OGH 10ObS102/89

OGH10ObS102/8912.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Johann Herbst (Arbeitgeber) und Mag.Holub (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alois G***, Pensionist, 3730 Eggenburg, Leingasse 6, vertreten durch Mag.Josef Z***, Sekretär der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, 1010 Wien, Teinfaltstraße 7, dieser vertreten durch Dr.Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** Ö*** B***, 1081 Wien, Josefstädter Straße 80,

vertreten durch Dr.Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.Oktober 1988, GZ 34 Rs 194/88-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 24.Juni 1988, GZ 15 Cgs 125/87-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 29.Jänner 1928 geborene Kläger war bis 31.Oktober 1984 Gendarmeriebeamter. Mit Ablauf dieses Tages wurde er in den dauernden Ruhestand versetzt. Er erlitt am 15.Februar 1978 im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Gendarmeriebeamter einen Skiunfall. Am 26.Juli 1983 wurde er in Ausübung seines Dienstes von einem Hund gebissen. Am 9.August 1983 erstattete er für beide Unfälle die Unfallsanzeige.

Mit zwei Bescheiden je vom 14.April 1986 anerkannte die beklagte Partei beide Unfälle als Dienstunfälle. Sie lehnte darin außerdem die Gewährung einer Versehrtenrente wegen des ersten Dienstunfalls ab und gewährte dem Kläger wegen des zweiten Dienstunfalls für die Zeit vom 8.August 1983 bis 30.Juni 1985 eine vorläufige Versehrtenrente im Ausmaß von 20 v.H. der Vollrente. Ab. 1.Juli 1985 stellte sie die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 10 v.H. fest. Gegen diese Bescheide richtet sich die vom Kläger am 15. Juli 1986 eingebrachte Klage.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger aus Anlaß der beiden Dienstunfälle ab 8. August 1983 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 40 v.H. der Vollrente zu gewähren, ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger leidet an zahlreichen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Eine Verschlechterung der hiedurch verursachten Beschwerden trat nur unmittelbar nach dem Skiunfall ein. Für einen Zeitraum von etwa drei Monaten nach dem Unfall ist eine Verstärkung der Abnützungserscheinungen anzunehmen. Der am 1.Juli 1985 gegebene Zustand des Abnützungsprozesses wäre auch ohne den Unfall im gleichen Ausmaß vorhanden.

Durch den Hundebiß erlitt der Kläger Verletzungen im Bereich des Bauches und des rechten Daumens. Er war deshalb bis 7.August 1983 arbeitsunfähig. Als Unfallfolge blieb eine Einschränkung der Beweglichkeit der rechten Interphalangealgelenke, die jedoch keine meßbare Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht.

Beim Kläger besteht ein deutlich neurotisch-depressives Zustandsbild mit massiver Somatisierung im Sinn einer sogenannten Konversionsneurose; Angst und Depression werden in sehr starkem Ausmaß körperlich ausgedrückt. Der Hundebiß stellte für ihn ein sehr dramatisches Trauma dar. Durch ein solches Trauma entsteht ohne entsprechende psychische Vorbelastung keine Neurose. Es muß daher mit Sicherheit angenommen werden, daß beim Kläger eine entsprechende neurotische Primärpersönlichkeit bestanden hat, die ihn sozial allerdings nicht behinderte. Seine psychische Vorbelastung hatte keinen Krankheitswert. Eine Untersuchung des Klägers vor dem Unfall hätte ergeben, daß er in hohem Maß neurotisch krank ist, dies jedoch nicht als Leiden empfindet. Falls ein Trauma wie hier einen psychisch stabilen Menschen berührt, führt dies erfahrungsgemäß dazu, daß er für einige Monate Angst und Abneigung gegen Hunde empfindet und sich dann wieder stabilisiert. Beim Kläger war das Ereignis dazu angetan, Ängste und Depressionen auszulösen, im besonderen aber auch zu fixieren und dann auch körperlich auszudrücken. Dies geschieht nicht auf bewußter, sondern auf unbewußter Ebene. Durch das Ereignis und wegen des beim Kläger vorbestehenden neurotischen Persönlichkeitsbildes wurde bei ihm eine psychische Störung von Krankheitswert ausgelöst. Jedes andere gleichwertige Trauma hätte ebenfalls dieses Zustandsbild auslösen können. Beim Unterbleiben eines solchen Traumas wäre jedoch der jetzt bestehende Zustand nicht aufgetreten.

