OGH 7Ob652/89

OGH7Ob652/897.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Klinger, Dr.Egermann und Dr.Kodek als Richter in der Vormundschaftssache des mj.Thomas A***, geboren am 2.November 1984, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung als Amtsvormund, infolge Revisionsrekurses des Amtsvormundes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 28.Juni 1989, GZ 22 aR 88/89-115, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 10.Mai 1989, GZ 4 P 495/85-104, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 22.November 1984 geborene Thomas A*** ist der außereheliche Sohn der Claudia A*** und des Heinz S***. Amtsvormund ist die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung. Das Kind befand sich seit 8.Feber 1985 mit Zustimmung der Mutter bei den Pflegeeltern Georg und Maria R***. Auf Intervention der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag wurde das Kind wegen Bedenken gegen die Pflegeeltern am 24.April 1989 im Landeskinderheim Taxham unterbracht. Der Vater, der das Kind regelmäßig besuchte, hat am 3.März 1989 den Antrag gestellt, ihm das Kind in Pflege und Erziehung zu übergeben. Das Erstgericht hat hierauf gemäß § 176 ABGB dem Vater das Recht eingeräumt, für die Dauer des Verfahrens über seinen Antrag den Minderjährigen in seine Pflege und Erziehung zu übernehmen. Diesem Beschluß ging ein Verfahren voraus, das sich mit der Persönlichkeit der Eltern des Kindes, mit diesem selbst und den Auswirkungen allfälliger Maßnahmen auf das Kind beschäftigte. Auf Grund dieses Verfahrens gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß die Mutter für die Betreuung des Kindes wahrscheinlich ungeeignet sei, während sowohl der Vater als auch dessen Eltern als geeignete Erziehungspersonen für den Minderjährigen in Frage kämen. Ein weiterer Verbleib des Kindes im Heim sei mit dessen Wohl nicht vereinbar. Da es dringend geboten escheine, das Kind aus dem Heim zu nehmen und der Vater eine zur Erziehung geeignete Person sei, jedoch die Prüfung der Frage, inwieweit die Mutter als Erziehungsperson in Frage komme, einen größeren Zeitraum erfordere, müsse das Kind bis zur endgültigen Entscheidung zum Vater kommen.

Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung hat den erstgerichtlichen Beschluß nur insoweit angefochten, als das Kind sofort aus dem Heim herauszunehmen sei. Sie strebt eine Beibehaltung des derzeitigen Zustandes an.

Das Rekursgericht hat die erstgerichtliche Entscheidung mit der Maßgabe bestätigt, daß bis zur endgültigen Entscheidung der Mutter Claudia A*** gemäß § 176 ABGB die Pflege und Erziehung des Minderjährigen entzogen werde. Dies stelle nur eine Verdeutlichung des klar zum Ausdruck gekommenen erstgerichtlichen Entscheidungswillens dar. Im übrigen trat es der Beurteilung des Erstgerichtes bei.

Rechtliche Beurteilung

Da in der einzigen, im Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung aufgeworfenen Frage, nämlich, ob das Kind bis zur endgültigen Entscheidung im Heim zu verbleiben habe oder vom Vater zu sich genommen werden könne, übereinstimmende Entscheidungen der Vorinstanzen vorliegen, wäre gemäß § 16 AußStrG ein weiterer Rechtszug nur wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit oder offenbarer Gesetzwidrigkeit zulässig. Eine Nichtigkeit wird im Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft nicht geltend gemacht. Auf die angeblichen Aktenwidrigkeiten ist nicht weiter einzugehen, weil die Wahrnehmung derartiger Verfahrensverstöße zur Voraussetzung hätte, daß sie einen Einfluß auf die Entscheidung gehabt hätten. Die Vorinstanzen haben jedoch ihre Entscheidungen nicht mit den behaupteten aktenwidrigen Feststellungen begründet, sondern ausschließlich mit dem Wohl des Kindes. Für diese Entscheidung ist es daher unerheblich, ob die Ausführungen über die Bereitschaft des Vaters, sich einer psychiologischen Untersuchung zu stellen oder über die angebliche Zustimmung eines Vertreters der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, der Aktenlage entsprechen oder nicht. Diese Umstände wurden nämlich von den Vorinstanzen nicht zur Begründung für seine Entscheidung herangezogen.

Bei den weiteren Anfechtungspunkten handelt es sich vorwiegend um die Rüge angeblicher einfacher Verfahrensverstöße, denen nicht der Grad einer Nichtigkeit zukommen kann. Eine Nichtigkeit im Pflegschaftsverfahren läge nur vor, wenn die Untergerichte die Grundsätze des Pflegschaftsverfahrens, insbesondere die Beachtung des Wohles des Kindes, mißachtet hätten. Hat sich aber das Rekursgericht mit dem Wohl des Kindes auseinandergesetzt, so kann die Frage, ob weitere Beweisaufnahmen oder Verfahrensschritte zweckmäßig gewesen wären oder nicht, nicht Gegenstand eines Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG sein. Im übrigen liegt es auf der Hand, daß bei einer vorläufigen Entscheidung nicht sämtliche notwendigen Verfahrensschritte getroffen werden konnten, weil andernfalls bereits mit einer endgültigen Entscheidung vorgegangen werden könnte. Selbst wenn daher für die endgültige Entscheidung weitere Verfahrensschritte erforderlich wären, müßte deren Unterlassung nicht zu einer Anfechtbarkeit der Provisorialentscheidung führen.

Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (JBl 1975, 661; NZ 1973, 77 ua). Offenbare Gesetzwidrigkeit kann schon begrifflich nicht vorliegen, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt (NZ 1982, 142; SZ 49/76 ua), außer die Entscheidung verstößt gegen eine klare Gesetzeslage oder gegen die Grundprinzipien des Rechtes oder sie ist ganz willkürlich und mißbräuchlich (EFSlg 39.836, 37.415 ua). Bei der Entscheidung, wem die Pflege und Erziehung eines unehelichen Kindes zusteht, kommt dem Wohl des Kindes entscheidende Bedeutung zu (EvBl 1972/73; JBl 1974, 575 ua). Diesen Grundsatz haben die Vorinstanzen hier beachtet. Die hieraus erflossene Ermessensentscheidung kann demnach nicht offenbar gesetzwidrig sein. Mangels Vorliegens einer der im § 16 AußStrG genannten Anfechtungsgründe war der Revisionsrekurs demnach zurückzuweisen.

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