OGH 8Ob640/89 (8Ob641/89)

OGH8Ob640/89 (8Ob641/89)8.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Schwarz und Dr.Graf als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache für Peter W***, geboren am 9.September 1920, Pensionist, 6060 Hall, Triendlstraße 7, infolge Revisionsrekurse des Betroffenen

a) vertreten durch Dr.Johannes Neumayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht

a) vom 10.März 1989, GZ 3 b R 45/89-106 und b) vom 23.Juni 1989, GZ 3 b R 100/89-111, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Innsbruck a) vom 27.Jänner 1989, GZ 4 SW 17/86-96, teilweise aufgehoben und b) vom 19.April 1989, GZ 4 SW 17/86-103, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des durch Dr.N*** vertretenen

Betroffenen wird, soweit er sich gegen die Entscheidung der Vorinstanzen über den Antrag auf Enthebung des Sachwalters richtet, Folge gegeben; die Beschlüsse der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben; dem Erstgericht wird die Entscheidung in der Sache selbst aufgetragen.

Im übrigen werden die Revisionsrekurse zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit dem Beschluß des Erstgerichtes vom 17.7.1987, 4 SW 17/86-38, wurde für den Betroffenen Dr.Gottfried G*** vom Verein für Sachwalterschaft zum Sachwalter bestellt. Der vom Sachwalter zu besorgende Kreis von Angelegenheiten (§ 273 Abs 3 Z 2 ABGB) wurde mit der "Führung von und der Beteiligung an gerichtlichen Verfahren jeglicher Art, bei welchen die geschiedene Gattin des Betroffenen oder dessen leibliche Kinder Verfahrensbeteiligte jedweder Art nach formellen Rechtsvorschriften sind", sowie mit der "Invollzugsetzung der richterlicher Gestaltungstätigkeit nach Rechtskraft des Verfahrens über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff EheG" bestimmt.

1.) Im Zusammenhang mit einer vergleichsweisen Regelung des Aufteilungsverfahrens beantragte der Betroffene durch seinen Anwalt Dr.N*** die Aufhebung oder Einschränkung der Sachwalterschaft, die Enthebung des Sachwalters und die Enthebung des Verfahrenshilfevertreters im Aufteilungsverfahren; außerdem lehnte er den Erstrichter ab.

Das Erstgericht wies "den Schriftsatz" (soweit er nicht einen Rekurs darstellte) zurück. Es begründete seine Entscheidung damit, daß der Betroffene die oben dargestellten Anträge nur durch seinen Sachwalter oder in eigener Person am Amtstag stellen durfte. Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs, soweit es um die Aufhebung oder Einschränkung der Sachwalterschaft ging, Folge, hob den angefochtenen Beschluß diesbezüglich auf und trug dem Erstgericht die neue Entscheidung auf. Im übrigen, und zwar im hier noch relevanten Teil (Antrag auf Enthebung des Sachwalters und des Verfahrenshilfevertreters, Ablehnung des Erstrichters), bestätigte das Rekursgericht die erstgerichtliche Entscheidung. Der Betroffene könne zwar dann, wenn eine erhebliche Verletzung seiner Interessen zu besorgen ist, selbständige Anträge stellen. Ansonsten sei zu prüfen, ob es in Angelegenheiten, in welchen für den Betroffenen der Sachwalter einzuschreiten hat, im konkreten Fall das Wohl des Betroffenen erfordert, ihm - die notwendige Einsichtsfähigkeit vorausgesetzt - die selbständige Handlungsfähigkeit zuzugestehen. Dies sei in den Belangen der Enthebung des Sachwalters und des Verfahrenshilfevertreters auf Grund verschiedentlicher Erwägungen zu verneinen. Weder sei der Sachwalter überfordert, noch könne davon gesprochen werden, daß der Verfahrenshelfer die Rechte des Betroffenen nicht wirksam wahrnahm. Der Einflußbereich des Betroffenen auf den querulatorisch behandelten rechtlichen Teilbereich seines Lebens sei zu dessen eigenem Wohl durch die Sachwalterbestellung entsprechend eingeschränkt worden. Dies gelte auch für den vom Erstgericht zutreffend als unzulässig beurteilten Ablehnungsantrag, zumal auch in diesem Belang von einem schwerwiegenden Eingriff in die Interessen des Betroffenen nicht die Rede sein könne.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den bestätigenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung erhebt der Betroffene Revisionsrekurs durch seinen frei gewählten Vertreter Dr.N***. Das Rechtsmittel ist teilweise berechtigt:

Auszugehen ist davon, daß der Sachwalter des Betroffenen nur für den oben näher umschriebenen Wirkungsbereich bestellt wurde. Im Sachwalterverfahren selbst bleibt es dem Betroffenen unbenommen, einen frei gewählten Vertreter zu bestellen und durch diesen die Enthebung des bestellten Sachwalters zu beantragen. Nur dann, wenn der Betroffene bei der Vollmachtserteilung unfähig gewesen wäre, den Zweck der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmacht zu erkennen, wäre eine solche Bevollmächtigung unwirksam (Gamerith, NZ 1988, 69 mwN; 8 Ob 550/87; 8 Ob 678, 679/88). Für eine solche Annahme fehlt es jedoch an entsprechenden Anhaltspunkten im Akt.

