlG noch bedient werden. Diese Bestimmung sei als Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen. Da die Vorführungs- und Verkaufstätigkeit der Erstbeklagten überhaupt erst nach Beginn der Ladenschlußzeit angelaufen sei, könne sie sich nicht auf die Zulässigkeit des andere Zwecke erfüllenden Fertigbedienungsrechtes berufen. Das Verhalten der Erstbeklagten sei als gezielte Umgehung des Schutzzweckes des LSchlG zu qualifizieren, welche gegen § 1 UWG verstoße. Bei einer solchen gezielten Umgehung gesetzlicher Vorschriften könne sich die Erstbeklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ihre Handlungsweise sei durch das Gesetz so weit gedeckt gewesen, daß sie diese mit guten Gründen für erlaubt habe halten können; der Zweck der Vorschriften über das Fertigbedienen sei ja für jeden Gewerbetreibenden evident.

Die Unterlassungsverpflichtung der Erstbeklagten und diejenige des Zweit- und des Drittbeklagten als deren persönlich haftende Gesellschafter sei somit grundsätzlich zu bejahen. Die Wiederholungsgefahr sei nach wie vor gegeben: Sie sei durch den von den Beklagten in einem anderen Verfahren angebotenen Abschluß eines Unterlassungsvergleiches nicht weggefallen, weil hiefür Voraussetzung wäre, daß nach den Umständen keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit des Willens der Beklagten bestünden, von gleichartigen Handlungen künftig Abstand zu nehmen. Dies könne hier schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Beklagten auch auf die ausdrückliche Frage der Klägerin in der Verhandlungstagsatzung vom 23. Juni 1988 erklärt hätten, nunmehr keinen Unterlassungsvergleich abzuschließen. Daraus lasse sich nur der Schluß ziehen, daß die Beklagten lediglich auf Grund des Umstandes, daß ein solcher Vergleich in einem anderen Verfahren nicht angenommen worden und dort eine Klageabweisung erfolgt sei, im vorliegenden Verfahren gleichfalls eine Abweisung des Klagebegehrens erreichen wollten. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 300.000 S übersteige. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes über den mangelnden Wegfall der Wiederholungsgefahr:

Der von den Beklagten im Verfahren vor dem Landesgericht Innsbruck angebotene Vergleich sei nicht angenommen, die Klage dort - noch nicht rechtskräftig - abgewiesen worden und die Beklagten im vorliegenden Verfahren nicht bereit gewesen, einen Vergleich anzubieten. Dazu komme, daß Punkt 2) des hier gestellten Urteilsbegehrens im Vergleichsangebot der Beklagten überhaupt keine Erwähnung gefunden habe; die Verurteilung der Beklagten gemäß diesem Begehren finde aber im außer Streit gestellten Sachverhalt und in den erstgerichtlichen Feststellungen seine Deckung. Danach habe die Erstbeklagte auch deshalb gegen § 1 UWG verstoßen, weil sie das Publikum zu einer Teppich-Ausstellung eingeladen, es dann aber unerwartet einer Verkaufswerbung ausgesetzt und so durch die Form der Einladung über den Charakter der Veranstaltung getäuscht habe. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung, hilfsweise auf Urteilsaufhebung. Die Klägerin stellt den Antrag, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur teilweise berechtigt.

Zu Punkt 1) des Unterlassungsgebotes beharren die Beklagten auf ihrer Rechtsansicht, daß ihr im Verfahren 10 Cg 281/87 des Landesgerichtes Innsbruck gegenüber der dortigen Klägerin erstattetes Vergleichsangebot den Wegfall der Wiederholungsgefahr auch für den hier in Rede stehenden, inhaltlich identischen Unterlassungsanspruch bewirkt habe. Zwar könne im Einzelfall die durch das Angebot eines vollstreckbaren Vergleiches begründete Vermutung eines ernstlichen Sinneswandels durch den Nachweis besonderer Umstände widerlegt werden; die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin seien aber von den Vorinstanzen nicht geprüft worden, weil diese die unrichtige Auffassung vertreten hätten, aus der Weigerung der Beklagten, auch der Klägerin des gegenständlichen Verfahrens den Abschluß eines vollstreckbaren Vergleiches anzubieten, sei bereits der Fortbestand der Wiederholungsgefahr abzuleiten. Dabei werde jedoch übersehen, daß ein Wettbewerbsverstoß nur auf einem Willen beruhen könne und schon deshalb ein durch ein entsprechendes Vergleichsangebot bewirkter Wegfall der Wiederholungsgefahr absolut, also auch gegenüber allen anderen Mitbewerbern, wirken müsse.

