OGH 14Os95/89

OGH14Os95/896.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.September 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alois S*** wegen des Vergehens des Ansammelns von Kampfmitteln nach § 280 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Ried im Innkreis vom 19.Mai 1989, GZ 8 Vr 669/88-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der am 4.März 1914 geborene Pensionist Alois S*** (1.) des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG und (2.) des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu 1) in der Zeit von 1978 bis zum 12.Oktober 1988 in Eggerding, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt insgesamt acht im einzelnen näher bezeichnete Faustfeuerwaffen (nämlich drei Pistolen und fünf Revolver) besessen, und

(zu 2) am 10.Oktober 1988 in Neumarkt am Hausruck ein 185-Liter "Kunststoffmostfaß" im Wert von 1.050 S dem Karl D*** gestohlen. Von der weiteren Anklage, er habe in der Zeit von 1978 bis zum 12. August (richtig: Oktober) 1988 in Eggerding

1. dadurch einen Vorrat von Waffen und Schießbedarf angesammelt und bereitgehalten, der nach Art und Umfang geeignet war, eine größere Zahl von Menschen zum Kampf auszurüsten, daß er insgesamt 13 im einzelnen näher bezeichnete Militärkarabiner und Gewehre, zwei (Gewehr-)Läufe mit Verschluß und 366 Stück Karabinermunition in seiner Wohnung lagerte, sowie

2. zumindest fahrlässig eine Pistole der Marke Steyr, Modell Roth, Kaliber 8 mm, unbefugt besessen, und habe hiedurch das Vergehen des Ansammelns von Kampfmitteln nach § 280 Abs 1 StGB und das Vergehen nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG begangen, gemäß § "259 Z 3" (richtig: 336) StPO freigesprochen.

