OGH 6Ob648/89

OGH6Ob648/897.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Schlosser und Dr.Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Robert L***, geboren am 21.Jänner 1983, infolge Revisionsrekurses der Mutter Maria L***, Hausfrau, Ing.Sigl-Straße 6, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr.Karl Eppacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 28.April 1989, GZ 2 b R 73/89-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 29.März 1989, GZ 3 P 137/87-23, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern des Minderjährigen und seiner beiden mehr als acht bzw sechs Jahre älteren Brüder Arthur und Martin, Mag.Hermann und Maria L***, ist geschieden. Die elterlichen Rechte stehen der Mutter zu. Im Scheidungsfolgenvergleich wurde dem Vater ein Besuchsrecht an jedem zweiten Sonntag von 9 bis 19 Uhr eingeräumt. Die Mutter beantragte am 12.7.1988, dem Vater das Besuchsrecht zu entziehen oder wenigstens auf den ersten Sonntag im Monat von 9 bis 19 Uhr einzuschränken. Der Vater sprach sich gegen diesen Antrag aus.

Das Erstgericht, das das Besuchsrecht des Vaters mit Beschluß vom 11.10.1988 bis zur endgültigen Entscheidung über den Antrag der Mutter vorläufig ausgesetzt hatte, entzog dem Vater in Stattgebung des Hauptantrages der Mutter das Besuchsrecht zur Gänze. Es stellte fest, die Kinder lebten bei ihrer Mutter, die keinem Beruf nachgehe, in einem Reihenhaus in Innsbruck. Soweit der Vater sein Besuchsrecht ausgeübt habe, sei es stets zu Schwierigkeiten gekommen, weil ihn die Kinder massiv abgelehnt hätten. Sie hätten, wenn im Zuge der Besuchsrechtsausübung ein Gasthaus aufgesucht worden sei, aber auch in der Wohnung des Vaters allerlei Unfug gestiftet, indem sie Zucker und Salz vertauscht, mit Ketchup umhergespritzt, mit Speisen umhergeworfen, die Wohnung verunreinigt und Kühlgeräte abgeschaltet hätten. Die beiden älteren Söhne lehnten den Vater rundweg ab. Diese Einstellung übertrage sich auch auf Robert, weil zwischen den Brüdern ein "sehr enges Verhältnis" bestehe. Die Kinder könnten nur unter Zwang zum Besuch beim Vater verhalten werden. Ein solcher Zwang wäre für die Kinder aber schädlich. Die Mutter sei seelisch belastet und in bezug auf das Besuchsrecht vernünftigen Argumenten unzugänglich. Es könne aber nicht davon ausgegangen werden, daß sie die Kinder bewußt gegen deren Vater aufbringe. Die Kinder hätten die Ablehnung schon völlig "verinnerlicht".

Hieraus schloß das Erstgericht, die feindselige Einstellung der Eltern zueinander habe die negative Einstellung der Kinder ihrem Vater gegenüber geprägt. Eine weitere Besuchsrechtsausübung werde für die Kinder zu einer unzumutbaren Belastung, sodaß dem Vater das Besuchsrecht zu entziehen sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Vaters, der den erstinstanzlichen Beschluß nur in bezug auf den mj.Robert angefochten hatte, Folge und wies den Antrag der Mutter auf Entziehung bzw Einschränkung des Besuchsrechtes bezüglich dieses Kindes ab. Es führte aus, nach dem Gutachten der vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen Dr.Maria H*** seien die Schwierigkeiten bei der Besuchsrechtsausübung vorwiegend auf die unbewältigte Konfliktsituation zwischen den Eltern zurückzuführen. Die beiden älteren Kinder hätten die Schwierigkeiten in der Ehe ihrer Eltern und deren Trennung bereits kritisch und bewußt miterlebt, Robert indessen sei von diesen negativen, belastenden Erlebnissen noch mehr verschont geblieben. Bei seiner Untersuchung habe sich seine psychische Entwicklung als recht harmonisch erwiesen, er sei spontan und ausgeglichen gewesen und habe trotz Anwesenheit seiner Geschwister und der Mutter unbekümmert von einer guten Beziehung zum Vater gesprochen. Wenn auch die Gefahr bestehe, daß sich die ablehnende Haltung der Mutter und der beiden älteren Brüder allmählich negativ auf die Beziehung Roberts zu seinem Vater übertragen könnte, stütze das Gutachten der Sachverständigen doch im wesentlichen dessen Standpunkt, sein Verhältnis zu Robert sei noch weitgehend unbelastet. Die Gefahr einer psychischen Schädigung des Kindes infolge der Besuchsrechtsausübung sei daher nicht zu befürchten. Dagegen sei bei gänzlicher Versagung des Besuchsrechtes die Gefahr einer völligen Entfremdung zwischen Robert und seinem Vater und damit der Verlust einer Bezugsperson gegeben. Bestehe auch zwischen allen Brüdern ein sehr enges Verhältnis, so könne eine mit der Ausübung des Besuchsrechtes verbundene kurzfristige Trennung der Geschwister allein eine Versagung des Besuchsrechtes nicht rechtfertigen. Durch dessen Entziehung würde dem Vater jegliche Möglichkeit genommen, eine normale Eltern-Kind-Beziehung zu Robert aufrecht zu erhalten.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes von der Mutter erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Das Recht des nicht zur Obsorge für seine Kinder berechtigten Elternteiles, mit ihnen wenigstens persönlich zu verkehren, ist nicht bloß anerkanntes Menschenrecht, sondern grundsätzlich für eine gedeihliche Entwicklung der Kinder erforderlich und entspricht so deren wohlverstandenen Interessen (vgl EFSlg. 53.875 uva; zuletzt wieder 4 Ob 626/88). Zweck des Besuchsrechtes sind die Aufrechterhaltung der Eltern-Kind-Beziehung sowie die Vermeidung gegenseitiger Entfremdung. Schließlich soll der Besuchsberechtigte aber auch in die Lage versetzt werden, sich vom Stand der Erziehung und der Gesundheit der Kinder zu überzeugen. Wie bei allen pflegschaftsgerichtlichen Verfügungen sind auch Entscheidungen über das Besuchsrecht des anderen Elternteiles am Kindeswohl auszurichten (EFSlg. 53.880 ua). Da Kinder an sich ausreichenden Kontakt zu beiden Elternteilen benötigen und der Kontakt der Kinder auch zu dem nicht zur Obsorge berechtigten Elternteil für ihre Entwicklung erforderlich ist (vgl EFSlg. 53.883), kann Eltern das Recht auf den persönlichen Verkehr mit ihren Kindern nur insoweit verwehrt werden, als die Ausübung des Besuchsrechtes das Wohl der Kinder gefährdet oder gar beeinträchtigt (vgl EvBl. 1974/284 uva).

