OGH 4Ob574/89

OGH4Ob574/8912.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Redl und Dr.Graf als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Martin S***, geboren 24.August 1905, Kapfenberg, Johann Böhm-Straße 29, vertreten durch Dr.Walter Wolf, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 6.Juni 1989, GZ R 438/89-28, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 10.April 1989, GZ SW 13/88-18, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehefrau, die Tochter und die beiden Enkelkinder des am 24.8.1905 geborenen Revisionsrekurswerbers (Betroffenen) beantragten am 12.12.1988, für ihn einen vorläufigen Sachwalter zu bestellen, weil er auf Grund psychischer Erkrankung seine Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen könne. Er habe im Mai 1988 die Ehegatten Dragan und Anna Maria L*** kennengelernt und ihnen schon nach kurzer Zeit aus den gemeinsamen ehelichen Ersparnissen Sparbücher mit Einlagen von S 400.000 und Sparbriefe im Wert von S 450.000 übergeben, seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft Kapfenberg, Auweg 31 a, an Anna Maria L*** verschenkt und ihr die Verfügung über sein laufendes Pensionseinkommen von rund S 10.000 monatlich eingeräumt, während er seiner Gattin keinen Unterhalt leiste.

Die Ehefrau des Betroffenen hat gegen ihn und Anna Maria L*** zu 6 Cg 423/88 des Kreisgerichtes Leoben eine Klage auf Herausgabe von Sparbüchern (in eventu Schadenersatz) eingebracht. Der Revisionsrekurswerber war in diesem Verfahren zunächst durch Rechtsanwalt Dr.Robert O*** vertreten.

Das Erstgericht bestellte Rechtsanwalt Dr.Ursula S***, Bruck an der Mur, gemäß § 238 AußStrG zum einstweiligen Sachwalter des Betroffenen im Verfahren 6 Cg 423/88 des Kreisgerichtes Leoben. Auf Grund des eingeholten Sachverständigengutachtens, das eine Abschwächung des intellektuellen Dispositionsvermögens, bedingt durch hohes Alter und mangelhafte Schulbildung des Betroffenen, ergeben habe, bestünden begründete Zweifel, ob er in der Lage sei, seine Angelegenheiten, insbesondere im genannten Rechtsstreit, ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen. Der Beschluß wurde dem Betroffenen am 18.4.1989 zugestellt. Am selben Tag zeigte er an, daß er nunmehr durch Dr.Walter W***, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, vertreten werde.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und stellte hiebei klar, daß die Vertretungsbefugnis des einstweiligen Sachwalters gemäß § 238 Abs 2 AußStrG auf die anwaltliche Vertretung des Revisionsrekurswerbers im Rechtsstreit 6 Cg 423/88 des Kreisgerichtes Leoben für die Dauer des anhängigen Sachwalterschaftsverfahrens beschränkt sei. Beim Betroffenen liege ein altersbedingter geistiger Abbau vor, der durch eine anlagebedingte intellektuelle Schwäche und zuletzt durch eine paranoide Einstellung dazu geführt habe, daß er seine wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht mehr ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst besorgen könne.

Der Betroffene bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs; er beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes ersatzlos aufgehoben werde.

Vor der inhaltlichen Behandlung des Revisionsrekurses ist zu prüfen, ob der Betroffene seinen nunmehrigen Vertreter überhaupt wirksam zur Einbringung von Rechtsmitteln bevollmächtigt hat. Auch nach dem Sachwaltergesetz setzt nämlich die wirksame Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes zur Einbringung der dem Betroffenen zustehenden Anträge und Rechtsmittel voraus, daß der Betroffene bei der Vollmachtserteilung fähig war, den Zweck der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmacht zu erkennen; bei offenkundiger Unfähigkeit zu dieser Erkenntnis ist die Bevollmächtigung unwirksam (Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis 118; Gamerith, NZ 1988, 61 !68 f ; 7 Ob 707-709/86; 8 Ob 550/87; vor dem SWG: EvBl 1975/21; 6 Ob 55/74). Der Aktenlage ist trotz Anzeichen für eine psychische Erkrankung des Betroffenen eine solche Unfähigkeit nicht zu entnehmen, so daß von der Wirksamkeit der Bevollmächtigung auszugehen ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Auch in Sachwalterschaftsangelegenheiten gilt (derzeit noch: siehe Art XLI Z 5 WGN 1989 BGBl 343) § 16 AußStrG in der bisherigen Fassung. Danach findet auch hier gegen bestätigende Entscheidungen des Rekursgerichtes die Beschwerde (= Revisionsrekurs) an den Obersten Gerichtshof nur im Fall einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität statt (Gamerith aaO 70; stRSp, zB ÖA 1986, 53; NZ 1986, 71; NZ 1987, 95). § 249 AußStrG regelt nämlich das Rechtsmittelverfahren in Sachwalterschaftssachen nicht abschließend und läßt, soweit diese Bestimmung nicht eingreift, die §§ 9 bis 16 AußStrG unberührt (Maurer aaO 150; Gamerith aaO 69; SZ 58/61 = NZ 1987, 12; ÖA 1988, 49).

Rechtsmittelgründe im Sinne des § 16 AußStrG macht aber der Betroffene nicht geltend. Während für das laufende Sachwalterschaftsverfahren selbst gemäß § 238 Abs 1 AußStrG nicht für einen Rechtsbeistand des Betroffenen durch Bestellung eines einstweiligen Sachwalters zu sorgen ist, wenn der Betroffene selbst einen Vertreter gewählt hat (vorausgesetzt, daß er, wie oben ausgeführt, zur Vollmachtserteilung fähig war), enthält § 238 Abs 2 AußStrG für die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters zur Besorgung sonstiger dringender Angelegenheiten des Betroffenen eine solche Einschränkung nicht. Die Ansicht des Rekursgerichtes, daß der Sachwalter nach dieser Gesetzesstelle durch einen frei gewählten Vertreter nicht ersetzt werden könne, ist daher nicht offenbar gesetzwidrig. Damit ist aber der Beschwerde des Betroffenen, mit der er lediglich geltend macht, daß die Sachwalterbestellung in sein Recht auf freie Anwaltswahl eingegriffen habe, der Boden entzogen. Im übrigen ist der Beschluß über die Bestellung des einstweiligen Sachwalters gemäß § 238 Abs 2 AußStrG am selben Tag wirksam geworden, an dem der Betroffene erst die Bestellung seines nunmehrigen Vertreters angezeigt hat. § 247 AußStrG, wonach der Beschluß, mit dem der Sachwalter bestellt wird, erst mit dem Eintritt der Rechtskraft wirksam wird, gilt für die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nicht; diese wird mit der Zustellung (Maurer aaO 123; allgemein Dolinar, Außerstreitsverfahrensrecht, Allgemeiner Teil 145) wirksam.

Die Eintragung der Sachwalterbestellung in die öffentlichen Bücher (§ 248 Abs 2 AußStrG iVm § 238 Abs 2 Satz 2 AußStrG) ist nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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