Der Kläger leidet unter den geringsten Belastungen und ist vor allem in gesellschaftlichen Kontakten beeinträchtigt. Ferner bedarf er ständig ärztlicher Betreuung wegen der Beschwerden im Verdauungs- und Harntrakt. Vor dem Unfall lag bei ihm keine Minderung der Erwerbsfähigkeit vor. Die gegenwärtigen Beschwerden bewirken eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. Sein Zustandsbild ist behandelbar. Die Behandlung ist teils ambulant, teils stationär vorzunehmen und führt in etwa einem Jahr zu einer deutlichen Besserung.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Hundebiß für die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen der bereits vorhandenen Persönlichkeitsstörung nur eine Gelegenheitsursache, nicht aber die wesentliche Ursache gewesen sei. Die begehrte Gesamtrente könnte gemäß § 108 Abs 2 B-KUVG erst ab 27.Juli 1985 zuerkannt werden. Zu diesem Zeitpunkt sei aber aus keinem der beiden Dienstunfälle eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit gegeben gewesen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, wobei es sich der Ansicht des Erstgerichtes sowohl in der Frage der Zuerkennung einer Gesamtrente als auch für das Vorliegen einer bloßen Gelegenheitsursache, die einen Anspruch auf Versehrtenrente nicht begründe, anschloß.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

In der Unfallversicherung gilt für die Kausalität die Theorie der "wesentlichen Bedingung". Eine Ursache muß für die Schädigung wesentlich sein. Dies ist sie dann, wenn sie nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt (SSV-NF 2/6, 2/112 ua). Eine Krankheitsanlage hindert zwar nicht in allen Fällen, daß das Unfallsereignis als Ursache der Schädigung berücksichtigt wird. Voraussetzung ist aber, daß dem Ereignis zumindest eine ähnliche Bedeutung wie der Veranlagung zukommt. Hätte hingegen wegen der Veranlagung jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zur selben Zeit die Schädigung ausgelöst, so bildet es nur eine Gelegenheitsursache, die aber die Leistungspflicht in der Unfallversicherung nicht begründet (SSV-NF 2/7).

Hier stand die Krankheitsanlage des Klägers eindeutig im Vordergrund. Die Schädigung hätte nicht nur durch den Hundebiß, sondern durch jedes ähnliche Ereignis, wie etwa einen Verkehrsunfall, herbeigeführt werden können. Überdies ereignet sich auch ein Hundebiß durchaus nicht selten. Daß dies hier im Zusammenhang mit der Diensttätigkeit des Klägers der Fall war, ist Zufall. Auch unter diesem Gesichtspunkt bildete diese Tätigkeit nur eine Gelegenheitsursache. Der in der Revision enthaltene Hinweis, daß nur ein Trauma die Schädigung auslösen konnte, ist nicht zielführend, weil auch Ereignisse, die zu einem Trauma führen, alltäglich sein können.

Der Hundebiß bildete daher zwar zweifellos eine Ursache für die beim Kläger nunmehr auftretenden Beschwerden, es war hiefür aber nicht dieses Ereignis, sondern die Veranlagung des Klägers wesentlich im Sinn der vorstehenden Ausführungen. Die beklagte Partei ist daher zur Gewährung von Leistungen wegen des Unfalls vom 26. Juli 1983 nicht verpflichtet, obwohl sich dieser im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis des Klägers ereignete und daher ein Dienstunfall war (§ 90 Abs 1 B-KUVG). Der Kläger trägt dem in seinen Revisionsausführungen nicht Rechnung, weil er davon ausgeht, daß jede Ursache, die seine Beschwerden auslöste, den Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung zu begründen vermag. Die Vorinstanzen sind somit zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß die beim Kläger festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht gemäß § 88 Z 1 und § 101 Abs 1 B-KUVG durch den Dienstunfall vom 26.Juli 1983 verursacht wurde, weil dieser hiefür nur eine Gelegenheitsursache war. Ebensowenig bestand nach den Feststellungen des Erstgerichtes in dem Zeitraum, für den der Kläger die Versehrtenrente begehrt, eine durch den Unfall vom 15.Februar 1978 verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit. Dagegen wird in der Revision im übrigen nichts vorgebracht. Unter diesen Umständen ist § 108 B-KUVG nicht anzuwenden, weil dem Kläger für den von der Klage betroffenen Zeitraum eine Entschädigung aus mehreren Versicherungsfällen nicht gebührt. Auf die von den Vorinstanzen zum Abs 2 dieser Bestimmung angestellten Erwägungen ist deshalb nicht einzugehen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 47 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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