Das Erstgericht hat sich somit zu Unrecht mit dem Antrag auf Enthebung des Sachwalters nicht meritorisch befaßt und das Rekursgericht hat dies gebilligt. Insoweit liegt daher eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen und damit ein Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nullität vor. Dies hat zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zu führen. Unzulässig ist das Rechtsmittel des durch Dr.N***

vertretenen Betroffenen jedoch insoweit, als es die Entscheidung der Vorinstanzen über den Antrag auf Enthebung des Verfahrenshilfevertreters im Aufteilungsverfahren und über die Ablehnung des Erstrichters betrifft. Wie oben ausgeführt wurde, bezieht sich die Bestellung des Sachwalters jedenfalls auf die Vertretung des Betroffenen im Aufteilungsverfahren selbst, sodaß letzterem in diesem Belang sowohl die Antrags- als auch die Rechtsmittellegitimation fehlt. Im Anfechtungspunkt der Ablehnung des Erstrichters ist gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes gemäß § 24 Abs 2 JN ein weiteres Rechtsmittel unzulässig, sodaß der Revisionsrekurs auch diesbezüglich zurückzuweisen war.

2.) Im Verfahren über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens 4 F 3/89 schlossen die Parteien einen Vergleich. Dieser hat die Übertragung des Hälfteanteiles des Betroffenen an der Liegenschaft EZ 1422 Grundbuch Hall an die geschiedene Ehegattin Anna Maria S***, die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu einer Ausgleichszahlung von S 1,5 Mill, fällig binnen drei Monaten nach Rechtskraft des sachwalterschaftsgerichtlichen Genehmigungsbeschlusses, die pfandrechtliche Sicherstellung dieser Ausgleichszahlung (samt Verzugszinsen und Nebengebührenkaution), die Lastenfreistellung der durch Anna Maria S*** weiter zu veräußernden Liegenschaft, die unwiderrufliche Treuhandschaft Rechtsanwalt Dris E***, die Fahrniszuweisungsregelung, die Räumungsverpflichtung des Betroffenen binnen 6 Wochen nach Rechtskraft und die Generalklausel (Ausgleich sämtlicher wechselseitigen Ansprüche aus dem Titel der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sowie der Mitwirkung am Erwerb, ewiges Ruhen in den noch behängenden Verfahren) sowie entsprechende Grundbuchserklärungen zum Gegenstand. Das Erstgericht genehmigte auf Antrag des Sachwalters diesen Vergleich und vertrat die Auffassung, daß er den wohlverstandenen Interessen des Betroffenen entspreche. Hiedurch sei der Betroffene wesentlich besser gestellt als bei einer allfälligen Sachentscheidung im Verfahren 4 F 3/89, zumal auch die behängenden Oppositionsprozesse mitverglichen wurden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Betroffenen in diesem Belang nicht Folge. Es verwies darauf, daß das Erstgericht bereits rechtskräftig über die im aufhebenden Teil seiner Entscheidung 3 b R 45/89 zu behandelnden Fragen entschieden habe und daß der Sachwalter jedenfalls - da seine Bestellung aufrecht war - auch den hier relevanten Vergleich schließen durfte. Dem Betroffenen sei mehrfach Gelegenheit gegeben worden, seine Vorstellungen bei Abschluß des Vergleiches einzubringen. Eine Benachteiligung des Betroffenen durch die vergleichsweise Bereinigung der Aufteilung des ehelichen Vermögens sei nicht feststellbar, im Gegenteil, der Vergleich berücksichtige die Interessen des Betroffenen in positivem Sinn. Die mit 1,5 Mill.S festgesetzte Ausgleichszahlung verschaffe dem Betroffenen einen Betrag, den er im Falle einer Sachentscheidung nicht zu erwarten gehabt hätte. Von vielerlei weiteren positiven Gesichtspunkten abgesehen sei insbesondere auch in Ansehung der behängenden sonstigen Verfahren eine für den Betroffenen äußerst günstige Regelung gefunden worden.

Der dagegen vom Betroffenen selbst erhobene, als "Vorstellung" bezeichnete ao Revisionsrekurs ist unzulässig. Der Betroffene ist in diesem Belang zwar rechtsmittellegitimiert, weil die Sachwalterbestellung nicht auch für den Bereich des Pflegschaftsverfahrens erfolgte, in welchem der Beschluß auf Genehmigung des Vergleiches erging; der Rechtsmittelwerber vermag jedoch keine Anfechtungsgründe nach § 16 AußStrG darzutun. Es ist nicht richtig, daß der rekursgerichtliche Beschluß einer Überprüfung nicht zugänglich und damit allenfalls nichtig wäre. Das Rekursgericht befaßte sich eingehend mit den anstehenden Fragen und gelangte in durchaus nachvollziehbarer Weise zur Auffassung, daß der bezogene Vergleich dem Betroffenen förderlich sei. Im übrigen bekämpft der Rechtsmittelwerber die Annahme seiner zur Sachwalterbestellung führenden "Prozeßunfähigkeit"; dies hat aber auf die hier zu beurteilende Frage der Genehmigung des im Aufteilungsverfahren geschlossenen Vergleiches keinen Einfluß, weil der Betroffene bei Vergleichsabschluß jedenfalls rechtsgültig und wirksam durch den bestellten Sachwalter vertreten war. Auch dieser Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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