OGH 10ObS246/89

OGH10ObS246/8912.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Johann Herbst (Arbeitgeber) und Mag.Walter Holub (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria B***, Pensionistin, 3261 Steinakirchen, Hausberg 6, vertreten durch Dr.Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***

(Landesstelle Wien), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeitsund Sozialrechtssachen vom 27.Februar 1989, GZ 31 Rs 19/89-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 25.Oktober 1988, GZ 32 Cgs 52/88-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bezieht von der beklagten Partei seit 1. Oktober 1987 eine Invaliditätspension von monatlich 2.963,90 S. Mit Bescheid vom 13.Februar 1988 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 21.September 1987 auf Hilflosenzuschuß (zu dieser Pension) ab, weil sie nicht hilflos im Sinne des § 105 a ASVG sei.

Die rechtzeitige Klage richtete sich auf die abgelehnte Leistung ab Antragstag und stützte sich auf die Halbseitenlähmung rechts nach einem Schlaganfall.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Es ging im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Die (am 16.Juni 1938 geborene) Klägerin wohnt mit ihren Kindern, die sie betreuen, in einem Haus, das etwa 2 km vom nächsten Geschäft und der nächsten Bushaltestelle entfernt und nur auf einem zuletzt steil ansteigenden Weg erreichbar ist. Im zentral beheizten Haus befinden sich Wasser und WC.

Die Klägerin leidet vor allem an einer Halbseitenlähmung rechts nach einem Schlaganfall im Jänner 1987 (leichte Empfindungsstörungen der rechten Gesichtshälfte mit Einschränkung des Gesichtsfeldes von rechts her, praktisch völlige Lähmung des in verkrampfter Beugestellung befindlichen rechten Armes, Schwächung des rechten Beines mit deutlich eingeschränkter Beweglichkeit vor allem des Fußes und der Zehen). Sie kann nur kurze Strecken gehen und nur den linken Arm einsetzen. Sie kann sich nur mit erhöhtem Zeitaufwand und größerer Mühe anund auskleiden, sofern die Kleidungsstücke keine komplizierten Verschlüsse aufweisen und einfach an- und auszuziehen sind, sich oberflächlich waschen und pflegen, die Notdurft verrichten, einfache Speisen zubereiten, Speisen und Getränke einnehmen, die Wohnung oberflächlich aufräumen und einen Ofen bedienen. Sie kann aber nicht ohne fremde Hilfe einkaufen oder ein öffentliches Verkehrsmittel erreichen, ein Bad nehmen, aufwendige Speisen zubereiten, die Wohnung gründlich säubern, die Wäsche waschen und Brennmaterial in großen Mengen transportieren. Für die notwendigen Hilfstätigkeiten veranschlagte das Berufungsgericht einen (durchschnittlichen) täglichen Zeitaufwand von 1 Stunde und monatliche Kosten von etwa 1.800 S. Da dieser Mehraufwand den begehrten Mindesthilflosenzuschuß nicht erreiche, der 1987 (14mal jährlich) 2.434 S und 1988 (14mal jährlich) 2.490 S betragen habe, sei die Klägerin nicht hilflos im Sinn des § 105 a ASVG.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, die Urteile der Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder sie allenfalls aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt. Sowohl der Zeitaufwand für die notwendigen Hilfstätigkeiten als auch die Kosten dieses Mehraufwandes wurden vom Berufungsgericht zulässigerweise (vgl. Fasching, Komm III 286) nach § 273 ZPO ermittelt, wobei ein Ermessensspielraum besteht (derselbe, ZPR Rz 870 iVm 818), der bei der Überprüfung der in der Revision ausgeführten Rechtsrüge auch dem Obersten Gerichtshof zusteht. Dieser kann die Entscheidung des Berufungsgerichtes daher dann billigen, wenn nicht gewichtige Gründe für ihre Unrichtigkeit sprechen (so auch 6.Juni 1989, 10 Ob S 158/89). Solche Gründe vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

Im Hinblick auf die heute übliche Ausstattung auch ländlicher Pensionistenhaushalte mit einem Kühlschrank werden pro Woche üblicherweise zwei Einkäufe ausreichen, die im Hinblick auf die nur für eine Person zu besorgenden geringen Mengen bei entsprechender Planung einschließlich der Wege nicht sehr viel Zeit in Anspruch nehmen werden. Vor oder nach diesen Besorgungen könnten üblicherweise die Säuberung des stärker verschmutzten Kochgeschirrs - das Abspülen des übrigen Geschirrs wird die Klägerin allein vornehmen können - und das Waschen der kleinen Wäsche erfolgen. Das Waschen der großen Wäsche und die gründliche Reinigung der Wohnung sind nur in wesentlich größeren Abständen notwendig. Die Hilfeleistungen im Zusammenhang mit einem Wannenbad können außer acht bleiben, weil eine gründliche Körperreinigung auch durch ein Duschbad möglich ist. Bei der Zubereitung aufwendiger Speisen und dem Transport von Brennmaterial in großen Mengen handelt es sich ebenfalls um keine im Hinblick auf die Hilflosigkeit zu berücksichtigenden Tätigkeiten.

Die Behinderungen beim An- und Auskleiden können - wie bei Einarmigen - durch erhöhten Zeitaufwand und größere Mühe sowie Verwendung geeigneter Kleidungsstücke weitgehend ausgeglichen werden. Inwieweit weibliche Unterwäsche üblicherweise komplizierte Verschlüsse aufweisen soll, vermag die Revision nicht darzutun. Aus den angeführten Gründen scheint dem erkennenden Senat die vom Berufungsgericht vorgenommene Einschätzung des durchschnittlichen monatlichen Zeitaufwandes für die notwendigen Hilfeleistungen und deren Kosten als nicht unrichtig. Auch dann, wenn die notwendigen Hilfeleistungen im Monatsdurchschnitt noch einen um die Hälfte höheren Zeitund Geldaufwand erforderten, würde der dafür erforderliche Mehraufwand noch nicht die Höhe des 14mal jährlich auszuzahlenden Hilflosenzuschusses erreichen.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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