OGH 4Ob78/89

OGH4Ob78/8912.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Redl und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** W***, Wien 4., Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr.Walter Prunbauer ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei I*** S*** UND S*** Gesellschaft mbH, St.Pölten, Daniel-Gran-Straße 13, vertreten durch Dr.Stefan Gloß und Dr.Hans Pucher, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: restl. 100.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 9.März 1989, GZ 5 R 39/89-10, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes St.Pölten vom 16.Jänner 1989, GZ 6 Cg 482/88-5, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte betreibt in St.Pölten zwei Friseursalons. Die Neueröffnung des zweiten Geschäftes kündigte sie im August 1988 in einem ganzseitigen Inserat der "St.Pöltner Stadtzeitung" wie folgt an:

"St.Pöltens bekanntester Modefrisör eröffnet in Kürze in der Wiener Straße 39 einen Frisörsalon".

Das Inserat enthielt auch einen Gewinngutschein mit der zu beantwortenden Frage "Wie heißt der bekannteste Modefrisör St.Pöltens?".

Mit der Behauptung, diese Werbeankündigung sei unrichtig, weil es in St.Pölten ca 75 Friseurbetriebe gebe, von denen gerade auch in modischer Hinsicht die Friseurmeister G*** und S*** die weitaus bekanntesten seien, beantragte der klagenden Verband (ua), zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, ihr Unternehmen als "St.Pöltens bekanntester Modefriseur" anzukündigen. Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung aus. Ihr Geschäftsführer Peter S*** habe bei zahlreichen Friseurwettbewerben Auszeichnungen und Preise erhalten. Angesichts der dadurch erworbenen umfangreichen Kenntnis der nationalen und internationalen Mode sei es wohl zulässig, daß sich die Beklagte als "Modefriseur" bezeichne. In Wien komme ihr laut einer Marktanalyse mit 34 % der erste Bekanntheitsgrad zu; auch vom Umsatz her sei sie mit den von ihr in Wien und Niederösterreich betriebenen Geschäften führend. Die beanstandete Ankündigung sei keine Alleinstellungswerbung, sondern eine "subjektive Werbung", bei der der gebrauchte Superlativ nicht wörtlich aufgefaßt werde, vielmehr lediglich die Behauptung erstklassiger Qualität übrig bleibe. Allenfalls sei die beanstandete Ankündigung als "marktschreierische Reklame "anzusehen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es nahm über den eingangs geschilderten, im wesentlichen unstrittigen Sachverhalt hinaus noch als bescheinigt an, daß nach einer für den Erhebungszeitraum November 1988 vorgenommenen Marktanalyse des NÖ Sozial- und Marktforschungsinstituts Dr.B*** & Partner nur 7 % der Befragten die Beklagte als "bekanntesten Modefriseur in St.Pölten" genannten hatten; hingegen wurden von 42 bzw 44 % der Befragten spontan die Konkurrenzbetriebe G*** und S*** als "bekanntester Modefriseur in St.Pölten" genannt.

Das Erstgericht folgerte daraus in rechtlicher Hinsicht, daß zur Untersagung der objektiv wahrheitswidrigen Werbebehauptung kein begründeter Anlaß bestehe, weil diese ihrer ganzen Aufmachung nach nicht als ernst zu nehmende Angabe im Sinne des § 2 UWG, sondern nur als eine für jedermann leicht erkennbare marktschreierische Werbung zu qualifizieren sei.

Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Die Beklagte habe mit der beanstandeten Ankündigung gegen § 2 UWG verstoßen: Es liege eine Superlativwerbung vor, die bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck einer erheblichen Sonderstellung der Beklagten hinsichtlich ihres Bekanntheitsgrades erwecken könne. Mit der behaupteten Spitzenstellung in bezug auf ihre Bekanntheit in St.Pölten habe die Beklagte nicht nur ihre subjektive Meinung zum Ausdruck gebracht, sondern eine objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptung aufgestellt, die jedoch nicht den Tatsachen entspreche. Eine reklamehafte Übertreibung liege nicht vor, weil nicht jegliche Irreführungsmöglichkeit des Publikums ausgeschlossen sei; auf Grund des Inserates könne vielmehr bei einem Teil der angesprochenen Konsumenten der Eindruck erweckt werden, daß die Beklagte gegenüber ihren Konkurrenten tatsächlich eine Sonderstellung erlangt habe.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen einstweiligen Verfügung im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig (§ 528 Abs 2 iVm § 502 Abs 4 Z 1 ZPO; vgl ÖBl 1988, 162); er ist aber nicht berechtigt. Die Beklagte macht geltend, daß sie zwar eine objektiv unrichtige Werbebehauptung aufgestellt, diese aber eine Eigenschaft betroffen habe, die bei Dienstleistungsbetrieben keine Qualitätsrückschlüsse erlaube. Da die Ankündigung im Zusammenhang mit der Neueröffnung eines Friseursalons erfolgt sei, habe sie das Publikum von vornherein nicht ernst nehmen können; vielmehr sei eine für jedermann leicht erkennbare marktschreierische Werbung vorgelegen.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Mit den von der Beklagten angeführten, fast durchwegs länger als 50 Jahre zurückliegenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes kann sie für ihren Rechtsstandpunkt schon deshalb nichts gewinnen, weil diese Entscheidungen allesamt völlig andersartige Sachverhalte zum Gegenstand hatten. Das Rekursgericht hat vielmehr zutreffend erkannt, daß die Beklagte mit der beanstandeten Werbung - wenn auch nur örtlich auf den Bereich der Landeshauptstadt St.Pölten beschränkt - eine Spitzenstellung in bezug auf ihren Bekanntheitsgrad als Modefriseur in Anspruch genommen hat. Hiebei handelt es sich keineswegs um eine marktschreierische Anpreisung, für welche wesentlich wäre, daß sie von jedermann sogleich als nicht ernstgemeinte reklamhafte Übertreibung erkannt wird; im Zweifel ist daher immer eine ernst gemeinte Tatsachenbehauptung anzunehmen (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 26; ÖBl. 1984, 73; ÖBl. 1987, 49; ÖBl. 1989, 45 uva). Der Bekanntheitsgrad eines Unternehmens, das Dienstleistungen erbringt, die - wie etwa solche eines Friseursalons - stark wechselnden Moden und Geschmacksänderungen unterworfen sind, hängt in erster Linie vom Geschick und der Schnelligkeit des Dienstleistungsunternehmens ab, sich dem jeweiligen Geschmacks- und Modetrend entsprechend anzupassen; insoweit ist daher die Bekanntheit eines solchen Unternehmens stets mit der Güte der von ihm erbrachten Dienstleistungen verknüpft. Eine Werbebehauptung, die in diesem Sinne den Eindruck einer Spitzenstellung des Werbenden erwecken kann, ist somit regelmäßig weder sofort als marktschreierische Anpreisung erkennbar noch als rein subjektive, nur die persönliche Ansicht des Werbenden zum Ausdruck bringende Meinungskundgebung aufzufassen. Eine derartige Werbung ist vielmehr nach ständiger Rechtsprechung (ÖBl. 1980, 7 mwN; ÖBl. 1987, 47; ÖBl. 1989, 45) dann als Verstoß gegen § 2 UWG zu beurteilen, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht oder die Werbebehauptung sonst zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet ist. Eine Behauptung, die zum Ausdruck bringt, daß die Beklagte "St.Pöltens bekanntester Modefrisör" sei, ist demnach regelmäßig einer objektiven Nachprüfung zugänglich. Daran ändert es auch nichts, daß sie im Zusammenhang mit der Eröffnung eines zweiten Friseursalons der Beklagten in St.Pölten erhoben wurde; gerade damit nimmt sie ja eine erhebliche Sonderstellung der Beklagten als Modefriseur in St.Pölten in Anspruch, die diese bereits auf Grund ihrer bisherigen Geschäftstätigkeit in nur einem Friseursalon erworben haben will. Die beanstandete Angabe vermittelt so jedenfalls den Eindruck einer sachlichen Aussage, die mit dem Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Gültigkeit erhoben und noch dadurch unterstrichen wurde, daß die Beklagte im Anschluß daran die richtige Beantwortung der Frage nach dem Namen von "St.Pöltens bekanntestem Modefrisör" sogar zum Gegenstand eines Gutschein-Werbespiels machte.

Da auch die Beklagte die objektive Unrichtigkeit der von ihr behaupteten Spitzenstellung nicht mehr in Zweifel zieht, hat sie mit ihrer Werbeankündigung gegen § 2 UWG verstoßen, war doch die ihr zur Last fallende Täuschung geeignet, den Entschluß der angesprochenen Interessenten, sich mit ihrem Angebot näher zu befassen, zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen (ÖBl. 1977, 92; ÖBl. 1982, 37; ÖBl. 1987, 18; ÖBl. 1989, 50 uva); schon die Vorstellung, daß ein bestimmter Anbieter modisch stark beeinflußter Dienstleistungen in einem bestimmten räumlichen Gebiet der bekannteste ist, erweckt ja nach dem oben Gesagten erfahrungsgemäß bei vielen Abnehmern die Erwartung einer besonderen Güte seiner Dienstleistungen. Dem Revisionsrekurs mußte aus allen diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Beklagten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO und §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.

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