Das Recht auf den persönlichen Verkehr mit den Kindern kann nicht schon deshalb entzogen werden, weil zwischen den Eltern Spannungen aus ihren ehelichen Beziehungen oder aus dem Scheidungsverfahren bestehen. Die Eltern sind vielmehr verhalten, alles zu unternehmen, um die störungsfreie Ausübung des Besuchsrechtes zu gewährleisten. Nur wenn die Beeinträchtigung der Kinder infolge der Besuchsrechtsausübung das Maß, das mit der Zerrüttung der Ehe der Eltern und deren Trennung nahezu immer verbunden ist, überschreitet, muß das Besuchsrecht des anderen Elternteiles zurückstehen (EFSlg. 53.891, 53.892). Ängstliche Reaktionen des Kindes reichen nicht aus, vielmehr muß die durch die Besuchsrechtsausübung hervorgerufene Beunruhigung der Kinder in Kauf genommen werden, wenn sie nicht über das gewöhnliche Maß hinausgeht (EFSlg. 53.892, 53.900 ua).

Das Rekursgericht hat aufgrund des Gutachtens der vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen - in dritter Instanz nicht mehr bekämpfbar - festgestellt, daß Robert infolge seines Alters von den Konflikten zwischen seinen Eltern weitgehend verschont geblieben sei. Seine seelische Entwicklung verlaufe harmonisch, er wirke spontan, sei ausgeglichen und habe trotz der Anwesenheit seiner Mutter und seiner älteren Geschwister, die den Vater massiv ablehnten, unbekümmert von seinen guten Beziehungen zum Vater erzählt. Daraus schloß das Rekursgericht - in Übereinstimmung mit der Sachverständigen - zu Recht, daß das Verhältnis des Vaters zu diesem Kind noch weitgehend unbelastet und eine psychische Gefährdung Roberts durch die Besuchsrechtsausübung nicht zu befürchten ist. Es darf - trotz der Hinweise auf die engen Beziehungen zwischen den Geschwistern - nicht übersehen werden, daß die Vorstellungswelt und die Interessen dieses Kindes angesichts des beträchtlichen Altersunterschiedes doch ganz anders geartet sind als jene der beiden älteren Brüder. Die infolge der Besuchsrechtsausübung erforderliche, jeweils kurzfristige Trennung Roberts von seinen Geschwistern wird das Kind umso mehr dann leicht verkraften können, wenn es von seiner Mutter, wie es ihre Pflicht ist (EFSlg. 53.887 ua), in positiver Weise auf das Besuchsrecht vorbereitet wird. Soll dem Kind der für seine Entwicklung förderliche Kontakt zum anderen Elternteil gewahrt bleiben und dem Vater die Gelegenheit geboten werden, wenigstens zu seinem jüngsten Sohn eine angemessen Vater-Kind-Beziehung zu erhalten, so ist ihm das Besuchsrecht zu belassen, das nur aus ganz besonders triftigen Gründen eingestellt werden darf (zuletzt wieder 2 Ob 598/87 = EFSlg. 53.809). Solche Gründe hat das Rekursgericht zu Recht verneint, weil die Entziehung zur Sicherung der psychischen und physischen Integrität des Kindes derzeit nicht geboten ist.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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