Ob ein gegenüber einem von mehreren Verletzten gemachtes Vergleichsangebot geeignet ist, die Wiederholungsgefahr als materiellrechtliche Klagevoraussetzung für einen Unterlassungsanspruch (Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rz 507.2) generell zu beseitigen, so daß es von anderen Verletzten in gleicher Weise als ausreichend hingenommen werden müßte wie ein an sie selbst gerichtetes Vergleichsangebot, braucht im vorliegenden Fall nicht mehr näher geprüft zu werden. Hier erweist sich nämlich bereits die Prämisse der Beklagten, daß durch ihr im Verfahren 10 Cg 281/87 des Landesgerichtes Innsbruck gegenüber der dortigen Klägerin erstattetes Vergleichsangebot die Wiederholungsgefahr überhaupt weggefallen sei, als unzutreffend: Wie der Oberste Gerichtshof in seiner am 11. Juli 1989 in diesem Verfahren gefällten Entscheidung 4 Ob 85/89 erkannt hat, hatte der von den Beklagten dort angebotene "Teilvergleich" immerhin gewisse Zweifelsfragen aufgeworfen, die jedenfalls so erörterungsbedürftig waren, daß die dortige Klägerin das Vergleichsangebot ablehnen durfte, ohne daß schon damit allein die Wiederholungsgefahr weggefallen wäre. Im übrigen hatte das spätere Verhalten des Beklagtenvertreters im Verfahren vor dem Landesgericht Innsbruck einen ernsthaften Sinneswandel der Beklagten zweifelhaft erscheinen lassen, weil es eine Erörterung des Teilvergleichsangebotes mit dem Gericht sowie jede Möglichkeit einer nachträglichen Klarstellung und Ergänzung von vorneherein vereitelt hatte. Der Verdacht, daß es sich dabei bloß um ein "taktisches Manöver" gehandelt hatte, war daher keineswegs von der Hand zu weisen. Schon aus diesem Grund ist die Wiederholungsgefahr - oder, genauer gesagt, die Vermutung, daß die Beklagten geneigt sein werden, erneut einen gleichartigen Wettbewerbsverstoß zu begehen - im vorliegenden Fall, in welchem sich die Beklagten ausdrücklich geweigert haben, der Klägerin ein entsprechendes Angebot zum Abschluß eines vollstreckbaren Vergleiches zu machen, nicht beseitigt worden, so daß auch eine Prüfung der von der Klägerin hiefür noch weiter ins Treffen geführten Umstände unterbleiben konnte.

Soweit sich die Revision der Beklagten gegen ihre Verurteilung gemäß Punkt 1) des Klagebegehrens richtet, mußte ihr daher ein Erfolg versagt bleiben. Zutreffend machen sie aber gegen ihre Verurteilung gemäß Punkt 2) des Klagebegehrens geltend, daß die Einladungen zur "Teppich-Vernissage" weder sittenwidrig gewesen seien noch das Publikum über die Art der geplanten und durchgeführten Veranstaltung im unklaren gelassen hätten:

Unter einer "Vernissage" wird im allgemeinen die Eröffnung einer Kunstausstellung verstanden, bei der Werke eines lebenden Künstlers vorgestellt werden (Duden 5 - Das Fremdwörterbuch, 793). Wenn auch "Vernissagen" meist nur in kleinerem Rahmen mit geladenen Gästen stattfinden mögen (Duden aaO), so haben sie doch jedenfalls auch den allseits bekannten Zweck, die vorgestellten Werke nicht nur bekanntzumachen, sondern sie auch zu verkaufen. Wenn daher die Erstbeklagte als "Orientteppichhaus" das Publikum "anläßlich der Eröffnung ihrer Verkaufsausstellung" zu einer "Teppich-Vernissage" eingeladen hat, so mußte auch dem flüchtigen Leser der Einladungen klar sein, daß diese Veranstaltung (auch) dem Verkauf von Teppichen diente, jeder Besucher also nach oder während der Absolvierung der einzelnen Programmpunkte die ausgestellten Teppiche auch käuflich erwerben konnte. Mit ihren Einladungen hat die Erstbeklagte somit niemanden darüber getäuscht, daß die angekündigte Veranstaltung über die angeführten gesellschaftlichen Programmpunkte hinaus durchaus auch Verkaufszwecken diente und der Besucher daher auch damit rechnen mußte, auf seine Kaufwilligkeit angesprochen zu werden. Die von der Klägerin behauptete Täuschungseignung der Einladungen der Erstbeklagten ist daher ebensowenig zu erkennen wie sonstige Elemente, die den von ihr erhobenen Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigen könnten. Die Erstbeklagte hat vielmehr mit der beanstandeten Einladung zu einer "Teppich-Vernissage" weder gegen § 1 UWG noch gegen § 2 UWG verstoßen, so daß in Stattgebung der Revision das zu Punkt 2) gestellte Klagebegehren und damit auch das - auf den stattgebenden Teil des Urteilsspruches beschränkte - entsprechende Veröffentlichungsbegehren abzuweisen waren.

Da die Parteien somit in allen drei Instanzen (mangels gesonderter Bewertung der beiden Unterlassungsansprüche) annähernd jeweils zu gleichen Teilen obsiegt haben und unterlegen sind, waren die Kosten in allen Instanzen gemäß § 43 Abs 1 ZPO (§ 50 ZPO) gegeneinander aufzuheben.

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