Die Geschwornen hatten die (jeweils anklagekonform) auf das Vergehen des Ansammelns von Kampfmitteln nach § 280 Abs 1 StGB gerichtete Hauptfrage 1 stimmeneinhellig verneint, die auf das Vergehen nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG lautende Hauptfrage 2 mit Ausnahme der im freisprechenden Teil des Urteils unter Punkt 2 bezeichneten Pistole ebenso wie die auf das Vergehen des Diebstahls gerichtete Hauptfrage 3 (stimmeneinhellig) bejaht und die an die Hauptfragen 1 und 2 geknüpfte Zusatzfrage nach schuldausschließendem Rechtsirrtum (§ 9 StGB) einstimmig verneint.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch des Angeklagten vom Anklagevorwurf des Vergehens nach § 280 Abs 1 StPO (Punkt 1 des Freispruchs) gerichteten, auf die Gründe nach Z 8 und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Mit der Rüge der Rechtsbelehrung (Z 8) bemängelt die Beschwerdeführerin, daß eine nähere Erläuterung der im § 280 Abs 1 StGB enthaltenen Begriffe "Kampfmittel" und "Ausrüsten zum Kampf" fehle; ferner wendet sie sich gegen den Hinweis in der Rechtsbelehrung, daß eine streng ziffernmäßige Abgrenzung des Begriffes "eine größere Zahl von Menschen" bedenklich sei. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bedurfte der Ausdruck "Kampfmittel" in der den Geschwornen gemäß § 321 StPO erteilten (schriftlichen) Rechtsbelehrung schon deshalb keiner näheren Erörterung, weil dem Angeklagten laut Anklage und der darauf beruhenden Fragestellung (Haupfrage 1) nur das Ansammeln und Bereithalten eines Vorrates von Waffen und Schießbedarf, nicht aber von anderen (das heißt nicht schon unter den Begriff Waffen oder Schießbedarf fallenden) Kampfmitteln angelastet wurde. Das Ansammeln oder Bereithalten von "anderen Kampfmitteln" war sohin im vorliegenden Fall gar nicht aktuell, sodaß eine Erklärung des Begriffes "Kampfmittel" in der Rechtsbelehrung nicht geboten war; denn in dieser sind nur die in den gestellten Fragen aufscheinenden Rechtsbegriffe zu erläutern (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 22 zu § 345 Z 8). Soweit die Beschwerde zum Waffenbegriff einen Hinweis in der Rechtsbelehrung vermißt, daß darunter alle nach 1871 erzeugten und funktionsfähigen Waffen fallen, läßt sie die Änderung des § 30 WaffG durch die WaffGNov. 1986 BGBl. 166 unberücksichtigt (vgl. Leukauf-Steininger Strafrechtliche Nebengesetze Anm. A zu § 30 WaffG). Davon abgesehen enthält die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung ohnedies den in diesem Zusammenhang wesentlichen Hinweis, daß nur "gänzlich veraltete" (also sinngemäß zum Kampf unbrauchbare) Waffen nicht unter § 280 StGB fallen, wogegen "bloß unmodern gewordene" Waffen zu berücksichtigen sind. Im übrigen ist eine im § 321 Abs 2 StPO statuierte Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes grundsätzlich nur für solche Rechtsbegriffe erforderlich, die den Geschwornen als Laienrichtern nicht von vornherein einsichtig sind und die daher einer Auslegung bedürfen. Den Geschwornen soll auf diese Weise ein klares Verständnis über den Bedeutungsinhalt von erörterungsbedürftigen Rechtsbegriffen vermittelt werden. Hingegen bedürfen sogenannte deskriptive Tatbestandsmerkmale, die dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommen und daher jedermann verständlich sind, keiner besonderen Erläuterung in der schriftlichen Rechtsbelehrung. Es genügt vielmehr die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 29 ff). Dies gilt auch für den Ausdruck "zum Kampf ausrüsten"; kann doch nicht zweifelhaft sein, daß darunter nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Ausstattung für eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Menschen zu verstehen ist. Der Gesetzgeber hat im § 280 Abs 1 StGB (durch die Formulierung "... eine größere Zahl von Menschen ...") von der Angabe einer bestimmten Zahl abgesehen, obgleich ihm diese Möglichkeit offen gestanden wäre, und die Auslegung dieses unbestimmten Zahlenbegriffes der Rechtsprechung überlassen. Unter diesem Aspekt kann nicht gesagt werden, daß der Hinweis, eine strenge ziffernmäßige Abgrenzung des Begriffes der größeren Zahl von Menschen sei bedenklich, die Rechtsbelehrung insoweit zu einer unrichtigen macht (vgl. SSt. 49/40). Die weiteren Ausführungen in der Rechtsbelehrung, wonach unter einer "größeren Zahl von Menschen" mindestens zehn Menschen zu verstehen wären, sei eine vertretbare Auffassung, steht mit der darauf bezughabenden Rechtsprechung im Einklang. Wurde doch damit auch für die Laienrichter unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die Zahl 10 insoweit nur als Richtwert zu verstehen ist (vgl. Steininger im WK § 279 Rz 4, § 280 Rz 12).

Die gesetzmäßige Ausführung des mit der Rechtsrüge relevierten Nichtigkeitsgrundes (Z 11 lit a) schließlich setzt voraus, daß an den im Wahrspruch festgestellten Tatsachen, deren Richtigkeit nicht angefochten werden kann, festgehalten und auf dessen Grundlage ein Rechtsirrtum dargetan wird. Ein derartiger Rechtsirrtum muß demnach aus dem Wahrspruch selbst abgeleitet werden und kann nicht, so wie dies die Beschwerde versucht, durch einen Vergleich des Wahrspruchs mit den (gemäß § 331 Abs 3 StPO) in der Niederschrift (schlagwortartig) angeführten Erwägungen, von denen die Geschwornen bei der Beantwortung der Hauptfrage 1 (nach dem Vergehen nach § 280 StGB) ausgegangen sind, dargetan werden (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 2, 7, 8 zu § 345 Z 11 lit a). Der Inhalt der gemäß § 331 Abs 3 StPO verfaßten Niederschrift kann somit nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde sein (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 10 ff zu § 331). Gerade das unternimmt aber die Staatsanwaltschaft; sie führt damit die Rechtsrüge nicht dem Gesetz gemäß aus. Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

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